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Stabile, aber stärker polarisierte Wählerschaft

Der SVP gelingt es offenbar am besten, ein Abwandern ihrer Wählerschaft zu anderen Parteien zu verhindern. Keystone

Die Schweizerische Volkspartei (SVP) hat von der Sorge um Migration, aber auch von einer sehr treuen Wählerschaft profitiert, während der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP.Die Liberalen) zu Gute kam, dass sie als starke Wirtschaftspartei wahrgenommen wurde. Diese Gründe nennt die Studie Selects für den Erfolg des rechten Lagers bei den Wahlen 2015. Die Analyse zeigt eine stabile, wenn auch polarisiertere Wählerschaft.

«In der Analyse der letztjährigen Wahlen sticht besonders hervor, dass der Wahlgang extrem stabile Resultate ergeben hat. Seit 1963 wurde keine so tiefe Verschiebung von Wählerstimmen zwischen den Parteien festgestellt», erwähnt Georg LutzExterner Link, Politikwissenschaftler an der Universität Lausanne und Leiter der Wahlstudie SelectsExterner Link.

Eine Rückkehr zu früheren Zeiten also nach den massiven Verschiebungen in den letzten Jahrzehnten. Seit der Einführung des Proporzsystems im Jahr 1919 bis in die 1980er-Jahre zeichneten sich die Kräfteverhältnisse zwischen den Parteien durch eine Stabilität aus, die im Europavergleich einmalig ist. In den 90er-Jahren begann sich auch die Schweizer Politlandschaft zu bewegen, mit dem kometenhaften Aufstieg der rechtskonservativen SVP auf Kosten der beiden grossen historischen Parteien, der FDP und der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP).

Das Ergebnis der letzten eidgenössischen Wahlen widerspiegelt andererseits auch die wirtschaftliche und soziale Stabilität, die grösstenteils die Legislaturperiode 2011-2015 charakterisiert hat. Die Schweiz hat in der Tat die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise sehr rasch überwunden, von der seit 2007 fast alle Länder Europas betroffen waren. Die Wirtschaft erzielte ein ziemlich gutes Wachstum in dieser Zeit, und die Arbeitslosenquote blieb zwischen 3 und 4%.

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Zwei Sieger des rechten Lagers

Trotz dieser relativen Stagnation zeichnete sich der Wahlgang 2015 durch zwei Eckdaten historischer Dimension aus. Vor allem die 29,4% (+2,8%) der Stimmen, welche die SVP erreichte, sind der höchste Wähleranteil, den eine politische Partei seit 1919 erlangte. «Noch einmal: Die SVP konnte mehr als jede andere Partei ihre Wählerschaft mobilisieren. Gut 93% jener, die 2011 SVP gewählt hatten, gaben im letzten Jahr erneut dieser Partei ihre Stimme», betont Georg Lutz. Für die anderen politischen Kräfte lag diese Quote zwischen 50 und 81%.

Die SVP profitierte davon, dass das Thema Migration – ausländische Arbeitskräfte und Asyl – im Wahlkampf dominierte, hauptsächlich im Zusammenhang mit dem Zustrom von Flüchtlingen vor allem aus Syrien. Für 44% der befragten Personen war die Migration im 2015 die Hauptsorge. Es folgten mit grossem Abstand die europäische Integration (13%), das politische System (12%), die soziale Sicherheit (9%) und die Wirtschaft (5%).

Das andere Merkmal historischen Ausmasses ist der Wahlerfolg der FDP, der von 15% Wählerstimmen auf 16,4% im letzten Jahr zunahm. Der Mitte-Rechts-Partei gelang es damit, ihren Rückgang an Wählerstimmen zu bremsen, der bereits 1983 begonnen hatte. Die FDP, die seit jeher eine Partei der Wirtschaft war, hatte in den letzten Jahren dieses Image eingebüsst, insbesondere seit der Finanzkrise von 2007 und den teils exzessiven Managerlöhnen, die ausbezahlt wurden. Die Verflechtung mit der Wirtschaft scheint 2015 der Partei jedoch erneut geholfen zu haben. Die FDP gilt als kompetenteste Partei, um wirtschaftliche Probleme zu lösen, vor allem nach der Aufhebung des Frankenkurses gegenüber dem Euro und angesichts der schwierigen Verhandlungen mit der EU über die Weiterführung der bilateralen Verträge.

Rechtsrutsch

Mit der leichten Zunahme dieser zwei Parteien bei den Wahlen von 2015 ist die Schweizer Politik nach rechts gerutscht. Zusammen mit der Lega dei Ticinesi und dem Mouvement Citoyens Romand verfügen SVP und FDP nun über eine Mehrheit im Nationalrat und haben bereits kundgetan, in der neuen Legislatur einen neuen neoliberalen Kurs einschlagen zu wollen.

Ausbaden müssen diese Entwicklung vor allem die Mitteparteien: Mit dem Rückgang auf 11,6% (-0,8%) verliert die CVP weiterhin an traditionellen Wählerstimmen, ohne neue hinzuzugewinnen. Der Verlust der Grünliberalen (GLP) um 0,8% auf 4,6% und der Bürgerlich-Demokratischen Partei (BDP) auf 4,1% (-1,3%) dürfte jedoch der Tatsache zugeschrieben werden, dass die zwei kleinen Mitteparteien noch über keine eigene stabile Wählerbasis und kein klares Profil verfügen.

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Wählerverluste erlitt auch das linke Lager. Während die Sozialdemokratische Partei (SP) ihre Wählerschaft bei 18,8% (+0,1%) halten konnte, ging die Grüne Partei der Schweiz (GPS) auf 7,1% (-1,3%). Die beiden Parteien mit ähnlichem Profil nehmen sich weiterhin Wählerstimmen weg, ohne auch in der Mitte Anhänger zu finden. Der Linken ist es fast noch nie gelungen, mehr als 30% der Schweizer Wählerstimmen zu holen. Dies ist im europäischen Vergleich praktisch einzigartig.

«Ich glaube, dies ist grösstenteils dem Schweizer Konkordanz-System zuzuschreiben. Die Sozialdemokraten sind dadurch teilweise begünstigt, da sie auch Regierungspartei sind. Gleichzeitig trägt dieses System zur Aufrechterhaltung stabiler Kräfteverhältnisse zwischen den Parteien bei und verhindert, dass die Linke wachsen kann», erklärt Pascal Sciarini, Politologe an der Universität Lausanne und Mitautor der Studie.

«Ein Alternanz-System mit einer Mehrheit und einer Opposition, wie das andere Länder kennen, könnte der Linken dazu verhelfen, auch Wählerstimmen aus der Mitte zu ergattern. Man kann aber auch spekulieren, dass wir vielleicht ein sehr konservatives Land sind».

Polarisiertere Wählerschaft

Die Wahlstudie Selects kommt auch zum Schluss, dass die Wahlen 2015 eine politische Polarisierung gebracht haben. In den letzten 20 Jahren hätten die Wahlen die Achse, die Rechts und Links trennt, nicht grundsätzlich verlagert. Hingegen hätten sich die Wähler der SVP und teils auch der FDP weiter rechts positioniert, während die Anhänger der SP und der Grünen Partei weiter nach links gerückt seien.

Noch weiter nach rechts verschoben sich die Abgeordneten gewisser bürgerlichen Parteien, hauptsächlich der SVP und der FDP. So unterstützen Politiker dieser Parteien etwa ein höheres Rentenalter, während sich ihre Basis mehrheitlich dagegen ausspricht.

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29 Millionen für Wahlkampf

Die Wahlforschungsstudie Selects des Schweizer Kompetenzzentrums Sozialwissenschaften (Fors) in Lausanne wurde unter Leitung des Politikwissenschaftlers Georg Lutz durchgeführt. An der Nachwahlbefragung nahmen 5337 Wahlberechtigte sowie 1676 Kandidierende teil.

Gemäss der Studie gaben die rund 3000 Kandidaten, die an den Wahlen teilnahmen, insgesamt 29 Millionen Franken aus, das sind 11 Franken 35 Rappen pro Wähler, bei einer Wahlbeteiligung von 48%. Davon entfielen 7 Mio. auf die Kandidierenden der FDP, 5,7 auf die CVP, 5,2 auf die SVP, 3 auf die SP, 2,1 auf die Grünen, 1,3 auf die Grünliberalen, 1 Mio. auf die BDP und 3,3 Millionen auf andere.

Die Autoren der Studie schätzen jedoch, dass der Wahlkampf rund doppelt so viel kostete, wenn man auch die Spenden von Parteien und Verbänden berücksichtigt. Damit wäre der Aufwand vergleichbar mit jenem der Präsidenten- und Parlamentswahlen von 2012 in den USA, wo die Kandidaten 22 Franken pro Wählerin oder Wähler ausgaben. In Deutschland wurden bei den Wahlen im Jahr 2013 lediglich 3 Franken pro Kopf ausgegeben.

(Übertragung aus dem Italienischen: Gaby Ochsenbein)

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