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Abzocker-Initiative: Jetzt entscheidet das Volk

Hinter der "Abzocker-Initiative" steht der Unternehmer und Ständerat Thomas Minder. Keystone

Die hitzigen Debatten über exorbitante Manager-Löhne haben zu einem ersten Ergebnis geführt. Die Aktionäre eines Unternehmens können künftig mehr Einfluss auf die Löhne der Top-Manager nehmen. Am 3. März wird sich zeigen, wie weit dieser Einfluss gehen soll.

«Es ist skandalös, dass sich die Top-Manager selbst vollkommen überzogene Saläre und Abgangsentschädigungen zugestehen, während die Unternehmen Verluste einfahren und Massentlassungen durchführen», empört sich der Schaffhauser Unternehmer Thomas Minder, der als Parteiloser im Oktober 2011 in den Ständerat gewählt wurde. Aus Empörung gegen diese Praktiken hatte er vor einigen Jahren die Volksinitiative «Gegen die Abzockerei» lanciert. Damals war er noch nicht Mitglied des Parlaments.

Diese Volksinitiative verlangt einen neuen Verfassungsartikel, um die Aktivitäten von börsenkotierten Schweizer Unternehmen zu regeln und die Aktionärsrechte zu stärken. Dank einer allgemeinen Empörung gegen die exorbitanten Vergütungen von Managern fand die Initiative schnell die ausreichende Unterstützung. Im Februar 2008 wurde die Initiative in der Bundeskanzlei mit 114’000 gültigen Unterschriften eingereicht.  

Weniger schnell ging es dann im Parlament voran, wo die Initiative schon bald zum Spielball der politischen Parteien wurde. Ganze vier Jahre dauert es, bis eine Mehrheit im Parlament die Initiative definitiv verwarf, um ihr einen Gegenvorschlag gegenüber zu stellen, der eine Reihe von Kernforderungen aufnimmt, aber weniger weit geht als die Initiative. Die Minder-Initiative wird von den rechten Parteien und den Mitte-Rechts-Kräften heftig bekämpft, während die Linken und Grünen sich mehrheitlich dafür aussprechen.

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Können oder müssen?

Die Abzocker-Initiative verlangt, dass der Eigentümer (Aktionär/-in) jährlich an der Generalversammlung über die Gesamtsumme aller Entschädigungen des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung und des Beirates abstimmen kann. Gemäss dem Gegenvorschlag legt die Aktionärsversammlung selbst fest, ob ihr Vorschlag verbindlichen oder nur beratenden Charakter hat.

Ein weiterer Unterschied: Gemäss Initiative soll es ein Verbot von Abgangsentschädigungen und Begrüssungsmillionen geben. Beim Gegenvorschlag wird der Generalversammlung die Möglichkeit eingeräumt, Ausnahmen zuzulassen. Dafür wäre dann eine Zweidrittelmehrheit nötig.

«Wir wollen nicht, dass der Staat zu starre Regeln festlegt. In bestimmen Bereichen müssen die Aktionäre eine Entscheidungsfreiheit haben», sagt Nationalrat Martin Landolt (BDP), der das überparteilichen Komitee «Nein zur Minder-Initiative» anführt. Für Thomas Minder geht es hingegen darum, «alle Fluchtwege für die Profitgierigen zu schliessen».

Gemäss dem Schaffhauser Ständerat ist auch die jährliche Wahl der Mitglieder des Verwaltungsrats ein entscheidender Punkt seiner Initiative. Dadurch werde ausgeschlossen, dass in einem Unternehmen Kaderleute jahrelang bezahlt werden müssten, auch wenn ihnen gekündigt wurde. 

Landolt ist da anderer Ansicht: «Wenn die Aktionäre die Notwendigkeit sehen, anders entscheiden zu wollen, müssen sie diese Freiheit haben.» Seiner Meinung nach sind die im Gegenvorschlag enthaltenen Regelungen, welche Mandate bis zu einer Laufzeit von drei Jahren vorsehen, besser für ein Unternehmens-Management geeignet.

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Pensionskassen und Versicherte

Sehr umstritten ist zudem die durch die Initiative festgelegte Pflicht für Pensionskassen, dass sie bei einer Generalversammlung eines börsenkotierten Unternehmens «im Interesse ihrer Versicherten abstimmen und offen legen müssen, wie sie gestimmt haben». Nationalrat Landolt ist gegen die Vorschrift: «Meiner Meinung nach ist es gar nicht möglich, ganz allgemein die Interessen der Versicherten zu kennen, denn es gibt die unterschiedlichsten Arten von Versicherten.»

«Wenn eine Pensionskasse nicht in der Lage ist, bei einer Abstimmung  sich einmal im Jahr für ein Ja oder Nein zu entscheiden oder sich zu enthalten, erfüllt sie ihren Auftrag nicht. Das ist weder im Interesse des Unternehmens noch im Interesse der Versicherteneinlagen», sagt hingegen Minder.

Umstrittene Sanktionen

Die Initiative legt im Weiteren fest, dass Widerhandlung gegen die Bestimmungen mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und Geldstrafe bis zu sechs Jahresvergütungen bestraft werden.

In Wirtschaftskreisen ist man überzeugt, dass die Einführung dieser Sanktionen kontraproduktiv wäre und sich demotivierend auf Führungspersonen auswirken würde. Die Regelung hätte einen negativen Einfluss auf den Wirtschaftsstandort Schweiz.

«Die Sanktionen sind unabdingbar, um einem Verstoss gegen die Regeln vorzubeugen», sagt demgegenüber Thomas Minder. Seiner Meinung nach funktionieren umgekehrt die zivilrechtlichen Vorschläge des Gegenvorschlags nicht, mit denen zu Unrecht bezahlte Bezüge eingefordert werden können. Minder: «Eine Aktiengesellschaft würde aus Angst vor einem langen juristischen Tauziehen und einem entsprechenden Imageverlust verzichten. Das gilt auch für die Aktionäre, die kaum legale Schritte einleiten, wenn sie nicht sicher sind, den Fall zu gewinnen.»

Die Abzocker-Initiative wird bisher von der Sozialdemokratischen Partei, den Grünen und der evangelischen Partei (EVP) unterstützt. Dagegen sprechen sich die Freisinnigen, die Grünliberalen, die Christdemokraten und die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP) aus.

Die SVP-Vertreter haben die Abzocker-Initiative im Parlament abgelehnt. Doch erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die SVP-Basis anders entscheidet. Die Delegiertenversammlung wird am 26. Januar ihre Parole fassen.

Die Vertreter der Wirtschaftsdachorganisation economiesuisse, aber auch Gewerkschaften wie die christliche travail suisse, lehnen die Volksinitiative ab.

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund empfiehlt, am 3. März einen leeren Stimmzettel einzuwerfen. Die grösste Arbeitnehmervertretung in der Schweiz kritisiert sowohl die Volksinitiative als auch den Gegenvorschlag, weil beide Vorlagen Nachteile für Lohnabhängige brächten.

Millionenschwere Kampagne der Gegner

Der Wirtschaftsdachverband economiesuisse bekämpft die Initiative Minder mit allen Mitteln. Und vor allem mit viel Geld. Das Budget der Anti-Minder- Kampagne beträgt zwischen 5 und 8 Millionen Franken. Thomas Minder sagt nicht, wie viel Geld er in seine Kampagne steckt. Aber es ist klar, dass zwischen den beiden Parteien Welten liegen.

Nicht millionenschwer, aber für die Schweiz neuartig ist der überparteiliche Unterstützerverein für die Initiative unter dem Namen «Volk gegen Abzockerei», in dem sich verschiedene Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens engagieren. Der Verein hat sich an den Kampagnen von Barack Obama inspiriert und sammelt über Internet Spenden und Ideen zur Unterstützung der Minder-Initiative.

Das Volk wird am 3.März abstimmen. Sollte die Volksinitiative abgelehnt werden, würde automatisch die Revision des Aktionärsrechts in Kraft treten, die vom Parlament im Gegenvorschlag gebilligt wurde.

Jährliche Abstimmung der Generalversammlung (GV) über die Gesamtsumme aller Vergütungen des Verwaltungsrates (VR), der Geschäftsleitung (GL) und des Beirats.

Jährliche Einzelwahl der Mitglieder des Verwaltungsrates, des Verwaltungsratspräsidenten, der Mitglieder des Vergütungsausschusses und der unabhängigen Stimmrechtsvertreter.

GV-Stimmpflicht der Pensionskassen/AHV-Ausgleichsfonds im Interesse ihrer Versicherten.

Aktionäre können per elektronische Fernabstimmung abstimmen.

Keine Organ- und Depotstimmrechts-Vertretung.

Für VR- und GL-Mitglieder gibt es keine Vorauszahlungen, keine Abgangsentschädigungen und keine Prämien bei Firmenkäufen oder –verkäufen.

Keine Delegation der Gesellschaftsführung an eine andere Firma.

Strafbestimmung bei Widerhandlung werden mit Freiheitsstrafe und Geldstrafe geahndet.

(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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