Der Aussenblick: Wie die Auslandschweizer:innen an die Urne bringen, wenn sie weit davon entfernt sind?
Die Wahlen in der Schweiz sind sogenannte Mobilisierungswahlen. Aus Erfahrung weiss man, dass nur knapp die Hälfte der Wahlberechtigten teilnimmt. Die Parteien sind darum in erster Linie darum bemüht, ihre potenziellen Wähler:innen überhaupt an die Urne zu bringen. Nur: Wie wirbt man als Schweizer Partei um die Bürger:innen im Ausland?
Die Wahlunterlagen werden in diesen Tagen ins Ausland verschickt. Je nachdem, in welchem Kanton der Schweiz jemand angemeldet ist, ist das Couvert mehr oder weniger dick. Spitzenreiter ist der Kanton AargauExterner Link. Ganze 52 Listen stehen den Wählenden zur Verfügung, um die 15 Sitze im Nationalrat zu besetzen. Allerdings ist in diesem Jahr keine Liste dabei, die sich gezielt an Auslandschweizer:innen mit Stimmrecht im Aargau richtet.
In anderen Kantonen hingegen treten manche Parteien mit gesonderten Listen für Auslandschweizer:innen an. Denn alle grossen und in allen Landesteilen wählerstarken Parteien gewichten die Rolle der Auslandschweizer:innen durchaus stärker als früher – schliesslich nahm auch die Zahl der Auslandschweizer:innen über die Zeit zu.
Der bisherige Erfolg von internationalen Wahllisten ist eher bescheiden. Bisher wurde nie jemand von einer solchen Liste gewählt.
Tim Guldimann, der 2015 für die SP Zürich gewählt wurde und dann aber noch vor den nächsten Wahlen wieder aus dem Nationalrat zurücktrat, war der erste deklarierte Auslandschweizer, der die Wahl geschafft hat. Er wurde aber kaum wegen oder dank der Auslandschweizer:innen gewählt, sondern von den Wählenden der Zürcher SP – die, das darf vermutet werden – gar nicht alle merkten, dass sie ihre Stimme einem Auslandschweizer gaben.
Mittlerweile haben alle sechs Parteien, die im Bundeshaus eine Fraktion bilden, auch eine Sektion im Ausland. Die Wahlen in der Schweiz sind kantonal organisiert, somit sind auch die Parteien gezwungen, kantonal anzutreten.
Es ist für die Parteien aber schwer abzuschätzen, wie sehr die Stimmen der Auslandschweizer:innen in einzelnen Kantonen effektiv ins Gewicht fallen und ob es sich daher lohnt, überhaupt um Auslandschweizer:innen zu werben.
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Während sich die Parteien verstärkt den Schweizer:innen mit Migrationshintergrund zuwenden, sollte man gleichzeitig auch den Blick auf die Compatriotes richten, die das Land verlassen haben. Die Fünfte Schweiz zum Wählen zu animieren ist jedoch anspruchsvoll.
Mobilisierung ist auch im Inland anspruchsvoll
Die zentrale Aufgabe der Parteien im Wahlkampf besteht darin, ihre eigene Wählerbasis zu erreichen. Die Basis besteht aus denjenigen Personen, welche die Werte und Lösungsvorschläge der Partei teilen und unterstützen. Die im politischen System über längere Zeit etablierten Parteien haben alle ein bestimmtes Image und werden von den Wähler:innen denn auch mit ihnen zugeschrieben Themen und Kompetenzbereichen in Verbindung gebracht. Folglich tun die Parteien gut daran, während des Wahlkampfs vorwiegend über jene Themen zu sprechen, für welche sie von ihrer eigenen Wählerschaft wahrgenommen und geschätzt werden.
Ein neues Thema in die Diskussion zu bringen und damit neue Wählerschichten anzusprechen, gelingt so gut wie nie. Darum steht auch das Abwerben der Wählerschaft einer anderen Partei meistens nicht im Vordergrund, denn es gibt bei der allgemein tiefen Wahlteilnahme der Schweizer Wählenden sowieso für alle Parteien viel Luft nach oben.
Im Wahlkampf geht es den Parteien deshalb vor allem darum, ihre vorhandene Basis überhaupt von einer Wahlteilnahme zu überzeugen. Diese Frage stellt sich somit ganz allgemein, denn es geht darum, die Wähler:innen zu motivieren, die Unterlagen zu retournieren. Aber wie? Klar ist: Je besser man die eigene Basis kennt, desto einfacher gelingt dies.
Wie geht Mobilisierung in der Fünften Schweiz?
Zentral sind in dieser Beziehung die Datenbanken bei den jeweiligen Kantonalparteien. Wenn sich Auslandschweizer:innen je für die Arbeit einer Partei interessiert oder ihre Kontaktangaben hinterlassen haben, sind sie in den Datenbanken verzeichnet und können kontaktiert werden.
Nur eignen sich einige von Parteien erprobte Methoden zur Mobilisierung, zum Beispiel ein Telefonanruf, weniger gut, wenn Ozeane und mehrere Zeitzonen dazwischen liegen. Folglich setzen die Parteien gerade bei Auslandschweizer:innen gerne auf elektronische Formen der Kontaktaufnahme. Womit ein Dauerbrenner-Thema unter den Auslandschweizer:innen angesprochen wäre: die elektronische Stimmabgabe.
Für die anstehenden Wahlen hat der Bundesrat vor Kurzem den Kantonen Basel-Stadt, St. Gallen und Thurgau die Grundbewilligungen für einen Versuch mit der elektronischen Stimmabgabe bewilligtExterner Link. Doch in anderen Kantonen besteht zurzeit keine Möglichkeit des E-Votings, die zahlreich durchgeführten Pilotversuche führten bislang zu keiner definitiven Umsetzung in der ganzen Schweiz. Dies gereicht vor allem jenen Auslandschweizer:innen zum Nachteil, bei welchen das Abstimmungscouvert auf eine sehr lange Reise gehen muss oder die in einem Land leben, in dem Postdienstleister:innen nicht sehr zuverlässig sind.
Beides führt dazu, dass viele potenzielle Wähler:innenstimmen verloren gehen. Es gibt Schätzungen dahingehend, dass die Wahlteilnahme der Auslandschweizer:innen mit E-Voting um rund einen Drittel höher ausfieleExterner Link. Unter solchen Umständen wäre es dann wohl auch für die eine oder andere Partei attraktiver, das Kampagnenbudget zur Mobilisierung von Auslandschweizer:innen zu erhöhen.
Lebt man als Schweizerin oder Schweizer im Ausland, muss das Couvert also schnell wieder zur Post. Dadurch kann man sich für die Wahlentscheidung weniger lange Zeit lassen.
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Eine Last-Minute-Wahlteilnahme klappt auch nicht – es sei denn, man bringt das Couvert am Wahlwochenende eigenhändig in die Schweiz, was aber nur für Wenige im Bereich des Umsetzbaren sein dürfe.
In diesen Tagen ist jede Partei darum bemüht, die Wählenden im Ausland auf allen möglichen Kanälen zu erreichen und davon zu überzeugen, die Wahlunterlagen korrekt auszufüllen und die Unterlagen früh genug wieder zurück in die Schweiz zu schicken. Nicht selten liegt dabei das Schicksal des ausgeübten demokratischen Rechts vor allem bei Transport- und Logistikfirmen aller Herren Länder.
Editiert von Mark Livingston.
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