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Der Streit um den Kampfjetlärm geht weiter

Ein F/A 18 nach dem Start. Keystone

Darf das Departement für Verteidigung, Bevölkerung und Sport (VBS) den Militärflughafen Meiringen so intensiv nutzen, wie es ihn zur Zeit nutzt? Ein Anwalt hat im Auftrag mehrerer Interessenten ein Rechtsschutzbegehren wegen Fluglärm und Emissionen eingereicht.

«Es geht darum, die Rechte der Bevölkerung im Berner Oberland Ost zu schützen», erklärt der Anwalt der Kläger, Rudolf Schaller. Eingefordert werden diese Rechte von der Stiftung «Giessbach dem Schweizervolk», der Parkhotel Giessbach AG und weiteren Hoteliers der Region Brienz. Sowohl die Stiftung und als auch die Parkhotel AG sind mit dem schweizweit bekannten Umweltweltschützer und Hotelbetreiber Franz Weber verknüpft.

Franz Weber kämpft seit längerem gegen den Lärm der Kampfflugzeuge im Berner Oberland Ost. 2008 lehnten die Schweizer Stimmberechtigten die von ihm und der Fondation Franz Weber gestartete Initiative «Gegen Kampfjetlärm in Tourismusgebieten» mit 68,1 Prozent ab.

Dass sich die Anwohnenden trotz Ablehnung der Initiative am Fluglärm stören, ist dem VBS bekannt. Anfang April 2010 hatte Bundesrat Ueli Maurer an einem Infoabend erklärt, dass die Luftwaffe auf die 4000 bis 5000 Flugbewegungen angewiesen sei.

Ein vermittelndes Kontaktgremium, das aus Vertreterinnen und Vertretern der betroffenen Gemeinden besteht, hatte vorgeschlagen, die Flugbewegungen auf 2500 Starts oder Landungen mit F/A 18 jährlich zu beschränken, vier Monate pro Jahr nicht zu fliegen und die rund 200 Arbeitsplätze zu erhalten. Darauf jedoch könne das Militärdepartement nicht eintreten, sagte Bundesrat Maurer im April.

Die rechtliche Ebene

Da sich das VBS nicht kompromissbereit zeigte, gehen einige Betroffene einen Schritt weiter: «Nun wollen wir die Frage des Lärms und der Schadstoff-Emmissionen der Kampfflugzeuge auf der rechtlichen Ebene klären lassen», erklärt Anwalt Schaller.

«Seit dem Einsatz der F/A 18 sind die Flugbewegungen im Raum Meiringen und Umgebung für die Bevölkerung unerträglich geworden.»

Die F/A 18 produzierten 5 mal mehr Lärm und 5 mal mehr Abgase als die Tigerjets. Schon die Tiger seien gefährlich gewesen für die Gesundheit der Menschen. Seit 2006 starten und landen die F/A 18 in Meiringen.

«Es gibt Hörschäden, psychische und physische Störungen. Es geht auch um die Luftschadstoffe.» Der Militärflugplatz Unterbach Meiringen weise zudem zur Beseitigung der Luftschadtstoffe eine speziell ungünstige Topografie auf. Die Fläche des Tales sei sehr klein. Es sei so gelegen, dass es praktisch keinen Wind gebe, der die Schadstoffe auf natürliche Art wegtransportieren würde, so Schaller.

Dass die Flugbewegungen in den letzten Jahren zugenommen hätten, widerlegt das VBS mit seiner offiziellen Statistik, die der Chef Kommunikation Luftwaffe, Jürg Nussbaum, swissinfo.ch auf Anfrage zur Verfügung stellte. Für das Jahr 2009 wurden 3251 Bewegungen mit F/A 18 verzeichnet. 2008 waren es noch 3958. 2006 und 2007 waren es 2946 und 2964.

Auch die Gesamtbewegungen sind gemäss dieser Statistik zurückgegangen: 2009 waren es 5991 Bewegungen, 2008 6930, in den Jahren zuvor 6782 und 6742. Ein Flug zählt als zwei Bewegungen, Start und Landung.

Rechte der Armee

Das Rechtsschutzbegehren, das Schaller vor einer Woche beim VBS eingereicht hat, dient kurz gesagt dazu, dass von offizieller Seite festgestellt werden muss, ob die Armee ein Recht darauf hat, den Flugplatz Meiringen so zu nutzen, wie sie ihn zur Zeit nutzt, mit allen Lärm- und Abgasemissionen. Und wieviel Gewicht der Ausübung dieses Rechts gegenüber den Interessen der ansässigen Bevölkerung beigemessen wird.

Das Gesuch bezieht sich auf den Artikel 25 des Schweizerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG). Dort wird festgehalten, dass die zuständigen Behörden auf Gesuch hin oder von sich aus feststellen müssen, ob ein öffentlichrechtliches, also ein übergeordnetes Recht auf etwas bestehe und wie weit dieses Recht ausgeübt werden kann.

Eine derartige Verfügung kann verlangt werden, wenn der Gesuchssteller ein Interesse hat, das geschützt werden müsse und das berührt sei. Die physische und psychische Gesundheit der Bevölkerung von Brienz, Meiringen und Unterbach sei ohne Zweifel ein rechtliches Interesse im Sinne von Artikel 25a, sagt der Anwalt.

Die in erster Linie zuständige Behörde sei das Rechtsamt des VBS, sagt Schaller.

Falls die den Klägern tatsächlich ein schutzwürdiges Interesse zugestanden wird, können sie laut dem Artikel 25a VwVfG verlangen, dass die widerrechtlichen Handlungen eingestellt oder reduziert werden.

Nicht gegen die Armee an sich

«Es ist klar, die Armee muss irgendwo üben, damit sie ihren verfassungsmässigen Auftrag erfüllen kann. Das stellen wir gar nicht in Frage. Wir sagen aber, dass die Flugbewegungen so weit reduziert werden sollen, dass es für die Menschen dort erträglich ist», sagt Schaller. Es gehe nicht an, meint Schaller, dass sich die Armee arrogant verhalte und einfach mache, was sie wolle.

«Im Friedensfall kann die Armee Rücksicht nehmen, wo, wieviel und zu welcher Zeit sie übt. Sie könnte entscheiden, dass sie in der Zeit, wenn die meisten Touristen ins Berner Oberland kommen, nicht übt. Der Tourismus ist ein grosser Wirtschaftsfaktor.»

Man könne doch nicht einfach so tun, als gäbe es nur die Armee und keine Menschen im Berner Oberland.

Das VBS sei aufgrund seiner Eingabe nun verpflichtet, eine Verfügung erlassen. Sie müsse den Rechtsanspruch der Armee auch begründen.

Wenn die Kläger nicht mit der Verfügung einverstanden seien, könne er die Verfügung anfechten und vors Bundesverwaltungsgericht ziehen.

Käme es soweit, stünde die Armee auf der gleichen Stufe wie die «Stiftung Giessbach dem Schweizervolk» und die anderen Kläger. Schaller hofft auf die Unabhängigkeit des Bundesverwaltungsgerichts: «Für die Armee gelten die gleichen Regeln wie für alle anderen auch.»

Martin Bühler, Sprecher des VBS erklärte auf Anfrage von swissinfo.ch, dass das VBS zu dem eingereichten Rechtsschutzbegehren keine Stellung nehme.

Eveline Kobler, swissinfo.ch

Am 1. Dezember 1941 wurde der Militärflugplatz Meiringen eröffnet. In den letzten Jahren hat die Bedeutung dieses Standorts zugenommen. Seit 2006 ist dort eine F/A 18 -Staffel stationert. Die zwei weiteren F/A 18 Staffeln starten und landen ab Payerne im Kanton Waadt.

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