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Wie kann die Schweiz ihre Lethargie bei der Windenergie überwinden?

In der Schweiz gibt es bislang nur 32 Windanlagen, die 0,2% des Energiebedarfs abdecken. Keystone

Verzögerungen bei der Energiewende, und vor allem Einsprachen, Einsprachen und noch einmal Einsprachen: Auch in diesem Jahr wird in der Schweiz keine Windenergie-Anlage realisiert, während sich in anderen europäischen Staaten diese erneuerbare Energie im Aufwind befindet. Hinderlich bei der Entwicklung sind vor allem die gegensätzlichen Ansichten über den Naturschutz.

Bläst der Wind in der Schweiz eigentlich nicht? Man könnte es beinahe meinen, wenn man die Entwicklung der Windenergie mit jener in anderen Ländern vergleicht.

In der Schweiz stammen lediglich 0,2% des Strombedarfs aus Windenergie, während in der EU bereits durchschnittlich 10,2% durch Windkraftanlagen abgedeckt werden. In Dänemark liegt der Anteil bei 30%, in Spanien und Portugal bei 20%.

Energiestrategie 2050

Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima erarbeitete die Schweizer Regierung die Energiestrategie 2050. Sie sieht vor, die fünf Kernkraftwerke schrittweise zu schliessen, eine deutliche Reduktion des Energieverbrauches und des CO2-Ausstosses zu erreichen, den Anteil an erneuerbarer Energie zu erhöhen und die Stromnetze zu erneuern.

Die neue Strategie soll in zwei Phasen realisiert werden. Im vergangenen Dezember hiess eine Mehrheit der Mitte- und Linksparteien des Nationalrats das erste Massnahmenpaket für die Zeitspanne bis 2021 gut. Es sieht vor, die Energieeffizienz zu steigern und die erneuerbaren Energien zu fördern.

Für die Zeit ab 2021 schlägt die Regierung vor, die neue Strategie mit einem Förderprogramm zu verwirklichen, das auf neuen Abgaben basiert, die den Preis für Treibstoff, Brennstoff und Strom überteuern sollen. Die Erträge aus diesen Energieabgaben, die den Konsum senken sollen, würden den Unternehmen und den Privathaushalten zurückerstattet, zum Beispiel in Form von Abzügen bei den Bundessteuern oder den Sozialversicherungen.

Einige Länder profitierten klar von besseren Konditionen bei der Nutzung von Windkraft, doch der Unterschied sei offenkundig, auch wenn man die Schweiz mit ihren Nachbarländer vergleiche, bemerkt Isabelle Chevalley, Präsidentin von Suisse Eole, der Vereinigung zur Förderung von Windenergie in der Schweiz.

«In der gesamten Schweiz wurden bis jetzt nur 32 Windenergie-Anlagen gebaut, während in Österreich bereits über 700 in Betrieb sind. Im deutschen Bundesland Rheinland-Pfalz, mit einer Oberfläche, die halb so gross ist wie die Schweiz, stehen bereits mehr als 1100 Anlagen.»

Wenn diese «Lethargie» in Sachen Windenergie andauere, so Isabelle Chevalley, «wird die Schweiz vielleicht sogar das von der Regierung gesetzte Ziel der neuen Energiestrategie – nämlich bis 2050 7% Windstrom zu produzieren – nicht erreichen». Ein Ziel, das von Suisse Eole als ungenügend erachtet wird. Nach Ansicht der Vereinigung sollten es bis zu diesem Zeitpunkt mindestens 10% sein. Auch dies ist noch wenig im Vergleich mit den EU-Ländern, die schon bis 2030 30% anstreben.

Wichtige Vorteile

Um dies zu erreichen, bräuchte es 120 Windparks mit je 5 bis 10 Windturbinen, die am besten auf den Bergketten der Alpen und des Juras gebaut werden sollten, dort, wo das Potenzial des Windes klar grösser ist. «Wir wollen keine unberührten Gegenden zerstören, sondern diese Anlagen dort bauen, wo sich bereits Anlagen oder Infrastrukturen befinden: zum Beispiel bei Stauseen, die Wasserkraft produzieren», erklärt Reto Rigassi.

Für den Geschäftsführer von Suisse Eole sind die Vorteile dieser Technologie offensichtlich. Mit einer einzigen Windturbine kann Strom für 1000 bis 2000 Haushalte produziert werden, gleich viel wie aus Tausend mittelgrossen Photovoltaik-Anlagen, die für ein Mehrfamilienhaus nötig sind. Der Wind eignet sich zudem optimal zur Kompensation, wenn es an anderen erneuerbaren Energiequellen mangelt: Zwei Drittel der Windenergie werden während des Winterhalbjahres produziert, dann wenn es weniger Wasser und Sonne hat. 

Alle erneuerbaren Energien zusammen liefern nur gerade 2% der einheimischen Stromproduktion. Verschiedene Faktoren haben bislang die Entwicklung verzögert. Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten hat die Schweiz erst vor ein paar Jahren Anreize zur Förderung von erneuerbaren Energien geschaffen. Die Bauprojekte müssen zudem komplexe gesetzliche Richtlinien auf nationaler, kantonaler und kommunaler Ebene erfüllen.

«Für ein einziges Projekt muss man den Behörden rund zwanzig verschiedene Studien über die Geologie des Geländes, die Zugänglichkeit des Gebiets, den Stromanschluss, den Boden- und Wasserschutz, den Lärm, die Auswirkung des Flugverkehrs, die Vögel und die Fledermäuse und ähnliches vorweisen», stellt Isabelle Chevalley fest.

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Dogmatische Position

Für die Verzögerungen beim Bau von Windparks sind vor allem das in der Schweiz verbreitete Rekurs-Recht und die zeitraubenden rechtlichen und bürokratischen Wege verantwortlich.

Nach Ansicht von Suisse Eole werden aktuell 11 Projekte durch Einsprachen von Bürgern (88% der Fälle) und von zwei Umweltorganisationen blockiert, nämlich von der Stiftung für Landschaftsschutz (72%) und von Helvetia Nostra (44%). Von der Projektphase und den Einsprachen – die oft erst vom Bundesgericht entschieden werden – bis zum Bau eines Windparks kann es 17 Jahre dauern, in Deutschland normalerweise fünf.

«Mit den Privatpersonen ist fast immer ein Dialog möglich, und wir können unsere Argumente einbringen. Mit den zwei Organisationen, die eine unnachgiebige und dogmatische Position einnehmen, ist dies jedoch ausgeschlossen. Das Ziel ihrer Einsprachen ist einzig die Verzögerung der Projekte, obwohl diese von den Kantonen, den Gemeinden und der lokalen Bevölkerung unterstützt werden. Bei Abstimmungen hat sich übrigens das Volk immer zu Gunsten von Windparks ausgesprochen», betont Chevalley und beklagt sich über den «Missbrauch des Rekurs-Rechts».

Die Stiftung für Landschaftsschutz weist die Vorwürfe zurück. «Die Angaben von Suisse Eole sind komplett erfunden», unterstreicht Raimund Rodewald, Geschäftsführer der Stiftung. «Wir bekämpfen aktuell 40% der Projekte. Einige stehen nicht im Einklang mit der Umwelt oder sind in Naturschutzgebieten geplant, andere bedrohen die Biodiversität, davon sind vor allem Vögel betroffen. In den letzten Jahren wurden zu viele qualitativ schlechte Projekte vorgestellt, die für die Natur und die lokale Bevölkerung zahlreiche Probleme verursacht und energietechnisch wenig gebracht haben.»

Unterschiedliche Sicht der Natur

Obwohl von den meisten Parteien und den Stromunternehmen unterstützt, befindet sich die Windenergie im Zentrum einer Auseinandersetzung unter Umweltschützern. Für die einen sollen die Windparks möglichst schnell realisiert werden, um den Konsum fossiler Brennstoffe zu reduzieren und die Natur zu schützen. Für die anderen muss die Natur vor einem Ausbau mit Windparks bewahrt werden.

«Wir sind nicht aus Prinzip gegen Windparks, auch wenn die Förderung dieser Energiequelle in einem Land wie der Schweiz mit ihren Bergen und Hügeln und grossen urbanen Zentren nicht Priorität haben sollte. Doch wir akzeptieren nicht, dass diese Anlagen wo auch immer gebaut werden, ohne dass die Richtlinien zum Natur- und Landschaftsschutz eingehalten werden», unterstreicht Raimund Rodewald.

Eine Sicht, die Reto Rigassi nicht teilt: «Heute wird die Bewirtschaftung unseres Kulturlandes nicht als Zerstörung der Umwelt empfunden. Vielmehr ist sie elementar für unser Überleben in Harmonie mit der Natur. Für mich hat eine Windkraftanlage den gleichen Wert. Sie ist ein Element, das die Energie produziert, damit wir mit der Natur in Harmonie leben können.»

Im Rahmen der Debatten über die vom Bundesrat vorgeschlagene Energiestrategie 2050 scheint das Parlament nun eine Reduzierung der Hindernisse für den Bau von Windparks anzustreben. Beide Parlamentskammern beschlossen, dass Wasserkraftwerke und Windanlagen künftig auch in Naturschutzzonen, unversehrten Biotopen nationaler Bedeutung, Reservaten für Wildtiere und Zugvögel gebaut werden dürfen. Der endgültige Entscheid wird allerdings erst in einigen Monaten fallen.

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