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Sollen Immigranten-Grosskinder den Schweizer Pass leichter erhalten?

Heute kostet der Einbürgerungs-Prozess viel Geduld und Geld. Keystone

Viel Geduld und jede Menge Geld brauchen Ausländer und Ausländerinnen, die den roten Pass erwerben möchten. Für die dritte Generation von Ausländern soll dieser Prozess nun einfacher werden. Ein "Ausverkauf der Nationalität" sei das, findet das rechtskonservative politische Lager. Von einer Geste der Anerkennung gegenüber jungen, in der Schweiz aufgewachsenen Menschen, sprechen die Befürworter.

Auch wenn bereits Ihre Grossmutter und Ihr Grossvater in der Schweiz gelebt haben, hilft Ihnen das als Ausländer oder Ausländerin nicht unbedingt weiter, wenn Sie den Schweizer Pass erwerben wollen. Zurzeit gilt für junge Ausländer und Ausländerinnen der dritten Generation der gleiche Einbürgerungs-Prozess wie für deren Eltern und Grosseltern – ausser sie sind mit einem Schweizer oder einer Schweizerin verheiratet. Dieser Prozess kann Jahre dauern und mit hohen Kosten verbunden sein.

Beliebter Schweizer Pass

2015 ist die Zahl der Einbürgerungen deutlich gestiegen. 40’888 Personen erhielten den Schweizer Pass. Ein Jahr zuvor waren es nach Angaben des Staatssekretariats für Migration 33’325. Das entspricht einem Anstieg von 23%. Und einer Trendwende, denn seit 2006 sank die Zahl der Einbürgerungen tendenziell.

Migrationsexperten wie Professor Alberto Achermann von der Universität Bern erklären den Anstieg mit einer herrschenden Unsicherheit aufgrund der Masseneinwanderungs-Initiative und der Initiative zur Ausschaffung krimineller Ausländer. Ein weiterer Grund sei die Verschärfung des Bürgerrechtsgesetzes, die 2018 in Kraft treten wird.

Sollen Immigranten-Grosskinder den roten Pass mit dem weissen Kreuz künftig leichter erhalten? Das Schweizer Stimmvolk wird am 12. Februar 2017 darüber entscheiden, ob es den entsprechenden Bundesbeschluss «über die erleichterte Einbürgerung von Personen der dritten Ausländergeneration» annehmen will oder nicht. Ein Ja bedürfte einer Änderung der Verfassung. Regierung und Parlament empfehlen den Beschluss anzunehmen. 

Strenge Kriterien

«Die dritte Generation hat nur noch einen touristischen und symbolischen Bezug zum mythenhaften Land der Grosseltern», sagt Ada MarraExterner Link. Die Abgeordnete der sozialdemokratischen Fraktion brachte die Reform mit einer parlamentarischen Initiative vor acht Jahren ins Rollen. Diese jungen Menschen seien in der Schweiz verankert, sagt die Tochter italienischer Migranten.

Der Text, über den die Stimmbürger und – bürgerinnen abstimmen werden, ist das Resultat eines Kompromisses. Im Verlauf der parlamentarischen Debatten wurden die Bedingungen für eine erleichterte Einbürgerung verschärft: Ein Ausländer dritter Generation darf ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung nur bis zu seinem 25. Geburtstag einreichen. Er muss in der Schweiz geboren und im Besitz einer Niederlassungsbewilligung (Ausweis C) sein sowie während mindestens fünf Jahren hier zur Schule gegangen sein.

Das reicht aber noch nicht. Mindestens ein Elternteil muss die beiden letzten Kriterien ebenfalls erfüllen und zudem während mindestens zehn Jahren in der Schweiz gelebt haben. Auch muss mindestens ein Grosselternteil des Gesuchstellers in der Schweiz geboren sein oder glaubhaft machen können, dass er im Besitz eines Aufenthaltsrechts war.

SP-Politikerin Marra gibt zu, dass das Vorhaben nicht «revolutionär» sei. Es habe aber seinen Sinn behalten. Ein Ja zur erleichterten Einbürgerung erlaube zwei wichtige Schritte vorwärts: «Erstens kippt es die Bürde des Beweises. Es ist nicht mehr am jungen Anwärter zu beweisen, dass er gut integriert ist. Vielmehr müssen die kantonalen Behörden nun das Gegenteil beweisen», erklärt sie. «Zweitens würde der Verfassungsartikel eine Harmonisierung der kantonalen Praktiken ermöglichen.» Denn im Moment gelten je nach Kanton verschiedene Regeln. 16 Kantone haben ihre Einbürgerungs-Regeln bereits gelockert.

Rund 25’000 Junge betroffen

Bei einem Ja des Stimmvolkes an der Urne am 12. Februar 2017 könnten insgesamt rund 25’000 Junge eine erleichterte Einbürgerung beantragen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von Professor Philippe Wanner von der Universität Genf. Das entspricht rund 2200 Personen pro Jahr. Die Mehrheit von ihnen sind Italiener und Italienerinnen. Aber auch Junge mit türkischen Wurzeln und aus dem Balkan könnten davon profitieren.

«Ausverkauf der Schweizer Nationalität»

Ausser der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) sind alle Parteien mit diesem Kompromiss zufrieden. Die SVP kritisiert, die Linke wolle die «Schweizer Nationalität ausverkaufen». Parlamentarier Jean-Luc AddorExterner Link versteht nicht, weshalb ein Ausländer der dritten Generation von einem erleichterten Einbürgerungs-Verfahren profitieren können soll. Die Situation sei vergleichbar mit dem Eintritts-Verfahren in einen Klub. «Man muss einen Beitrittsantrag stellen. Ich kenne nicht viele Klubs, die mit Blick auf die Zulassungs-Formalitäten Geschenke machen. Die Schweiz wäre der einzige Klub, der das akzeptieren würde.»

Addor zeigt sich unversöhnlich: Der Einbürgerungs-Prozess dürfe nicht erleichtert werden. Ausser für den vom Gesetz bereits vorgesehene Fall, dass jemand schon mit einem Schweizer oder einer Schweizerin verheiratet ist. Die von einigen Kantonen bereits eingeführten Erleichterungen sieht er nicht gerne. Der Schweizer Pass müsse manchmal hart erkämpft werden. Erhalten sollen Anwärter ihn am Ende eines Parcours, der deren Integration und Motivation aufzeige.

Marra wehrt sich gegen den Vorwurf der SVP. Von einem «Ausverkauf der Schweizer Nationalität» könne nicht die Rede sein. «Jährlich würden gerade mal 4000 bis 5000 der zwei Millionen Ausländer und Ausländerinnen in der Schweiz von einer erleichterten Einbürgerung profitieren», stellt sie klar. «Es ist allerdings wichtig, sie als Familienmitglieder anzuerkennen.»

Eine im Dezember veröffentlichte Studie (siehe Kasten) spricht von jährlich rund 2200 jungen Ausländern und Ausländerinnen, die einen  Antrag zur erleichterten Einbürgerung stellen könnten.

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Kein Automatismus

Es bleibt abzuwarten, ob die Argumente die Mehrheit des Schweizer Stimmvolkes überzeugen werden. Es äussert sich nicht zum ersten Mal zu dieser Frage: Die drei bisherigen Projekte zu einer erleichterten Einbürgerung schickte es bachab, das letzte Mal 2004. Damals stimmte eine knappe Mehrheit (51,6%) gegen die automatische Einbürgerung für Ausländer und Ausländerinnen dritter Generation. Auch eine erleichterte Einbürgerung für die zweite Generation wurde abgelehnt.

Wird es beim vierten Versuch nun klappen? Initiantin Marra hofft es. Sie betont, dass ihr Vorschlag – im Gegensatz zur Vorlage von 2004 – keine automatische Einbürgerung junger Ausländer und Ausländerinnen vorsehe. «Es wurde alles unternommen, um die Einführung des Geburtsortsprinzips zu verhindern», sagt sie. Marra deutet es als ermutigendes Zeichen, dass die Stimmbürger und -bürgerinnen 2008 die SVP-Initiative «für demokratische Einbürgerungen» ablehnten. Diese sah Volksabstimmungen über die Einbürgerungs-Verfahren auf Gemeindeebene vor.

Damit es beim vierten Anlauf vom 12. Februar 2017 klappt, muss sowohl die Mehrheit des Stimmvolkes als auch der Kantone für den Vorschlag von Marra stimmen. Die Befürworter werden versuchen, junge Wähler mit Hilfe der Sozialen Medien, junger Parteimitglieder, Gewerkschaften und Migrations-Organisationen zu mobilisieren.

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(Übertragung aus dem Französischen: Kathrin Ammann)

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