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Geringe Chancen für öffentliche Krankenkasse

Die öffentliche Krankenkassen scheint gegen die Übel des Gesundheitssystems nicht die richtige Therapie zu sein. Keystone

Der Vorschlag, die Grundversicherung einer öffentlichen Krankenkasse anzuvertrauen, findet bisher keine Mehrheit beim Stimmvolk. Weniger klar ist die Situation gemäss dem ersten SRG-Trendbarometer in Bezug auf die Volksinitiative "Schluss mit der MwSt-Diskriminierung des Gastgewerbes!". Abgestimmt wird über die beiden Vorlagen am 28. September.


Die  Volksinitiative «für eine öffentliche Krankenkasse» wurde von linken Parteien sowie von  Patienten-und Konsumentenverbänden lanciert. Doch beim Volk stösst der Vorschlag überwiegend auf Ablehnung. Gemäss dem ersten Trendbarometer der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG), das mittels einer Umfrage zwischen dem 11. und 16. August vom Institut gfs.bern  erstellt wurde,  wollen nur 40% für die Einheitskrankenkasse stimmen.

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Hingegen erklärten 51% der Befragten, die Initiative abzulehnen. Die Regierung und die Mitte-Rechts-Parteien bekämpfen die Initiative; natürlich auch die privaten Krankenkassen, die momentan die Grundversicherung anbieten. Nur 9% der Befragten sind noch unentschlossen.  

SRG-Trendbarometer

Die Umfrage wurde vom Forschungsinstitut gfs.bern im Auftrag der SRG durchgeführt. Befragt wurden zwischen dem 11. und 16. August 2014 genau 1207 stimmberechtigte Personen mit Wohnsitz in der Schweiz.

Die Stichprobe ist sprachregional gewichtet und repräsentativ für die Schweizer Stimmberechtigten. Der statistische Fehler bei der gesamten Stichprobengrösse beträgt +/- 2,9%-Punkte.

Auslandschweizer werden bei dieser SRG-Umfrage nicht berücksichtigt. Die Schweizer Regierung hat entschieden, die Koordinaten von Schweizern im Ausland aus Datenschutzgründen nicht zu übermitteln.

Etwas ausgeglichener sieht es bei der Volksinitiative «Schluss mit der Mehrwertsteuer-Diskriminierung des Gastgewerbes!» aus. Rund 41% der Befragten begrüssen die Initiative von Gastrosuisse, dem Dachverband des Gastgewerbes. 34% lehnen die Initiative ab. Ganze 25% sind noch unentschlossen.  

Prämienexplosion

Die Volksinitiative «Für eine öffentliche Krankenkasse» verlangt einen radikalen Systemwechsel bei der obligatorischen Grundversicherung der Krankenkassen. Die Krankenversicherung, die zurzeit von 61 privaten Versicherern angeboten wird, sollte einer einzigen öffentlich-rechtlichen Krankenkasse anvertraut werden.

Die Linke ist überzeugt, dass durch die öffentliche Krankenkasse die Prämienexplosion gebremst werden kann. Im letzten Jahrzehnt stiegen die Prämien jährlich um durchschnittlich 3,5%. Diese Teuerung lag weit über der Inflationsrate. Die Befürworter der Initiative sehen in einer Einheitskasse auch einen Schritt zu mehr Transparenz sowie die Möglichkeit, Verwaltungs- und Marketingkosten durch ein Ende der «Pseudo-Konkurrenz» der Krankenkassen zu reduzieren.  

Gemäss den Gegnern der Initiative würde eine Einheitskrankenkasse im Gegenteilt zu Mehrkosten führen und einen Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen bedeuten. Regierung und Mitte-Rechts-Parteien sind überzeugt, dass das geltende System mit konkurrierenden Krankenkassen dazu führt, dass die Krankenkassen gute Dienstleistungen anbieten und ihre Kosten minutiös kontrollieren.

Wenig Optimismus

Gemäss dem SRG-Trendbarometer gelang es bis anhin keiner Seite, mit den jeweiligen finanziellen Argumenten zu überzeugen.  Auch die angeblichen Vor- und Nachteile der Gesundheitsversorgung spielen keine entscheidende Rolle. Gemäss Claude Longchamp, dem Leiter des Instituts gfs.bern, sind andere Aspekte für die zu erwartende Niederlage der Initiative ausschlaggebend.

Vor allem gelingt es dieser Initiative nicht, parteiübergreifend zu überzeugen. Einzig von den  Anhängern der beiden linken Parteien, welche die Initiative lanciert haben (Grüne und Sozialdemokraten), wird die Initiative mehrheitlich unterstützt. Die Initiative ist somit typisch für Vorlagen, welche auf klassische Weise die Linke und das Mitte-Rechts-Lager  trennen. Normalerweise verliert die Linke solche Abstimmungen.

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Bei der Einheitskrankenkasse tun sich auch sprachregionale Gräben auf. In der französischen und italienischen Schweiz ist die Unterstützung für die Vorlage stärker. In diesen Landesteilen weht bei  Abstimmungen zu sozialen Themen eher ein linker Wind. Doch dies dürfte nicht reichen, um die Deutschschweiz zu überstimmen, wo eine deutliche Mehrheit von mehr als 70% Nein zur öffentlichen Krankenkasse sagt.

Die beiden Initiativen

Die Volksinitiative «Schluss mit der MwSt-Diskriminierung des Gastgewerbes!» des Branchenverbands Gastrosuisse wurde am 21. September 2011 eingereicht.

Der Initiativetext besagt wörtlich: «Gastgewerbliche Leistungen unterliegen dem gleichen Steuersatz wie die Lieferung von Nahrungsmitteln.» Zurzeit bezahlt das Gastgewerbe eine Mehrwertsteuer von 8%, während Take-Away-Betriebe und Detailhandel 2,5% bezahlen.

Die Volksinitiative «Für eine öffentliche Krankenkasse» wurde 2012 eingereicht. Lanciert wurde dieses Volksbegehren von der Sozialdemokratischen Partei, den Grünen sowie von Konsumenten- und Patientenschutzverbänden.

Die Initiative fordert die Einrichtung einer öffentlich-rechtlichen Krankenkasse, welche für die Grundversicherung zuständig sein soll. Die Prämien werden je nach Kanton festgelegt und in Abhängigkeit von den Kosten der Versicherung festgelegt.

«Man muss auch bedenken, dass alle sieben Vorlagen für eine Reform der Krankenversicherung oder des Gesundheitssystems in den letzten 20 Jahren vom Volk abgelehnt wurden», hält Claude Longchamp fest. «Trotz der gewaltigen Probleme in diesem Bereich gelingt es nicht, sich in Bezug auf eine Reform zu einigen.» Tatsächlich scheint das Schicksal der neuen Vorlage besiegelt. Selbst die Befürworter gehen davon aus und geben sich wenig optimistisch. Nur insgesamt 27% der Befragten glaubt, dass die Initiative am 28.September angenommen wird.

Gastwirte im Kampf gegen Take-Away

Hingegen kann die Volksinitiative «Schluss mit der Mehrwertsteuer-Diskriminierung des Gastgewerbes!» auf einen leichten Vorsprung der Befürworter zählen. Zumindest im Moment. Doch die Meinungsforscher der SRG-Umfrage gehen davon aus, dass der Unterschied von 7% zwischen Ja- und Nein-Lager am Ende nicht ausreichen wird. Erfahrungsgemäss verlieren Volksinitiativen in den Wochen vor dem Urnengang an Zustimmung.

Der hohe Anteil von 25% an Unentschlossenen  zeigt zudem, dass ein konsistenter Anteil der Bevölkerung sich nicht im Klaren ist über diese Volksinitiative. Gastrosuisse als Dachverband der Gastwirte kämpft gegen die ständig steigende Konkurrenz  der Take-Away-Betriebe, die von einem geringeren Mehrwertsteuersatz (2,5%) als die Gastwirte (8%) profitieren. Die Initiative verlangt, dass auf alle verkauften Lebensmittel der gleiche Mehrwertsteueransatz angewendet wird, egal ob Gastwirtschaft, Take-Away-Betrieb oder Detailhandel.

Diese Forderung wird von vielen geteilt: Ein Sandwich, das von einem Restaurant verkauft wird, sollte steuerlich nicht teurer kommen als im Falle eines Kiosk-Verkaufs. Gastrosuisse muss das Stimmvolk aber noch davon überzeugen, dass von einem einheitlichen Steuersatz nicht nur die Gastwirte, sondern auch die Kunden profitieren, falls die Mehrwertsteuer für die Betriebe reduziert wird.

Falls dies nicht gelingt, werden wohl die Argumente von Regierung und Gegnern der Vorlage oben auf schwingen: Sie beschwören ein Szenario, wonach im Falle einer Annahme der Initiative mögliche Mindereinnahmen an Steuern in Höhe von 700 Millionen Franken anstehen, die durch Steuererhöhungen in anderen Bereichen kompensiert werden müssen – zum Schaden der Allgemeinheit.

(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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