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EZB verkündet Billionen-Spritze

Der europäische Notenbank-Präsident Mario Draghi muss erneut ein Euro-Stützpaket ankündigen. Keystone

Die Europäische Zentralbank (EZB) will im Kampf gegen eine erneute Krise im Euroraum hunderte Milliarden Euro in die Wirtschaft pumpen. Dazu beschloss sie am 22. Januar, monatlich Anleihen von Staaten und Unternehmen im Gesamtwert von 60 Milliarden Euro zu erwerben. Das Kaufvolumen dürfte damit bis zu 1080 Milliarden erreichen.

Das Kaufprogramm soll bis September 2016 laufen, wie Notenbank-Präsident Mario Draghi nach dem Beschluss des EZB-Rates am 22. Januar in Frankfurt sagte. Der Gesamtumfang könnte damit über eine Billion Euro erreichen.

Für eine solche Anti-Krisen-Massnahme – im Fachjargon quantitative Lockerung oder «QE» genannt – druckt die Notenbank frisches Zentralbankgeld und kauft damit Wertpapiere. Seit Monaten hatten Draghi und weitere führende Notenbanker die Märkte auf einen solchen Schritt vorbereitet.

Das frische Geld kommt im Idealfall über die Banken, denen die Zentralbank Anleihen abkauft, in Form von Krediten bei Unternehmen und Konsumenten an. So könnte es Konsum und Investitionen anschieben und so die schwache Konjunktur in Schwung bringen.

Funktioniert das wie erwartet, würde das auch die zuletzt extrem niedrige Inflation im Euroraum wieder in Richtung des EZB-Ziels von knapp unter 2 Prozent befördern. Damit würden Ängste vor einem gefährlichen Preisverfall auf breiter Front – also einer Deflation – vorerst beendet. Allerdings ist umstritten, dass Anleihenkäufe das gewünschte Ziel erreichen.

Mahnung Merkels am WEF

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel erinnerte angesichts der weitreichenden geldpolitischen Entscheidung der Europäischen Zentralbank die Politik an ihre Verantwortung für das Wachstum in der Welt. Die Entscheidung der EZB «darf nicht davon ablenken, dass die eigentlichen Wachstumsimpulse durch vernünftige Rahmenbedingungen durch die Politik gesetzt werden müssen und auch gesetzt werden können», sagte sie am WEF in Davos. Die EZB fälle ihre Entscheidungen in vollständiger Unabhängigkeit, betonte sie.

Die Euro-Staatsschuldenkrise ist nach Merkels Worten inzwischen zwar so einigermassen im Griff. «Überwunden ist sie nicht», sagte sie. Immer noch fehle es an ausreichendem Vertrauen. Merkel plädierte für eine «wachstumsorientierte solide Haushaltspolitik» und für Freihandels-Abkommen der Europäischen Union mit Japan, Kanada und den USA.

Franken leicht stärker

Analysten und Experten zeigten sich vom Umfang des Stützpakets überrascht. Die über 1 Billion Euro, die EZB-Chef Mario Draghi bis 2016 in die Wirtschaft pumpen will, sind mehr als David Kohl, Leiter Währungsresearch bei der Bank Julius Bär, erwartet hat. Besonders Draghis Hinweis, dass die Anleihenkäufe noch ausgedehnt werden könnten, falls die Konjunktur im Euroraum nicht in Fahrt kommt, wertete Kohl gegenüber der Nachrichtenagentur sda als starkes Signal.

Laut Stefan Bielmeier, Chefökonom der DZ Bank, dürften die realwirtschaftlichen Effekte für Wachstum und Inflation allerdings sehr überschaubar bleiben. Was der Euroraum wirklich brauche, seien nicht noch weitere Programme der EZB, sondern Reformen in Wirtschaft und Politik.

«Das ist eine angenehme Überraschung im Vergleich zu den Markterwartungen», sagte Angelo Ranaldo, Professor für Finanzen und systemische Risiken an der Universität St. Gallen. Der Experte rechnet mit einem Rückgang der Zinsen auf Obligationen von Staaten der Währungsunion. Er erwartet einen weiter geschwächten Euro gegenüber dem Franken – zumindest kurzfristig.

Die Schweizer Börse konnte nach der Veröffentlichung der Einzelheiten zum Anleihenkauf-Programm die Verluste nur vorübergehend abbauen. Der SMI notierte kurz nach der Veröffentlichung um ein Prozent tiefer mit 7925 Punkten. Etwas später lag der Leitindex um 1,6 Prozent im Minus bei 7881 Punkten.

Der Euro schwächte sich zum Franken vorübergehend bis auf 0,9871 Franken ab, erholte sich dann aber wieder auf 0,9930 Franken.

Die EZB plant ab März Wertpapierkäufe im Volumen von 60 Milliarden Euro pro Monat. Das Programm soll bis Ende September 2016 laufen. Im Markt war spekuliert worden, dass die EZB Staatsanleihen im Volumen rund 50 Milliarden Euro pro Monat kaufen könnte.

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