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Ein risikoreicher Übergang zur Souveränität

Ein amerikanischer Soldat umarmt seine zwei Söhne. Er ist zusammen mit andern Soldaten auf einer Militärbasis in Washington gelandet. Er gehörte einer der letzten Kampftruppen im Irak an. Keystone

Mit dem Abschluss der militärischen Operationen durch die amerikanischen Truppen hat der Irak seine staatliche Souveränität zurückerlangt. Der Genfer Politologe Hasni Abidi betont die Zerbrechlichkeit dieses Übergangs.

Sieben Jahre nach der amerikanischen Invasion, die den Sturz der Diktatur Saddam Husseins bewirkt hat, hat die US-Armee offiziell ihre Kampfhandlungen im Irak beendet. Der Übergang wurde am Dienstagabend von US-Präsident Barack Obama feierlich angekündigt.

Die Anzahl der Angehörigen der amerikanischen Armee im Irak ist unter die symbolische Schwelle von 50’000 Mann gesunken. Ab Mittwoch werden sie noch dazu da sein, die irakische Armee zu beraten und und ihr zu helfen. Gemäss dem Zeitplan von Barack Obama, den er nach seinem Amtsantritt aufgestellt hat, sollten auch sie Ende 2011 abgezogen werden.

Der Politologe und Spezialist für die arabische Welt, Hasni Abidi, ist der Leiter des Zentrums der Studien zur arabischen und Welt und den Mittelmeerländern (Cermam). Der Genfer Wissenschafter unterstreicht die Herausforderungen, die die irakische Republik erwarten, nun, da seine staatliche Souveränität wiederhergestellt ist.

swissinfo.ch: Was bedeutet die Ankündigung des US-Präsidenten Obama? Wird sie wirklich eine Veränderung im Land bewirken?

Hasni Abidi: Präsident Obama löst ein Versprechen ein, das er zu Beginn seiner Amtszeit abgegeben hat. Seine Administration ist auch zum Schluss gekommen, dass eine längere Präsenz im Irak die politische Ausgangslage nicht wirklich verändern würde. Das Land stellt keine Bedrohung mehr für die Sicherheit der USA dar. Afghanistan hat eine höhere Priorität erhalten.

Das bedeutet, dass die USA die wichtigen Militärstützpunkte behalten und 50’000 Soldaten vor Ort belassen wird, das ist fast ein Viertel des Bestandes der irakischen Armee. Sie sind da, um – offiziell- die irakische Armee zu unterstützen und zu beraten. Sie werden ohne Zweifel weiter an den Kämpfen teilnehmen.

swissinfo.ch: Haben die irakischen Parteien die Mittel und den Willen, sich zu finden oder ist das Risiko, dass das Land auseinanderbricht, immer noch gross?

H.A. Aus diesem Gesichtspunkt gesehen kann die Ankündigung des Präsidenten als Ausdruck von Hilflosigkeit aufgefasst werden, denn die irakische Regierung, die diesen Übergang verwalten sollte, hat nicht die Legitimität, dies zu tun. Fünf Monate nach den Wahlen gibt es immer noch keine neue Regierung und die Verhandlungen zwischen den einzelnen Parteien sind an einem toten Punkt angelangt. Der Rückzug der Amerikaner ist ein Sieg, weil der Irak seine Unabhängigkeit wiederlangt. Aber sie hat einen bitteren Beigeschmack.

swissinfo.ch: Wollen die irakischen Kräfte das Schicksal des Landes nicht selbst in die Hände nehmen?

H.A. Die einen sind der Meinung, dass die Iraker zusammen mit den Amerikanern nicht in der Lage waren, eine Regierung zu bilden. Nun ist die Bevölkerung aber mehr und mehr enttäuscht und beginnt, das Vertrauen und die Geduld in die Demokratie zu verlieren. Obwohl die Wahlen die Wahlen jedes Mal gut abgelaufen sind.

Die Hoffnung ist, dass das verminderte Engagement Washingtons die irakischen politischen Kräfte dazu bringt, sich zusammenzureissen und ihr Schicksal in ihre Hände zu nehmen. Aber es ist eine riskante Wette.

Denn nur die USA hatten die Kapazität, die wichtigsten politischen Kräfte im Irak zu beeinflussen, um ein Auseinanderbrechen zu verhindern. Die wichtigsten Kräfte sind die Gruppierungen der Kurden, der Schiiten und der Sunniten. Dass das Land auseinanderbricht, ist immer noch eine reale Gefahr.

Beispielsweise ist die Regierung der irakischen Kurden im Begriff, Übereinkommen mit ausländischen Firmen zur Nutzung der Gas und Ölreserven zu unterschreiben. Dies ist gegen den Willen der Zentralregierung in Bagdad.

swissinfo.ch: Welche Entwicklungschancen hat die irakische Wirtschaft?

H.A.: Die USA haben stark auf die Förderung des Unternehmertums im Irak gesetzt. Doch mit Blick auf die instabile Sicherheit und die unklaren Verhältnisse innerhalb der herrschenden Klasse, wir die Schaffung einer irakischen Realwirtschaft – neben dem Erdöl und Gassektor – noch Jahre dauern.

Dennoch hat sich der Lebensstandart von mindestens einem Teil der Iraker merklich verbessert. Doch der Staat ist praktisch der einzige Besorger von Arbeitsplätzen. Die Arbeitslosigkeit ist entsprechend hoch.

swissinfo.ch: Hat die Demokratisierung nach dem Sturz von Saddam Hussein die Bildung einer irakischen Zivilgesellschaft zugelassen?

H.A.: Es gibt den Versuch, Irak zu demokratisieren, das ist unbestritten. Das Land hat eine sehr pluralistische Verfassung mitsamt Minderheitenschutz und Frauenquoten. Das ist innerhalb der arabischen Welt einzigartig.

Es gibt in der Tat eine irakische Zivilgesellschaft, genauso wie es den Versuch gibt, eine unabhängige Justiz aufzubauen, die gegen die weit verbreitete Korruption im Land vorgehen könnte.

Die Wahlen 2005 und 2010 haben einen grossen Grad an politischer Reife an den Tag gebracht. Doch das Streben der Bevölkerung nach Demokratie steht in einem Missverhältnis zu den dogmatischen Prinzipien der wesentlichen politischen Kräfte, die zudem ihren Mentoren in Iran oder Saudi-Arabien sehr nach stehen.

Frédéric Burnand, Genf, swissinfo.ch
(Übertragen aus dem Französischen: Eveline Kobler)

Im Anschluss an die irakische Invasion in Kuwait ordnete der Bundesrat im August 1990 die sofortige Beteiligung an den von der UNO beschlossenen Wirtschaftssanktionen an. Diese Massnahme bedeutete einen wichtigen Schritt der Schweiz in Bezug auf die von der internationale Gemeinschaft gefassten Beschlüsse.

Auf der Grundlage der UNO-Resolution und des Programms Öl für Nahrung konnten die Exporte (pharmazeut. Produkte, Pflegebedarfsartikel, Lebensmittel) 1996 wieder aufgenommen werden. Wegen der rapiden Verschlechterung der Lage der Bevölkerung wurde die humanitäre Hilfe der Schweiz ab 1995 sehr wichtig.

2003 nahm eine von den Vereinigten Staaten angeführte Koalition den Irak ein. Wie die Mehrheit der UNO-Mitglieder unterstützte die Schweiz diese Intervention nicht, was zu Differenzen zwischen Bern und Washington führte. Der Bundesrat, der ein breiter abgestütztes Vorgehen als das der amerikanischen Regierung und ihrer Verbündeten bevorzugt hätte, betonte die Vorrangstellung des internationalen Rechts.

Das im November 2000 eröffnete Verbindungsbüro der Schweiz in Bagdad koordiniert auf bilateraler Grundlage und in internationale Zusammenarbeit die humanitären Aktivitäten und fördert die Wiederbelebung des Handels mit einem Land, dessen wirtschaftliches Potential – trotz der Zerstörungen durch internat. Konflikte und innere Kämpfe während über 20 Jahren – dank seiner Ölvorkommen immer noch sehr gross ist.

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