Die politischen Parteien der Schweiz
Die politische Landschaft der Schweiz zeichnet sich durch ihre Stabilität aus. Vier Parteien dominieren die nationale Politik und sind seit Jahrzehnten in der Regierung, im Bundesrat, vertreten.
Mehr
Direkte Demokratie
Seit den 1970er-Jahren hat sich die Zusammensetzung des Schweizer Parlaments nicht wesentlich verändert. Die Mehrheit der Legislative blieb rechts, und die meisten Sitze gingen an die vier grossen traditionellen Parteien: SVP, SP, FDP und Die Mitte.
In den Jahren 1999 und 2003 konnte die SVP stark zulegen und wurde zur wählerstärksten Partei. Im Jahr 2019 verstärkte die Grüne Partei ihre Wählerschaft massiv und löste Die Mitte als viertstärkste Partei im Nationalrat (grosse Parlamentskammer) ab.
Mehr
Wofür stehen die Schweizer Parteien?
Schweizerische Volkspartei (SVP) – rechtskonservativ
Die SVP wurde 1971 aus dem Zusammenschluss der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB) sowie der Demokratischen Parteien der Kantone Glarus und Graubünden gegründet. Sie baute ihre Wählerschaft ab den 1990er-Jahren unter der Führung der Zürcher Kantonalsektion und ihres Präsidenten Christoph Blocher aus.
Die Partei positionierte sich damals gegen die Einwanderung, gegen den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum EWR und gegen jegliche Öffnung in der Aussenpolitik.
2003 war die SVP die Partei, welche die meisten Sitze im Nationalrat errang. Es gelang ihr, mit Christoph Blocher einen zweiten Bundesrat in die Landesregierung zu bringen.
Im Jahr 2007 beschloss das Parlament jedoch ausnahmsweise, Blocher nicht wiederzuwählen und ihn durch die Bündnerin Eveline Widmer-Schlumpf zu ersetzen, die ihre Nominierung annahm.
Die nationale Führung der SVP sprach daraufhin den Ausschluss der Bündner Sektion und der neuen Bundesrätin aus, was einige Parteimitglieder dazu veranlasste, sich abzuspalten und eine neue Gruppierung, die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP), zu gründen.
Die SVP blieb jedoch die am stärksten vertretene Partei im Nationalrat und gewann ihre beiden Sitze in der Regierung zurück. Trotz des Verlusts zahlreicher Wählerstimmen bei den Wahlen 2019 ist sie immer noch die stärkste politische Kraft des Landes.
Mehr
In der Schweiz gedeiht der Populismus – aber kontrolliert
Sozialdemokratische Partei (SP) – links
Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz wurde 1888 offiziell gegründet und blieb bis in die 1960er-Jahre stark mit den Arbeiterkämpfen verbunden. In den 1970er-Jahren wurde sie zwischen einem konsensorientierten rechten Flügel und neuen oppositionellen Tendenzen (Umweltschützer, Pazifistinnen, Feministinnen) zerrissen.
Dann nahm sie ihren Kampf gegen das Grosskapital mit Initiativen gegen die Reichsten und die Banken wieder auf.
In den 1990er-Jahren positionierte sich die Partei für eine Politik der europäischen Integration und wurde zur Partei mit den meisten Sitzen im Nationalrat.
Die SP gründete bereits Anfang des 20. Jahrhunderts Sektionen für sozialdemokratische Frauen. Sie setzte sich für das Frauenstimmrecht, den Mutterschaftsurlaub und die Lohngleichheit ein und führte gleichzeitig Quoten in den Parteiorganen und auf den Wahllisten ein.
Mehr
Frauen in der Schweizer Politik sind noch lange nicht am Ziel
Seit 2003 ist die SP die am zweitstärksten vertretene Partei im Nationalrat. In den letzten Jahren verlor sie tendenziell Wählerinnen und Wähler, die sich vor allem der Grünen Partei der Schweiz (GPS) zuwandten.
Freisinnig-Demokratische Partei (FDP.Die Liberalen) – rechtsliberal
Die FDP entstand 2009 aus einer Fusion der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) und der Liberalen Partei der Schweiz (LPS).
Der moderne Bundesstaat wurde 1848 auf Betreiben der freisinnigen Bewegung geschaffen, die seither ununterbrochen im Bundesrat und in den meisten Kantonsregierungen vertreten ist.
Bis zum Ersten Weltkrieg konnte die FDP aufgrund des Mehrheitswahlrechts ihre dominierende Stellung in den Exekutiven und Legislativen des Bundes und vieler Kantone beibehalten. Mit der Einführung des Proporzsystems 1919 verlor sie jedoch ihre Hegemonie.
Mehr
Wie die Schweiz ein gerechteres Wahlsystem schuf
In den 1990er-Jahren unterstützte die FDP den Beitritt des Landes zum EWR vor allem mit wirtschaftlichen Argumenten. Von Anfang an verteidigte sie die persönlichen Freiheiten und ein liberales Wirtschaftssystem, in das der Staat so wenig wie möglich eingreift.
Die 1913 gegründete Liberale Partei der Schweiz kann als der rechte Flügel der FDP beschrieben werden. Sie steht Wirtschaftskreisen näher und ist elitärer. Anfangs war die LPS nur in vier Kantonen vertreten (Genf, Neuenburg, Waadt und Basel-Stadt). Später gelang es ihr, sich im Wallis zu etablieren.
Seit 2003 ist die FDP die am drittstärksten vertretene Partei im Nationalrat. Ihre Wählerschaft nimmt ab, da diese besonders von neuen Gruppierungen wie der Mitte oder den Grünliberalen angezogen wird.
Grüne Partei der Schweiz (GPS) – links
Die GPS, die gemeinhin als «Die Grünen» bezeichnet wird, hat ihre Ursprünge in den 1970er-Jahren in der Westschweiz mit Umweltbewegungen, die sich gegen Autobahnprojekte und Atomkraftwerke wandten. Im Jahr 1979 gelang es den Grünen, mit dem Waadtländer Daniel Brélaz ihren ersten Vertreter in den Nationalrat wählen zu lassen.
Die nationale Partei wurde 1983 gegründet und verzeichnete 1987 nach den Katastrophen von Tschernobyl und Schweizerhalle einen deutlichen Stimmenzuwachs. 1992 lehnte die Partei den Beitritt zum Internationalen Währungsfonds, zur Weltbank und zum EWR ab. Die Frage der europäischen Integration führte zu internen Spaltungen, und die Grünen verloren einen Teil ihrer Wählerschaft.
Ab 1995 wandelte sich die GPS von einer Protestpartei zu einer reformistischen Linkspartei und versuchte, ökologische und sozialpolitische Anliegen miteinander zu verbinden. Sie änderte ihre Haltung gegenüber der europäischen Öffnung und unterstützte die Verhandlungen über einen EU-Beitritt.
Dank der wachsenden Sorge um das Klima und der Mobilisierung der Jugend für die Umwelt machten die Grünen bei den Wahlen 2019 einen spektakulären Sprung nach vorne. Sie gewannen 17 Sitze im Nationalrat und wurden zur viertstärksten Partei in der grossen Kammer, womit sie «Die Mitte» ablösten.
Mehr
So hat die Schweiz seit 1971 gewählt
Die Mitte – Mitte
Die Mitte ging 2020 aus dem Zusammenschluss der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) und der Bürgerlich-Demokratischen Partei (BDP) hervor.
Als der Bundesstaat 1848 gegründet wurde, hatten die katholisch-konservativen Kantone gerade die Schlacht des Sonderbunds gegen die Radikalen verloren, und ihre Führer mussten die politische Bühne verlassen. Die katholischen Bewegungen kehrten jedoch nach und nach in die eidgenössischen Gremien zurück und erhielten 1891 ihren ersten Sitz in der Regierung.
Im Jahr 1912 organisierten sich die Katholisch-Konservativen (KK) auf Bundesebene und gründeten die Schweizerische Konservative Volkspartei, aus der später die CVP hervorging. Nachdem die Radikalen bei den eidgenössischen Wahlen 1919 ihre parlamentarische Mehrheit verloren hatten, gestanden sie den KK einen zweiten Sitz in der Regierung zu.
Die CVP blieb stark in den katholischen Kantonen verwurzelt, wo lange Zeit eine Mehrheit der Bevölkerung für sie stimmte. Doch die grössere soziale Mobilität und die Konsumgesellschaft führten ab den 1980er-Jahren zu einer langsamen Erosion dieser Wählerschaft. Als drittstärkste politische Kraft im Nationalrat im Jahr 1995 wurde sie 1999 von der SVP überholt und 2019 von den Grünen auf den fünften Platz verwiesen.
Die CVP schliesst sich den zentralen Achsen der liberalen Wirtschaftspolitik an, hält aber gleichzeitig an konservativen Positionen in kulturellen und religiösen Fragen fest. Sie unterstützt die Einführung bestimmter sozialpolitischer Massnahmen und setzt sich für die Unterstützung von Familien ein.
Die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP) ihrerseits entstand 2008 aus einer Abspaltung innerhalb der SVP. Die Mitglieder der BDP wollten sich vornehmlich in der Aussenpolitik stärker öffnen.
Die Partei zog 2011 mit neun Sitzen in den Nationalrat ein, doch diese Zahl sank bis 2019 auf drei Sitze. Da sie keine Fraktion mehr bilden konnte, beschloss die BDP daraufhin, sich der CVP anzuschliessen.
Grünliberale Partei (GLP) – Mitte
Die Grünliberale Partei der Schweiz wurde 2007 gegründet. Sie ist eine Abspaltung der Grünen Partei der Schweiz und hat sich zum Ziel gesetzt, die ökologische Komponente mit den Zielen der Marktwirtschaft zu vereinen.
Die GLP stellte 2007 ihre ersten drei gewählten Abgeordneten in den Nationalrat. Wie die GPS profitierte sie 2019 von der Sorge der Bevölkerung um das Klima und errang 16 Sitze im Nationalrat.
Evangelische Volkspartei (EVP) – Mitte
Die EVP wurde 1919 gegründet. Im selben Jahr eroberte die Partei ihren ersten Sitz im Nationalrat, kam aber nie über die Zahl von drei gewählten Mitgliedern in der grossen Kammer hinaus.
Die Mitglieder der EVP sind traditionell mit den reformierten Landes- und Freikirchen verbunden. Sie sind überzeugt, dass sich der christliche Glaube in einem konkreten politischen Engagement ausdrücken muss und setzen sich für eine christliche und soziale Schweiz ein.
Die EVP stellt derzeit drei gewählte Abgeordnete im Nationalrat und hat sich der Fraktion der Mitte angeschlossen.
Partei der Arbeit (PdA) – links
Die Partei der Arbeit entstand im Oktober 1944 aus der Föderation mehrerer Kantonalparteien, die Kommunisten, den linksten Flügel der Sozialdemokratischen Partei und unabhängige linke Bewegungen vereinten.
Im Jahr 1947 gelang es ihr, sieben Sitze im Nationalrat zu erringen. Mit dem Beginn des Kalten Kriegs und der Entstehung einer starken antikommunistischen Stimmung in der Bevölkerung verlor die Partei jedoch an Bedeutung.
Nach dem Fall der Berliner Mauer distanzierte sich die PdA deutlicher von den sowjetischen Dogmen, behielt aber als politische Ziele die Zerschlagung des Kapitalismus und den Übergang zu einer sozialistischen Gesellschaft bei. Sie setzt sich für bessere Arbeitsbedingungen ein, aber auch für die Einführung und Stärkung von Sozialversicherungen.
Die PdA hat derzeit einen gewählten Vertreter im Nationalrat, aber die «extreme Linke» hat zusammen mit der Vertreterin der Bewegung Ensemble à gauche insgesamt zwei Sitze. Beide sind in die Fraktion der Grünen integriert.
Lega – rechtskonservativ
Die Lega («Lega dei Ticinesi», die Liga der Tessiner) wurde 1991 gegründet und ist nur im Kanton Tessin vertreten. Diese populistische, antieuropäische und souveränistische Gruppierung ist in den lokalen politischen Gremien sehr gut vertreten.
Die Lega teilt viele Ideen mit der SVP. Ihr einziger gewählter Nationalrat ist in die Fraktion der grössten Partei des Landes eingetreten.
Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU) – rechtskonservativ
Die EDU wurde 1975 gegründet. Ihre politischen Positionen stützen sich in der Regel auf biblische Grundsätze. Die Partei ist besonders konservativ und lehnt die meisten gesellschaftlichen Entwicklungen sowie eine stärkere Öffnung gegenüber dem Ausland ab.
Die EDU erhielt 1991 ihren ersten Sitz im Nationalrat. Derzeit hat sie einen Vertreter in der grossen Kammer, der sich der SVP-Fraktion angeschlossen hat.
Mehr Informationen über die politischen Parteien in der Schweiz:
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch