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Erste Initiative der Grünliberalen dürfte Schiffbruch erleiden

Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) scheint mit ihrer Familien-Initiative ziemlich allein dazustehen: Sympathisanten aller anderen Parteien lehnen das Begehren mehrheitlich ab. Keystone

Das Stimmvolk wird wohl beide Volksinitiativen ablehnen, die am 8. März an die Urne kommen. Die Forderung der Grünliberalen nach einer Energie- statt Mehrwertsteuer dürfte regelrecht weggefegt werden. Die Familien-Initiative der Christdemokraten könnte es rein rechnerisch noch schaffen. Doch die Würfel scheinen bereits gefallen, wie die zweite Umfrage des Instituts gfs.bern zeigt.

Beide Volksinitiativen zielen auf eine Änderung der Steuerpolitik ab. Im Fall der Volksinitiative «Energie- statt Mehrwertsteuer»Externer Link – der ersten je von der Grünliberalen Partei (GLP) eingereichten Initiative – kann man sogar von einer echten Revolution sprechen. Der Text schlägt klar und schnörkellos vor, die Mehrwertsteuer, also die Hauptquelle der Schweizer Bundeseinnahmen, abzuschaffen, um diese durch eine Steuer auf allen nicht erneuerbaren Energien zu ersetzen.

Das Mindeste, was man laut der zweiten Umfrage des Instituts gfs.bern im Auftrag der SRG SSR sagen kann: Das Stimmvolk scheint sich nicht für die Initiative zu erwärmen. Fast drei Viertel aller Befragten (73%) wären bestimmt oder eher dagegen. Für die Initianten hat sich die Situation gegenüber der ersten Befragung von letztem Monat wesentlich verschlechtert. Damals sagten «nur» 58% Nein.

Mainstream

Dieses schlechte Resultat ist laut der Umfrage darauf zurückzuführen, dass die Initiative kaum jemanden ausserhalb von Umweltschutz-Kreisen zu überzeugen vermag. Lediglich jene Befragten, die sich nahe der GLP oder bei ihren «Cousins» der Grünen Partei einreihen, sind mehrheitlich dafür.

Überall sonst ist die Ablehnung haushoch. Sogar unter Sympathisanten der Sozialdemokratischen Partei (SP), die normalerweise offene Ohren für ökologische Anliegen haben, sind 66% der Befragten dagegen.

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«Es gibt keine Polarisierung Rechts-Links», sagt Studienleiter Claude Longchamp. «Es herrscht ein klarer Mainstream gegen diese Initiative. Zudem gibt es nicht eine einzige Bevölkerungsgruppe, bei der die Zustimmungsrate im Vergleich zur ersten Umfrage zugenommen hätte. Das ist ein seltenes Phänomen.»

Es ist sogar möglich, dass es diese Initiative der Grünliberalen in die «Top 10» jener Volksinitiativen schaffen könnte, welche die höchsten Ablehnungsraten verzeichneten. Mit 78,6% Nein-Stimmen den Rekord hält bis heute die Initiative «für eine wirkliche Volkspension»Externer Link von 1972.

Vermutlich ein zweites «Nein»

Die Volksinitiative «Familien stärken!»Externer Link hingegen kommt auf ein weit besseres Zwischenresultat. Wäre Mitte Februar abgestimmt worden, hätte das Begehren der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) mit 40% Zustimmung rechnen können, während 50% es ablehnten.

SRG SSR-Trendbefragung

Die Umfrage wurde vom Forschungsinstitut gfs.bern im Auftrag der SRG SSR, zu der auch swissinfo.ch gehört, durchgeführt.

Befragt wurden zwischen dem 16. und 21. Februar 2015 genau 1416 stimmberechtigte Personen mit Wohnsitz in der Schweiz.

Die Stichprobe ist sprachregional gewichtet und repräsentativ für die Schweizer Stimmberechtigten. Der statistische Fehler bei der gesamten Stichprobengrösse beträgt +/- 2,7%-Punkte.

Auslandschweizer werden bei dieser SRG-Umfrage nicht berücksichtigt. Die Schweizer Regierung hat entschieden, die Koordinaten von Schweizerinnen und Schweizern im Ausland aus Datenschutzgründen nicht zu übermitteln.

Die CVP verlangt in ihrem Text, dass die Steuerbelastung für Familien reduziert wird, indem Kinder- und Ausbildungszulagen von der Steuer befreit werden sollen.

Die Vorlage scheint in einigen Bevölkerungsgruppen sogar eine Mehrheit zu finden, beispielsweise unter den französisch- und italienischsprachigen Befragten, oder bei jenen mit drei oder mehr Kindern. Sollten alle 10% der Unentschlossenen noch ins Ja-Lager eintreten, könnte die Initiative rein rechnerisch sogar noch angenommen werden.

Doch das ist reine Theorie. Tatsächlich «vergrössert sich das Lager der Gegner einer Initiative im Verlauf des Abstimmungskampfs tendenziell», sagt Martina Imfeld, Politologin bei gfs.bern. Und die Zahlen geben ihr Recht: Vor einem Monat erreichte die Familien-Initiative noch 52% Ja-Stimmen, also 12% mehr als in der jüngsten Umfrage.

Das Forschungsinstitut bleibt trotzdem vorsichtig und legt Wert auf die Feststellung, «dass es sich dabei um eine Momentaufnahme handelt und nicht um eine Prognose». Die CVP-Initiative sei deshalb noch nicht definitiv gescheitert, doch «ein Nein ist wahrscheinlicher» geworden.

Politischer Klimawandel

Das Stimmvolk dürfte deshalb am 8. März die Schweizer Steuerpolitik kaum umpflügen und wird die beiden Initiative wohl ablehnen. Für Claude Longchamp ist das aktuelle politische Klima teils für diese Situation verantwortlich.

«Zwei Ereignisse der letzten Zeit mahnen die Schweizerinnen und Schweizer zu Vorsicht. Erstmals seit längerer Zeit wurde ein Defizit für den Bundeshaushalt angekündigt. Zudem markierte die Aufgabe des Euro-Mindestkurses das Ende der optimistischen Stimmung, die bisher in der Schweiz herrschte.»

(Übertragen aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

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