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Das Bankgeheimnis in verschiedenen Härtegraden

13. März 2009: Finanzminister Merz kündet die Lockerung des Bankgeheimnises an. Keystone

Die Zeiten, als der Finanzminister das Bankgeheimnis als "nicht verhandelbar" klassifizierte, sind vorbei. Seither hat die Schweiz das Bankgeheimnis mit verschiedenen Staaten – je nach Druck und Interessenlage – unterschiedlich stark gelockert.

Doppelbesteuerungs-Abkommen (DBA) sind bilaterale Abkommen, die verhindern, dass Bürger und Unternehmen, die in einem andern Land Einkommen erzielen, doppelt besteuert werden. Grundsätzlich sollen die Abkommen eine Benachteiligung von Schweizer Firmen gegenüber der ausländischen Konkurrenz verhindern.

Seit drei Jahren spricht, wer DBA sagt, von Amtshilfe bei Steuerdelikten und damit vom Umgang mit ausländischen Steuersündern, die ihr Geld auf Schweizer Banken deponiert haben.

Am 13. März 2009 kündigte der damalige Schweizer Finanzminister Hans-Rudolf Merz an, die Schweiz wolle die DBA mit den wichtigsten Staaten neu aushandeln und dabei auf den Artikel 26 des Musterabkommens der OECD anwenden, also auch bei Steuerhinterziehung und nicht wie bisher nur bei Steuerbetrug Amtshilfe leisten.

Die Ankündigung war in dem Sinn eine Flucht nach vorn. Mit der Ausweitung der Amtshilfe wollte der Bundesrat verhindern, dass die Schweiz auf die schwarze OECD-Liste der Steueroasen kam.

Faktisch kam sie einer Aufweichung des bisher von Merz als «nicht verhandelbar» bezeichneten Bankgeheimnisses gleich. In der Zwischenzeit hat die Schweiz mit 35 Ländern neue DBA gemäss OECD 26 ausgehandelt.

Der Grossteil der insgesamt 80 DBA entspricht noch dem Standard aus der Zeit vor März 2009. Dazu kommt, dass die OECD in der Zwischenzeit die Regeln zur Auslegung der Amtshilfe verändert hat. Deshalb sah sich der Bundesrat im Februar 2011 veranlasst, einen Teil der neuen DBA noch einmal neu zu verhandeln und zu definieren.

Problemfall UBS in den USA

Gemäss diesem erweiterten OECD-Standard sind bei einem Amtshilfegesuch Name und Adresse des verdächtigen Bankkunden nicht mehr eine zwingende Voraussetzung dafür, dass die Schweiz Amtshilfe gewähren muss.

Die IBAN Nummer oder – wie Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf bei der Ankündigung der neuerlichen Aufweichung des Bankgeheimnisses sagt – «genügend andere Informationen, die eine hinreichende Identifikation zulassen», reicht.

Nicht einfacher macht die Lage bei den DBA, dass sich die meisten in nicht unwesentlichen Details voneinander unterscheiden. Hinzu kommt  vor allem die Tatsache, dass die USA – vor allem wegen den Verfehlungen, welche die Grossbank UBS mit ihrer Beihilfe zu Steuerdelikten in den USA begangenen hat, – das DBA konkret so anwenden, dass sie von der Schweiz die Herausgabe von Bankkundendaten auch nach dem Prinzip der Gruppenanfrage verlangten und weiterhin verlangen.

Dazu kommt auch, dass die Schweiz mit Staaten wie Deutschland, England, Frankreich und Italien DBA anstrebt, die eine so genannte Abgeltungssteuer vorsehen.

Das andere Rechtsverständnis der USA

Auch für Experten scheint die derzeitige Situation nicht einfach zu sein. «Zurzeit ist es effektiv schwierig, den Überblick zu behalten. Die Lage ändert sich dauernd. Wir befinden uns in einer Entwicklung», sagt Rolf Benz, Professor für Steuerrecht an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Winterthur.

Am kurzfristigsten sind die Veränderungen in den Beziehungen zu den USA. Die Forderungen der amerikanischen Steuerbehörden gehen über das gültige DBA hinaus. Das Bankgeheimnis soll weiter aufgeweicht werden, bevor das neu verhandelte DBA überhaupt in Kraft ist.

Das Schweizer Parlament hat die Beratungen über die Erweiterung auf Gruppenanfragen auf einen Termin nach den Wahlen verschoben. Vom Tisch sind die US-Forderungen damit nicht.

«Mit den USA wird eine rückwirkende Anwendung praktiziert. Offiziell begründet die amerikanische Seite dies damit, dass man das alte DBA strenger, also in einem Sinne auslegt, wie wir es nicht auslegen würden. Anschliessend passt die Schweiz das DBA so an, dass es auch so lautet, wie es von den USA ausgelegt wird.» Mit anderen Staaten sei das aber nicht der Fall», sagt Benz.

Unterschiedliche Interessen

Je nach Staat und je nach Resultat der Verhandlungen hat das schweizerische Bankgeheimnis mittlerweile also eine andere Bedeutung, einen unterschiedlichen Härtegrad.

«Die Interessenlage auf der anderen Seite ist je nach Staat unterschiedlich. Es wollen gar nicht alle dasselbe von uns», so Benz:

Umgekehrt habe auch die Schweiz unterschiedliche Prioritäten in den bilateralen Beziehungen. «Unser Interesse nachzugeben ist bei gewissen Staaten grösser als bei jenen Staaten, mit denen wir weniger Wirtschaftsaustausch haben.»

In Kraft

Dänemark
Finnland
Norwegen
Frankreich
Grossbritannien
Katar
Luxemburg
Mexiko
Österreich
Griechenland
Spanien
Kanada
USA (durch eidgenössische Räte genehmigt, aber noch nicht in Kraft)
 
Im Parlament hängig
Niederlande
Türkei
Japan
Polen
Indien
Deutschland
Kasachstan
Uruguay
Griechenland
Kanada
 
Unterzeichnet
Honkong
Südkorea
Slowakei
 
Paraphiert
Irland
Malta
Oman
Rumänien
Schweden
Singapur
Arabische Emirate

Vermögende Deutsche gehören zu den wichtigsten ausländischen Bankkunden in der Schweiz.

Gemäss einer Studie des auf Finanzanalysen spezialisierten Genfer Unternehmens Helvea liegen deutsche Vermögen in der Höhe von rund 280 Mrd. Franken auf Schweizer Konten – davon sollen 193 Milliarden unversteuert sein.

Mit ähnlichen Zahlen hatte auch der frühere deutsche Finanzminister Peer Steinbrück hantiert, der 2009 von insgesamt 200 Mrd. Euro (272 Mrd. Franken) an deutschen Vermögen in der Schweiz sprach.

 Aus der Sicht des Verbandes deutscher Kriminalbeamten handelt es sich bei den Geldern, die in den Genuss einer anonymen Amnestie kommen sollen, auch um Gelder, die aus Schwerstkriminalität wie Drogenhandel, Menschenhandel, Korruption und Betrug stammen.

Experten gehen davon aus, dass das Abkommen dem deutschen Fiskus rückwirkend zwei Milliarden Euro einbringen würde. Dazu kämen jährlich 26% Abgeltungsteuer auf Erträge.

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