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Pauschalsteuer: Streit wegen reichen Ausländern

Die steuergünstige Gemeinde Wollerau im Kanton Schwyz zieht viele wohlhabende Leute aus dem Ausland an. Keystone

Ist die Schweiz ein Steuerparadies, ein gelobtes Land für Steuernomaden und Steueroptimierer? Die Kontroverse über die Pauschalbesteuerung von ausländischen Privatpersonen wirft in der Schweiz hohe Wellen.

Die Stimmbürger des Kantons Zürich, dem eigentlichen Wirtschaftsmotor der Schweiz, stimmen am 8. Februar darüber ab, ob sie die Pauschalbesteuerung abschaffen wollen.

Die Schweiz hat eine geringere Steuer- und Staatsquote als viele Länder in Europa. Davon profitieren ausländische Unternehmen, die ihre Firmensitze in der Schweiz einrichten.

So hat die Suchmaschinen-Unternehmung «Google» die Stadt Zürich zum weltweit zweitgrössten Firmensitz erweitert.

Die vorteilhaften Steuerbedingungen nutzen auch immer mehr wohlhabende ausländische Einzelpersonen, die gemäss dem Steuerharmonisierungs-Gesetz des Bundes in der Schweiz pflegeleicht besteuert werden, wenn sie nicht in der Schweiz arbeiten.

Springender Punkt für die internationalen Steuernomaden ist, dass sie aufgrund ihrer Auslagen wie Miete, Personal, Verpflegung, Sport, Ferien und Kuraufenthalte besteuert werden, ungeachtet ihrer globalen Vermögens- und Einkommensverhältnisse.

Wohnen ist steuerrechtlich relativ

Diese Pauschalbesteuerung (lump-sum taxation) führe zu Verzerrungen der Steuergerechtigkeit, erklärt Ulrich Thielemann, Vizedirektor des Instituts für Wirtschaftsethik der Universität St.Gallen gegenüber swissinfo.

«Viele Steuernomaden unterlaufen das Wohnsitz- und Betriebsstättenprinzip. Sie sind zwar aus Steuergründen in der Schweiz domiziliert, erzielen jedoch weiterhin zum Teil sehr hohe Einkommen in anderen Ländern.»

Der Vorwurf des Sozialethikers lässt sich abstützen: Zwei Drittel der in der Schweiz pauschal besteuerten Ausländer sind weniger als 65 Jahre alt, stehen aktiv im Leben.

Die Pauschalbesteuerung wurde jedoch in der Schweiz in den dreissiger Jahren des vorigen Jahrhunderts für eine bestimmte Personengruppe eingeführt. Damals liessen sich am Genfersee viele ältere begüterte Künstler nieder, unter ihnen Charles Chaplin.

Kontroverse Bemessungsgrundlage

Die lokalen Steuerbehörden nehmen in der Praxis für die Bemessung der Ausgaben die Jahresmiete als Anhaltspunkt. Das steuerbare Einkommen beträgt in der Regel das Fünffache der Jahresmiete. Zwei modellhafte Beispiele zeigen, wie leicht die Steuerlast für reiche Ausländer in der Schweiz sein kann.

Angenommen, Mister X hat ein Vermögen von 230 Mio. Franken und ein jährliches Einkommen von 14 Mio. Franken. Er mietet in Genf eine Wohnung für monatlich 3000 Franken. Die Jahresmiete von 36’000 Franken wird nun mit dem Faktor Fünf multipliziert.

Der steuerrelevante Aufwand von Mister X beträgt damit 180’000 Franken. Bei einem Steuersatz von 30 Prozent erhält der vermögende Herr X. eine Steuerrechnung von 54’000 Franken.

Wohnt Mister X. gediegen in einer 3 Mio. Franken teuren Residenz mit einem Eigenmietwert von 150’000 Franken, kommt er pauschal mit 225’000 Franken Steuern weg.

Viel Lärm um wenig Geld?

Gemäss einer Erhebung der kantonalen Finanzdirektoren werden in der Schweiz rund 4200 ausländische Personen pauschal besteuert, die pro Jahr insgesamt 400 Millionen Franken an Kantons-, Gemeinde- und direkten Bundessteuern generieren – eine Summe, die kaum ein Prozent des gesamten Steueraufkommens der Schweiz ausmacht.

Die Pauschalbesteuerung ist in der Schweiz umstritten, und sie führt zu hitzigen, nationalen Debatten. Die Stimmbürger des Kantons Zürich, wo 137 reiche Ausländer pauschal besteuert werden, stimmen am 8. Februar über eine mögliche Abschaffung der Besteuerung reicher Ausländer nach dem Aufwand ab.

Die Gegner der Pauschalbesteuerung meinen, die Steuer schaffe Rechtsungleichheit, untergrabe die Steuermoral, fördere die Steuerhinterziehung, tangiere die Steuergerechtigkeit und treibe die Immobilienpreise in die Höhe.

Wohlhabende Schweizerinnen und Schweizer würden nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert, während reiche Ausländer pauschal und nur aufgrund ihrer Aufwendungen belastet würden.

Pauschalbesteuerung und Neidkultur

Verfechter der Pauschalbesteuerung, wie der freisinnige Abgeordnete Filippo Leutenegger, sind davon überzeugt, dass reiche Ausländerinnen und Ausländer hervorragende Konsumenten von Dienstleistungen und von Konsumgütern sind, welche die Binnenwirtschaft ankurbelten.

«Wenn wir in Zürich die Pauschalbesteuerung nicht mehr anbieten, wandern reiche Ausländer in andere Kantone oder Staaten ab, welche die Besteuerung nach Aufwand weiter praktizieren», sagt Leutenegger gegenüber swissinfo.

Zur Frage, ob Pauschalsteuern ungerecht seien, meint er: «Wenn wir sie abschaffen, verzichten wir freiwillig auf Steuereinkommen. Diese Ausfälle müssen andere Steuerzahler übernehmen. Der Streit um die Pauschalbesteuerung hat mit Gerechtigkeit wenig, mit Neidkultur aber viel zu tun.»

Schaffen Pauschalsteuern Wettbewerb?

An der Frage der Pauschalbesteuerung beisst sich die föderale Schweiz ein paar Zähne aus. Die Bandbreite, wie einzelne Kantone mit reichen Ausländern umgehen, ist sehr gross.

Eine Konsumentenzeitschrift informierte sich bei rund drei Dutzend Städten und Gemeinden verdeckt, wie Mister X mit seinem Vermögen von 230 Millionen Franken und seinem Einkommen von 14 Millionen Franken besteuert würde.

Die Unterschiede waren frappant: Winterthur (Kanton Zürich) hätte Mister X mit pauschal 650’000 Franken willkommen geheissen. Münsterlingen (Thurgau) forderte 500’000 Franken), Möhlin (Aargau) wäre schon mit 150’000 Franken zufrieden gewesen, und Horw (Luzern) forderte selbstbewusste 960’000 Franken von Mister X.

swissinfo, Erwin Dettling

Die Basis für die Pauschalsteuer bilden das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer und das Steuerharmonisierungs-Gesetz.

Natürliche Personen aus dem Ausland können pauschal besteuert werden, wenn sie erstmals oder nach mindestens zehnjähriger Landesabwesenheit ihren steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz haben und keine Erwerbstätigkeit im Land ausüben.

Massgebend für die Pauschalbesteuerung sind die jährlichen Kosten für die Lebenshaltung.

Diese Lebenshaltungskosten können in der Praxis kaum ermittelt werden.

Deshalb nimmt die Steuerbehörde als Richtwert den bezahlten Mietwert für die selbst bewohnte Liegenschaft oder bei Wohneigentum den amtlich ermittelten Ertragswert (Eigenmietwert).

Die Summe des Mietzinses wird für die Berechnung der Steuer mit einem bestimmten Faktor (Steuersatz) multipliziert. Daraus resultiert die effektive Pauschalsteuer.

Pauschalbesteuerte Personen sind von der Pflicht befreit, ihr ausländisches Vermögen und ihre Einkünfte gegenüber den Steuerbehörden auszuweisen.

Sie müssen jedoch ihr Bruttovermögen und ihre Bruttoeinkünfte aus inländischen Quellen ausweisen.

Mit diesen Angaben ermitteln die Steuerbehörden die Kontrollrechnung.

Die Pauschalsteuer darf nicht geringer ausfallen, als die sich aus der Besteuerung der Schweizer Einkommens- und Vermögensfaktoren ergebende Steuer.

swissinfo.ch

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