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«Bemühungen um Polizeireform werden blockiert»

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In der Schweiz gibt es rund 300 separate Polizeikräfte, die auf kantonaler, föderaler und kommunaler Ebene arbeiten. Keystone / Denis Balibouse

Laut dem Polizeiexperten Frédéric Maillard hat eine verbesserte Ausbildung zwar zu einem Rückgang von Racial Profiling und Polizeigewalt in der Schweiz geführt. Was sich aber hinter den Kulissen abspiele, sei weiterhin beunruhigend. Und Reformen seien schwer umzusetzen.

Maillard sprach mit swissinfo.ch über den Zustand der Schweizer Polizei, während auf der ganzen Welt Antirassismus-Demonstrationen stattfinden sowie Forderungen nach Polizeireformen laut werden.

Sie schrieben 2015, dass Racial Profiling und Diskriminierung ein Problem innerhalb der Schweizer Polizei seien. Ist das immer noch der Fall? Was unternehmen die Dienststellen, um dieses Problem anzugehen? Wird das Problem Ihrer Meinung nach ausreichend angegangen?

Das Ausmass von Polizeigewalt und Racial Profiling hat sich verändert; es gibt viel weniger Fälle. Das liegt daran, dass sich die Ausbildung in allen Bereichen stark verbessert hat. Obwohl in der Schweiz rund 300 Polizeitruppen auf verschiedenen Ebenen tätig sind, gibt es nur sechs Ausbildungszentren, die von einer einzigen Organisation betreut werden. Es gibt einen einheitlichen Ansatz für die Ausbildung. Artikel 261 des Schweizer Strafgesetzbuches, der Rassendiskriminierung verbietet, hat ebenfalls dazu beigetragen, die Zahl von Racial Profiling und Beleidigungen in der Öffentlichkeit zu verringern.

Aber es gibt immer noch ein Problem mit rassistischen und diskriminierenden Äusserungen, die einige Polizeibeamte in der Umkleidekabine, bei Besprechungen oder in ihren Streifenwagen und manchmal auch bei Verhaftungen machen. Ein Teil der Polizei ist in dieser Hinsicht sehr kaltschnäuzig. Natürlich werden sie solche Beleidigungen nicht in der Öffentlichkeit aussprechen, wenn Leute sie beobachten und filmen. Aber vor kurzem, nach dem Tod von George Floyd in den USA, hörte ich viele Berichte von Polizeibeamten, die mir sagten, dass es schrecklich ist, was in den Polizeirevieren passiert, wenn es um rassistische Beleidigungen geht. Es gibt immer noch Polizeibeamte, die sagen: «Ich darf niemanden schlagen, aber ich kann immer noch jemanden hinter verschlossenen Türen für seine Rasse beleidigen.» Das ist nicht wahr, denn Artikel 261 des Strafgesetzbuches verbietet es. Aber wenn sie unter sich sind, gibt es Polizeibeamte, die dieses Gesetz brechen.

Aus diesem Grund halte ich es für notwendig, die Dauer der Polizeiausbildung von derzeit zwei auf vier Jahre zu verdoppeln. Dies würde die Ausbildung eines Polizeibeamten auf das Niveau bringen, das von Gesundheits- oder Sozialarbeitern verlangt wird. Die zusätzliche Ausbildung würde mehr Selbstreflexion, Sozial- und Verhaltenstraining sowie Kenntnisse über unser politisches und juristisches System im Lehrplan ermöglichen. 
 

Frederic Maillard
Frédéric Maillard ist ein langjähriger Schweizer Polizeiforscher und -berater. Er berät Polizeidienststellen im ganzen Land und schreibt eine Online-Kolumne über Polizeiarbeit für die Zeitung Le Temps. Niels Ackermann / Lundi13

Dürfen Privatpersonen in der Schweiz Polizeieinsätze filmen?

Das Filmen von Polizeieinsätzen ist erlaubt. Wir diskutieren dieses Thema seit vier Jahren, und es gibt derzeit kein Bundesgesetz zu diesem Thema, obwohl in den nächsten ein bis zwei Jahren eines kommen könnte. Aber die Direktoren aller Schweizer Polizeikräfte sind sich einig, dass Filmaufnahmen erlaubt sind. Es gibt jedoch zwei Ausnahmen: Die Filmaufnahmen dürfen die Polizei bei ihrer Arbeit nicht behindern, und das Filmmaterial darf nicht verbreitet werden, insbesondere wenn die beteiligten Polizisten oder der Drehort identifizierbar sind. Aber im Allgemeinen haben Bürgerinnen und Bürger das Recht, die Polizei zu filmen und das Filmmaterial z.B. einem Richter zu zeigen.

Polizeibeamte können Personen zum Aufhören auffordern, mit dem Argument, dass das Filmen ihre Arbeit behindert. Das kann natürlich missbraucht werden. Es geht eben um Technik, und auch deshalb sind zwei Jahre Polizeiausbildung meiner Meinung nach nicht genug.

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Was ist nötig, um eingefahrene Einstellungen und Praktiken innerhalb der Schweizer Polizei in Bezug auf das Thema Rasse zu ändern? Beeinflussen internationale Vorfälle, wie jener in den USA, die Gespräche von Schweizer Polizisten über die Art und Weise, wie sie ihre Arbeit tun?

Es gibt immer mehr junge Polizistinnen und Polizisten, vor allem Frauen, die etwas verändern wollen und die Probleme innerhalb der Polizei thematisieren. Ich habe in letzter Zeit auch viele, viele Nachrichten von Polizeibeamten erhalten, die sich mit den Antirassismus-Demonstrierenden solidarisieren wollen, indem sie sich hinknien oder ein schwarzes Band tragen, während sie auf Patrouille sind, um Unterstützung zu zeigen.

Aber die Polizei selbst ist extrem konservativ und zurückhaltend gegenüber Veränderungen, ähnlich wie das Militär. Die Reaktion ist, dass hier alles in Ordnung ist, dass es keinen Reformbedarf gibt und dass es hier nicht die gleichen Probleme wie anderswo gibt.

Ich arbeite mit Psychologen und Soziologen zusammen, die ebenso wie ich das Gefühl haben, dass es leider eines ernsten Zwischenfalls oder Ereignisses bedarf, damit sich etwas ändert. Wir hatten ernste Vorfälle in der Schweiz. Zwei Menschen afrikanischer Herkunft starben bei Vorfällen, an denen die Lausanner Polizei beteiligt war. Aber die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen, so dass wir nicht definitiv sagen können, ob es sich um Polizeigewalt handelte.

Im Allgemeinen fühlen sich Polizeibeamte unantastbar und stellen selten sich selbst oder ihre Institution in Frage. Polizeikorps sind nicht gewinnorientiert und unterliegen nicht dem Wettbewerb des freien Marktes. Das gehört dazu, wenn man Teil des öffentlichen Dienstes ist, aber es ist nicht hilfreich, wenn ein Mentalitätswandel oder eine Änderung der Managementpolitik angestrebt wird. Die Polizei hat das Gesetz auf ihrer Seite sowie ausschliessliche und aussergewöhnliche operative Befugnisse, die kein anderer Staatsbeamter oder Bürger hat.

Deshalb halte ich es für unerlässlich, als Ausgleich ein unabhängiges und externes Überprüfungsorgan zur Überwachung der Polizeipraktiken einzurichten.

Gibt es noch kein solches Gremium?

Im Moment gibt es nichts dergleichen. Es gibt nur eine interne Kontrolle. Und selbst eine solches internes Aufsichtsorgan kennen nur drei von den 300 Polizeikorps, die es in der Schweiz gibt. Zum Beispiel hat die Genfer Polizei, die in einer der internationalsten Regionen unseres Landes tätig ist, ein Überprüfungsorgan. Aber das ist alles intern, und ich habe 3500 Genfer Polizisten unterrichtet und weiss, dass viele von ihnen gewalttätig waren oder Probleme hatten.

Es gibt sicherlich Polizeibeamte, die sehr innovativ und fortschrittlich sind und die etwas verändern wollen. Aber im Allgemeinen werden die Reformbemühungen blockiert.

(Übertragung aus dem Englischen: Sibilla Bondolfi)

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