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E-ID ist vom Tisch – Neustart folgt sogleich

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Keystone / Alexandra Wey

Die Einführung einer elektronischen Identität ist an der Urne deutlich gescheitert. Ausschlaggebend für das Nein war vor allem die Tatsache, dass private Unternehmen als so genannte Identitätsanbieter hätten agieren sollen.

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Gemäss provisorischem Schlussresultat der BundeskanzleiExterner Link wird die Einführung einer digitalen IdentitätExterner Link mit einem Nein-Anteil von 64.36% abgelehnt. Die Stimmbeteiligung lag bei 51,3%. Alle Kantone lehnten die Vorlage ab, am deutlichsten mit über 70% Nein Basel-Stadt und Waadt, mit dem geringsten Nein-Anteil von 56% der Kanton Tessin.

«Es wurde im Vorfeld immer klarer, dass dies kein Fortschritts-Anliegen ist, sondern eine Kooperation von Staat und privaten Anbietern», sagte Lukas Golder, Politologe und Leiter gfs.bern. Eine Güterabwägung habe wohl zu diesem Nein gegen eine Privatisierung solcher Dienste beigetragen, schätzte er. Ein möglicher Schaden habe für die Stimmberechtigten überwogen. «Dabei kam auch ein gewisses Misstrauen gegenüber diesen Konzernen zum Ausdruck.» Dieser Datenschatz hätte sie möglicherweise zu Missbrauch verführen können, sagte Golder.

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Erste Kurzanalyse von Lukas Golder, Leiter gfs.bern (Dialekt)

Reaktionen

«Die Vorlage hat zum ersten Mal eine breite direktdemokratische Debatte über die Digitalisierung ausgelöst. Das Thema löst verständlicherweise auch gewisse Ängste aus», sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter am Abend an einer Medienkonferenz in Bern. In der Debatte sei ein gewisses Malaise gegenüber der Digitalisierung zum Ausdruck gekommen.

Da in nächster Zukunft verschiedenste Bundesprojekte eine weitere Digitalisierung erfordern würden, müssten sich Regierung, Parlament und Parteien nun vertieft mit der Materie auseinandersetzen, um künftige Abstimmungsniederlagen zu verhindern, so Keller-Suter weiter.

«Das Konzept war politisch nicht tragfähig», analysierte sie. «Eine staatliche Lösung darf aber nicht zu einem Misserfolg werden.» Der Bundesrat sei offen für die weitere politische Diskussion. Ihr Departement werde dem Bundesrat in den nächsten Wochen ein Aussprachepapier zum weiteren möglichen Vorgehen präsentieren.

«Das ist ein deutliches Resultat», sagte Christian Wasserfallen, Nationalrat der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP.Die Liberalen), der sich für die Vorlage engagiert hatte. «Ich hoffe, dass jetzt auch mit den Leuten, die digitalisierungskritisch sind, eine positive Lösung gefunden werden kann.» Er gab aber auch zu bedenken, dass der Bund bereits einige IT-Projekte in den Sand gesetzt habe.

Für einen Neuanlauf rechne er mit zwei bis drei Jahren, sagte sein Parteikollege Marcel Dobler im Schweizer Fernsehen SRF.

Das Nein sei kein Nein zur E-ID, sondern «ein Ja für eine staatliche Lösung, die wir immer befürwortet haben», sagte Flavia Wasserfallen, Nationalrätin der Sozialdemokratischen Partei (SP) und nicht verwandt mit Namensvetter Christian. Bereits morgen würden die SP und die Grünliberale Partei im Parlament Vorstösse für eine neue Vorlage in diesem Sinn lancieren, sagte sie.

Die Digitalisierung sollte im Interesse der Allgemeinheit sein und nicht im Interesse von Firmen, sagte ihre Parteikollegin Min Li Marti im Schweizer Fernsehen SRF.

Die Neue Zürcher Zeitung schreibt von einem Debakel für die Befürworterinnen und Befürworter und einer «Ohrfeige für den Bundesrat und die bürgerliche Mehrheit im Parlament». Trotz bürgerlicher Unterstützung sei nicht garantiert, dass schnell eine Lösung auf den Tisch komme.

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Worum ging es?

Ein einziges Login. Das war das Versprechen der digitalen Identität, auch E-ID genannt. Sie sollte die Nutzung von Online-Diensten aller Art vereinfachen. Um eine solche digitale Identität einzuführen, verabschiedete das Parlament 2019 ein Gesetz.

Vorgesehen war, dass der Staat die notwendigen Daten zur Verfügung stellt. Die E-ID ausstellen und als so genannte Identitätsanbieter agieren sollen hätten aber hauptsächlich private Unternehmen sowie einige kantonale oder kommunale Behörden.

Die Rolle der Auslandschweizer

Für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer hatte diese Vorlage eine besondere Bedeutung. Denn eine E-ID hätte ihnen den Zugang zum E-Voting erleichtern können. Im Abstimmungskampf verhielt sich die Auslandschweizer-Organisation allerdings auffallend ruhig.

Der Grund: Im Auslandschweizerrat hiess im letzten Sommer zwar eine Mehrheit die Vorlage gut. Doch das Auslandschweizer-Parlament fasste die Ja-Parole mit wenig Überzeugung: 35 Ja-Stimmen standen 25 Nein-Stimmen und 16 Enthaltungen gegenüber.

Da es sich bei der Vorlage um ein Referendum gegen eine Gesetzesänderung handelte, war für den Entscheid lediglich das Volksmehr ausschlaggebend. Dies im Gegensatz zu einer Initiative, bei der auch das Ständemehr – also eine Mehrheit der Kantone – nötig ist.

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Die anderen beiden Vorlagen von heute:

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