Die Energiesteuer wird an der Urne scheitern
Die Volksinitiative zur Einführung einer Energiesteuer anstelle der Mehrwertsteuer dürfte vom Volk klar bachab geschickt werden. Gemäss der ersten SRG-Trendumfrage wird bei der Abstimmung am 8.März nicht einmal ein Drittel für den Vorschlag der Grünliberalen stimmen. Mehr Anklang beim Volk findet die Familieninitiative der CVP.
Mit ihrer Volksinitiative «Energie- statt Mehrwertsteuer“Externer Link verfolgen die Grünliberalen (GLP) das Ziel, das Schweizer Steuersystem auf den Kopf zu stellen. Demnach würden in Zukunft fossile Energieträger (Öl, Gas, Kohle) hoch versteuert. Dafür würde die Mehrwertsteuer entfallen. Zwar haben einige europäische Länder Energiesteuern eingeführt, um die CO2-Emissionen zu drosseln, doch eine so radikale Lösung – wie von der GLP vorschlagen – hat es bisher nirgendwo gegeben.
Das Schweizer Stimmvolk ist offenbar nicht gewillt, einen solch radikalen Schritt zu machen. Einen guten Monat vor dem Urnengang erscheint das Unterfangen der Grünliberalen chancenlos. Gemäss einer ersten Umfrage der SRG-SSR (Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft), die zwischen dem 19. und 24. Januar vom Institut gfs.bern durchgeführt wurde, wollen nur 29 Prozent der befragten Personen mit Sicherheit oder wahrscheinlich für die Energieinitiative stimmen.
58 Prozent der Befragten lehnten die Initiative klar oder tendenziell ab. «Es ist zu erwarten, dass der Anteil bei der Ablehnung noch zunehmen wird. Für diese Initiative gibt es keine Chancen auf Erfolg“, sagte Claude Longchamp, Leiter der gfs.bern.
Unabwägbare Risiken
Gemäss der Meinungsumfrage geben die Unwägbarkeiten über die Folgen eines solchen radikalen Wandels des Steuersystems den Ausschlag. 68 Prozent der befragten Personen sind der Meinung, dass die Initiative in Bezug auf finanzielle und steuerliche Folgen «unkalkulierbare Risiken“ beinhaltet. Mit mehr als 22 Milliarden Franken stellt die Mehrwertsteuer heute die wichtigste Einnahmequelle der Eidgenossenschaft dar. Sie dient zum Teil auch dazu, die Sozialwerke zu finanzieren.
SRG SSR/SSR-Trendbefragung
Die Umfrage wurde vom Forschungsinstitut gfs.bern im Auftrag der SRG SSR, zu der auch swissinfo.ch gehört, durchgeführt.
Befragt wurden zwischen dem 19. und 24. Januar 2015 genau 1208 stimmberechtigte Personen mit Wohnsitz in der Schweiz.
Die Stichprobe ist sprachregional gewichtet und repräsentativ für die Schweizer Stimmberechtigten. Der statistische Fehler bei der gesamten Stichprobengrösse beträgt +/- 2,9%-Punkte.
Auslandschweizer werden bei dieser SRG-Umfrage nicht berücksichtigt. Die Schweizer Regierung hat entschieden, die Koordinaten von Schweizern im Ausland aus Datenschutzgründen nicht zu übermitteln.
Um einen Ausfall dieses Steuerertrags zu kompensieren, müsste der Staat die fossilen Brennstoffe mit enormen Steuern belasten. Gemäss Berechnungen der Bundesverwaltung müsste ein Liter Benzin dann zwischen vier und fünf Franken kosten. Dies würde wohl zu einer Verringerung des Verbrauchs führen, aber auch zu einer Erosion des Substrats, aus dem der Steuerertrag generiert wird. Um gleichbleibende Steuereinnahmen zu garantieren, müssten folglich die Energiesteuern ständig erhöht werden.
Diese Überlegungen hatten bereits dazu geführt, dass sich die überwältigende Mehrheit des Parlaments gegen die GLP-Volksinitiative aussprach. Der Vorschlag für eine neue Energiesteuer wurde einzig von der Grünen Partei und einigen Repräsentanten der Sozialdemokratischen Partei mitgetragen.
Lenkungsabgabe geplant
Auch die Schweizer Regierung hatte die Energieinitiative abgelehnt, obwohl einige Zielsetzungen durchaus geteilt werden. Eine Besteuerung fossiler Energieträger stellt ihrer Meinung nach ein geeignetes Instrument dar, um die Treibhausgase zu reduzieren. Im Rahmen der Energiestrategie 2050 will der Bundesrat dieses Ziel allerdings erreichen, ohne auf die Mehrwertsteuer zu verzichten. Gedacht ist an eine Lenkungsabgabe auf fossile Energieträger, die dann vollständig an die Unternehmen und die Bevölkerung rückverteilt werden soll.
Im Rahmen der SRG-Umfrage sind 53 Prozent der Befragten der Ansicht, dass eine Energieabgabe tatsächlich zu einer Energieersparnis führen würde. Doch nur 39 Prozent sind überzeugt, dass der Vorschlag der Grünliberalen die Abhängigkeit vom Ausland im Energiebereich verringern würde. Zurzeit importiert die Schweiz Erdöl und Gas im Umfang von 13 Milliarden Franken pro Jahr.
CVP-Familieninitiative im Rennen
Während bei der Energieinitiative die Würfel praktisch gefallen sind, ist der Ausgang der zweiten Vorlage, über die am 8.März abgestimmt wird, unsicher. Die von der CVP lancierte Volksinitiative «Familien stärken! Externer LinkSteuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen» fand bei 52 Prozent der Befragten Unterstützung. 33 Prozent lehnten sie ab, 15 Prozent hatten sich noch keine Meinung gebildet.
«Trotz dieses grossen Vorsprungs der Befürworter könnte der Ja-Stimmenanteil am Ende nicht reichen, da die Zustimmung zu Volksinitiativen zwischen der ersten Umfrage und dem Abstimmungstag erfahrungsgemäss um 8 Prozent zurück geht», sagt Martina Imfeld, Politikwissenschaftlerin beim gfs.bern.
Die Initiative wurde bis anhin von allen anderen politischen Parteien bekämpft. Doch vor einigen Tagen erhielt sie unerwarteten Sukkurs von der Schweizerischen Volkspartei (SVP). An ihrer Delegiertenversammlung in Locarno beschloss sie nach kontroverser Debatte die Ja-Parole und desavouierte so den Grossteil ihrer eigenen Vertreter im Parlament, welche die Initiative abgelehnt hatten.
Die SRG-Trendbefragung zeigt auf, dass die CVP-Volksinitiative nicht nur von den Anhängern der CVP (77%) und SVP (54%) mehrheitlich unterstützt wird, sondern auch von Sozialdemokraten (56 Prozent) und Grünen (59%). Unter dem Strich sind 70 Prozent der Befragten der Auffassung, dass nach Jahren von Steuererleichterungen für die Wirtschaft nun der Moment gekommen sei, um auch Familien mit einer konkreten Massnahme steuerlich zu entlasten.
Regierung warnt vor Steuerausfällen
Die Volksinitiative fordert, dass die Steuerbelastung für Familien reduziert wird, indem Kinder- und Ausbildungszulagen von der Steuer befreit werden. Es handelt sich um einen Minimalbetrag von 200 beziehungsweise 250 Franken pro Monat. Die CVP ist der Auffassung, dass die Familien von diesem Zustupf nur teilweise profitieren können, weil der Staat rund einen Fünftel dieser Zulagen wieder in Form von Steuern einkassiert.
Die Regierung empfiehlt die Volksinitiative zur Ablehnung. Ihre Annahme hätte für Bund, Kantone und Gemeinden Steuerausfälle in Höhe von 1 Milliarde Franken zur Folge, warnt der Bundesrat. Zudem würden insbesondere Familien mit hohen Einkommen von der Steuerbefreiung profitieren. Nach Ansicht der Regierung kommen Familien bereits heute in den Genuss diverser Steuererleichterungen. Durch weitere Abschläge würde zudem das Prinzip der Steuergerechtigkeit verletzt.
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)
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