Fünfte Schweiz lehnte Burka-Verbot knapp ab
Hätten am Wochenende nur Schweizerinnen und Schweizer im Ausland abgestimmt, wären die "Anti-Burka"-Initiative und das Freihandelsabkommen mit Indonesien abgelehnt worden. Die grösste Diskrepanz beim Abstimmungsverhalten gab es allerdings bei der E-ID.
Während die Schweiz am Sonntag das Gesetz zur elektronischen Identität (E-ID) mit einer überwältigenden Mehrheit von über 64% der Stimmen und dem Nein aller Kantone wegfegte, war die Diaspora nachsichtiger. Auch sie lehnte das Projekt zwar ab, allerdings mit einer deutlich kleineren Mehrheit.
In den 12 Kantonen, die das Abstimmungsverhalten der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer offenlegen, haben fast 47% der Stimmberechtigten im Ausland ein «Ja» in den Umschlag gesteckt. In mehreren Kantonen wie Freiburg und Wallis sagte die Auslandgemeinschaft sogar ja zum Gesetz.
Das bessere Abschneiden liegt sicherlich daran, dass viele Schweizerinnen und Schweizer im Ausland von der Einführung einer digitalen Identität profitieren würden, insbesondere im Hinblick auf E-Voting.
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E-ID – ein Schritt Richtung E-Voting?
«Da die Schweiz in dieser Hinsicht hinterherhinkt, lebt ein Teil der Stimmberechtigten wahrscheinlich in Ländern, in denen es die elektronische Identität bereits gibt. Sie konnten bereits eigene Erfahrungen mit einem solchen Instrument machen», ergänzt Martina Mousson, Projektleiterin am Forschungsinstitut gfs.bern.
«Die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer haben vielleicht auch eine grössere Affinität zur Online-Welt, weil sie auf diese Weise mit ihrer Heimat in Kontakt bleiben», sagt die Politologin zu swissinfo.ch.
Ein knappes Nein zur «Burka-Initiative»
Was die Initiative zum Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum betrifft, so unterscheidet sich das Abstimmungsverhalten der Fünften Schweiz nur geringfügig von dem der übrigen Schweiz.
Die Verfassungsänderung aus dem Kreis der konservativen Rechten wurde am Sonntag knapp angenommen, während die Diaspora sie mit ebenso knapper Mehrheit (51,1%) ablehnte.
Überraschend ist vor allem die Entwicklung seit der letzten SRG-Trendumfrage von Ende Februar. Damals lagen die Befürworter im Ausland noch bei 58%.
Warum die Zustimmung, die seit Beginn des Jahres zu bröckeln begann, in der Diaspora weiter zurückging als bei den Schweizerinnen und Schweizern in der Heimat, sei schwierig zu erklären, so Mousson. Sie fügte an, dass das Abstimmungsverhalten der Schweizer Expats immer noch schwer zu erfassen sei.
Weniger Unterstützung für Freihandelsabkommen
Auch beim Wirtschaftsabkommen mit Indonesien zeigte sich ein Meinungsumschwung im Vergleich zur letzten SRG-Umfrage. Ende Februar stiess das Freihandelsabkommen in der Fünften Schweiz auf etwas mehr Zustimmung (54%) als beim Rest der Bevölkerung (52%).
Nun scheint es, dass ein grosser Teil der damals noch unentschlossenen Auslandschweizerinnen und -schweizer zu einem «Nein» tendierte. Letztlich lehnten die Stimmberechtigten im Ausland die Vorlage knapp ab.
Eine bescheidene Stimmbeteiligung
In den 12 Kantonen gingen aus dem Ausland von 136’300 registrierten Wählerinnen und Wählern knapp 35’700 Stimmzettel ein, was einer Wahlbeteiligung von 26,2% entspricht und damit unter dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre liegt (gut 29%).
Derweil stieg die gesamte Stimmbeteiligung auf über 50% (51,3%), was seit Anfang 2016 nur viermal der Fall war.
«Die Teilnahme an den Volksabstimmungen erfordert eine starke Motivation seitens der Auslandgemeinschaft», sagt Mousson weiter. Die Stimmberechtigten seien besonders dann zu mobilisieren, wenn die Themen ihr Leben beträfen, «und das gilt noch mehr für die Diaspora».
Auch wenn das Burka-Thema das Potenzial hatte, international zu mobilisieren, sei es vor allem – wie die beiden anderen Vorlagen – ein innenpolitisches Thema gewesen, analysiert die Politologin.
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