Eine Steuerrevolution für die Energiewende
Um den Verbrauch von nicht erneuerbaren Energieträgern zu drosseln, sollen die Preise für fossile Brennstoffe wie Kohle oder Erdöl durch Steuern stark erhöht werden: Dies fordern die Grünliberalen mit ihrer Volksinitiative "Energie- statt Mehrwertsteuer". Das Vorhaben wird praktisch von allen anderen politischen Parteien abgelehnt.
Klimawandel, Luftverschmutzung, Gesundheitsstörungen: Für viele Probleme werden fossile Energieträger – wie Erdöl, Gas, Kohle – verantwortlich gemacht. Es ist eine Hypothek für die kommenden Generationen. In der Schweiz wird seit 30 Jahren über eine Energiewende diskutiert, doch Tatsache ist, dass fossile Energieträger nach wie vor 66 Prozent des Energiebedarfs decken, während der Anteil erneuerbarer Energien – Sonne, Wind, Biogas – nur zwei Prozent beträgt.
Als Folge des Reaktorunfalls von Fukushima im Jahr 2011 erarbeitete der Bundesrat die Energiestrategie 2050Externer Link. Diese Strategie sieht einen schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie vor, aber auch eine Reduzierung des Verbrauchs fossiler Energieträger. Erneuerbare Energiequellen sollen gefördert und vorhandene Energieeffizienzpotenziale besser ausgeschöpft werden.
Die Energiestrategie 2050 geht gemäss der Grünliberalen Partei SchweizExterner Link (GLP) in die richtige Richtung, doch den Zeitplan hält sie für zu wenig ehrgeizig.
Die grüne Zentrumspartei hat daher die Volksinitiative «Energie- statt Mehrwertsteuer» ergriffen. Durch ein neues Steuersystem soll die Energiewende beschleunigt werden. Gemäss dem Initiativtext soll die Mehrwertsteuer innerhalb von fünf Jahren durch eine Energiesteuer ersetzt werden, welche auf die Produktion und den Import von Energie erhoben wird, die aus nicht erneuerbaren Energiewellen stammt. Diese neue Steuer dürfte laut Initianten zu einem starken Anstieg der Öl- und Benzinpreise führen. So soll ein Anreiz geschaffen werden, Energie zu sparen. Zudem würden erneuerbare Energiequellen so konkurrenzfähiger.
Die falsche Steuer
Gemäss der Initiative müsste Mehrwertsteuer spätestens 5Jahre nach deren Annahme abgeschafft werden. Umgekehrt würde eine Energiesteuer für den Import und die inländische Produktion von nicht erneuerbarer Energie geschaffen.
Anfänglich wird der Prozentsatz der Energiesteuer so festgelegt, dass der Ertrag der Energiesteuer dem durchschnittlichen Ertrag der Mehrwertsteuer in den letzten fünf Jahren vor ihrer Aufhebung entspricht. Danach wird der Steuersatz so festgelegt, dass der Steuerertrag einem festen Prozentsatz des Bruttoinlandproduktes entspricht.
Das Gesetz kann zur Vermeidung wesentlicher Wettbewerbsverzerrungen die Besteuerung der grauen Energie vorsehen. Zudem sind Ausnahmen von einer vollumfänglichen Besteuerung für Industriebetriebe mit sehr hohem Energiebedarf möglich.
Fünf Prozent des nicht zweckgebundenen Ertrags sollen gemäss Initiative für die Prämienverbilligung in der Krankenversicherung zugunsten unterer Einkommensschichten verwendet werden.
«Im Rahmen der neuen Energiestrategie wird über Tausende von Reglementen, Gebühren und Subventionen diskutiert. Mit unserer Initiative können wir hingegen alle Probleme auf einen Schlag lösen. Der Verwaltungsaufwand für eine Energiesteuer wäre zudem wesentlich geringer als derjenige für die Mehrwertsteuer. Diese administrative Kosten belasten nicht nur den Staat, sondern auch 300‘000 Unternehmungen“, sagt GLP-Präsident Martin Bäumle.
Gemäss Bäumle hat die neue Energiesteuer auch den Vorteil, die Abhängigkeit vom Ausland im Energiesektor zu verringern. Zurzeit gibt die Schweiz jährlich 13 Milliarden Franken für Erdöl- und Erdgasimporte aus. Diese Rohstoffe stammen grösstenteils aus politisch instabilen Ländern. Die Förderung von erneuerbaren Energien wird hingegen laut Bäumle dazu führen, die «grüne Industrie» zu fördern, das heisst Tausende von Arbeitsplätzen und einen Mehrwert in der Schweiz zu schaffen.
«Die Mehrwertsteuer ist eine falsch konzipierte Steuer. Sie trifft nämlich genau den Mehrwert, der von unseren Steuern geschaffen wird. So wird Innovation bestraft, das heisst einer der Pfeiler unseres Wirtschaftssystems. Es ist wesentlich sinnvoller, anstelle der Mehrwertsteuer eine Energiesteuer einzuführen, welche auf nicht- erneuerbare Energieträger erhoben wird, die aus fernen Ländern stammen“, so Bäumle.
Wirtschaftliche Turbulenzen
Der Bundesrat empfiehlt die Volksinitiative zur Ablehnung. Die Schweizer Regierung teilt zwar die Ansicht der Initiantinnen und Initianten, dass die Reduktionsziele für CO2- beziehungsweise Treibhausgasemissionen sowie für den Energieverbrauch längerfristig vorwiegend über preisliche Massnahmen erreicht werden sollen. Um einen Mehrwertsteuerausfall in Höhe von 23 Milliarden Franken zu kompensieren, müsste der Preis für Benzin aber beispielsweise auf mindestens 3 Franken pro Liter erhöht werden. Das wäre unverhältnismässig hoch, meint die Regierung.
Die Initiative hätte zudem laut Regierung negative Verteilungswirkungen zur Folge. Sie würde dazu führen, dass Haushalte mit niedrigerem Einkommen überproportional belastet werden. Sie dürfte zudem inländische Unternehmen gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten benachteiligen.
Die Initianten schlagen selbst Ausnahmeregelungen für bestimmte Industriezweige mit hohem Energiebedarf vor. Doch die Regierung ist überzeugt, dass eine Energiesteuer kurz- und mittelfristig zu «wirtschaftlichen Turbulenzen» führen würde.
Um ihre klima- und energiepolitischen Ziele zu erreichen, kennt die Schweiz bereits gewisse Energiesteuern.
So erhebt der Bund eine CO2-Abgabe auf die Produktion und den Import fossiler Brennstoffe. Ein Drittel der Einnahmen wird dazu verwendet, Energiesparprogramm zu finanzieren, die verbleibenden zwei Drittel werden an die Bevölkerung zurückerstattet.
Über eine analoge Energiesteuer für die Verwendung fossiler Treibstoffe wird seit Jahren diskutiert. Bisher scheiterte ein solches Projekt am Widerstand der bürgerlichen Mehrheit im Parlament.
Zudem gibt es eine Bundesabgabe zur Förderung der erneuerbaren Energien (kostendeckende Einspeisevergütung), die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe für Lastwagen (LSVA) und die Mineralölsteuer.
Zudem widersetzt sich die Regierung einer Abschaffung der Mehrwertsteuer, welche die wichtigste und zudem eine sehr verlässliche Einnahmequelle des Bundes darstellt (35 Prozent aller Einnahmen). Die Regierung schlägt umgekehrt vor, ab 2021 ein Lenkungssystem mit einer CO2-Abgabe einzuführen, die dann vollständig an die Unternehmen und die Bevölkerung rückverteilt werden soll. Dieses Projekt dürfte allerdings zu harten Auseinandersetzungen im Parlament führen.
Finanzierung wenig nachhaltig
Im Parlament konnte die Initiative «Energie- statt Mehrwertsteuer“ kaum ausserhalb der Grünliberalen punkten. Einzig bei den etwas linkeren Grünen fanden sich einige Sympathisanten. Die Grüne Partei stand bereits hinter einer ähnlichen Volksinitiative, die 2001 aber von 77 Prozent der Stimmenden bachab geschickt wurde.
Die anderen politischen Parteien sind der Ansicht, dass die Energiesteuer eine wenig praktikable Lösung darstellt. Sie halten es für gefährlich, die Finanzierungsquelle eines Staates von einer Energiequelle – den fossilen Energieträgern – abhängig zu machen, die man ja schrittweise reduzieren will.
Die bürgerliche Mitte und die Rechtsparteien sehen in der Energiesteuer zudem eine Bedrohung für die Zukunft des Werkplatzes Schweiz und eine Mobilitätshürde. «Die Schweiz verhält sich in Bezug auf die im Kyoto – Protokoll vorgesehenen CO2-Reduktionen bereits vorbildlich. Wir können nicht noch weiter gehen als die anderen Ländern, indem wir eine neue Energiesteuer einführen, welche unsere Wirtschaft schwächen würde, ohne einen grossen Effekt aufs Klima zu haben“, sagt SVP-Nationalrat Albert Rösti.
Die Linke verteidigt die Mehrwertsteuer aus sozialen Gründen. SP-Nationalrat Eric Nussbaumer: «Eine Preiserhöhung für fossile Energieträger wird nötig sein, um die Energiewende einzuleiten, doch die Lenkungsabgabe ist das richtige Instrument. Es wäre gefährlich, den Staat um eine solide Einnahmequelle wie die Mehrwertsteuer zu bringen. Denn die Mehrwertsteuer dient auch dazu, einen Teil der Sozialversicherungen zu finanzieren.“
Der Zeit voraus
«Wir sind der Ansicht, dass gehandelt werden muss, aber vielleicht sind wir 20 Jahre zu früh», hält Martin Bäumle fest. Der Präsident der Grünliberalen weist die Kritik zurück: «Eine Energiesteuer kann den Staat mit Sicherheit dauerhaft finanzieren. Und wenn der Konsum von Treibstoff und fossilen Energieträgern rückläufig sein sollte, wird einfach der Steuersatz erhöht. Und wenn in 100 Jahren die fossilen Energieträger tatsächlich aufgebraucht sein werden, wäre es kein Problem, auch andere Energieformen zu besteuern, welche die Umwelt belasten, wenn auch nicht so sehr wie die fossilen. Wir werden immer Energie brauchen.»
«Zudem wird unsere Initiative keine negativen Folgen für die Haushaltungen haben, da die Erhöhung der Preise für Treibstoffe durch den Wegfall der Mehrwertsteuer kompensiert wird. Nur wer auf besonders viel fossile Energie setzt, wird bestraft»,so Bäumle.
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)
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