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Gespannte Beziehungen dürften sich kaum beruhigen

Schweizer Parlamentarier stimmen überein, dass die US-Wahlen keine grossen Auswirkungen auf die Beziehungen Schweiz-USA haben dürften. Keystone

Wie auch immer die amerikanischen Präsidentschaftswahlen ausgehen werden - Schweizer Politiker erwarten keine rasche Verbesserung der bilateralen Beziehungen. Diese sind durch anhaltende Banken- und Steuerstreitigkeiten belastet.

«Einige Leute argumentieren, dass der republikanische Kandidat Mitt Romney einen andern Standpunkt vertreten werde als Obama, aber ich glaube nicht, dass sich die Dinge ändern, weil die amerikanische Steuerbehörde (IRS) und das Justizdepartement eine klare Politik verfolgen», sagt Felix Gutzwiller, Vizepräsident der Aussenpolitischen Kommission der Kleinen Parlamentskammer und Ständerat der Freisinnigen Partei (FDP.Die Liberalen).

Die amerikanischen Behörden ermitteln derzeit gegen 11 Schweizer Banken wegen mutmasslicher Beihilfe zu Steuerhinterziehung. Die Schweizer Regierung versucht, durch Zahlung einer Busse und die Lieferung von Kundendaten zu bewirken, dass die Ermittlungen aufgehoben werden. Im Visier hat sie eine einvernehmliche Lösung, die es erlaubt, einen Schlussstrich unter die Affäre zu ziehen, um ihre rund 300 Banken vor einer gerichtlichen Verfolgung zu bewahren.

Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern wurden 2009 durch Angriffe der USA auf das Schweizer Bankgeheimnis überschattet, das amerikanischen Bürgern ermöglichte, unversteuerte Vermögen auf Schweizer Banken zu verstecken.

«Übles Justizwesen»

Gutzwillers Parteikollegin Christa Markwalder, Präsidentin des parlamentarischen Vereins Schweiz-USA, hat ein gewisses Verständnis für die amerikanische Position. «Die Welt hat sich in den letzten vier Jahren stark verändert, vor allem in den USA.»

Obamas Versprechen von Hoffnung, Frieden und Prosperität seien schnell durch riesige ökonomische Herausforderungen verblasst, sagt sie. «Die Staaten brauchen Geld, einige Bürger bezahlten ihre Steuern nicht korrekt, und einige Schweizer Banker und Banken begingen Fehler…In dieser schwierigen Situation haben unsere Beziehungen gelitten.»

Kategorischer äussert sich Luzi Stamm, Nationalrat der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und Mitglied der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats. «Die Beziehungen sind eindeutig schlecht geworden», sagt er. «Die USA haben ein übles Justizwesen, das dauernd gegen die Schweiz schiesst. Einen befreundeten Staat unter Druck zu setzen, um die eigene Position durchzusetzen, ist inakzeptabel.»

Carlo Sommaruga von der Sozialdemokratischen Partei (SP) befürchtet mögliche langfristige Schäden: «Im kollektiven Bewusstsein der Amerikaner nistet sich eine ablehnende Haltung gegenüber der Schweiz ein.»

Niedrige Priorität

Laut dem Schweizer Botschafter in den USA, Manuel Sager, ist es verständlich, dass die Suche nach einer Lösung in Banken- und Steuerfragen während eines Präsidentschafts-Wahljahrs keine Priorität hat.

Womöglich wurde die Schweiz während der Wahlkampagne noch in ein schieferes Licht gerückt durch Enthüllungen, dass Romney einst 3 Millionen Dollar auf einer Schweizer Bank angelegt hatte, und durch ein Kampagnen-Video namens «Romney-Girl», das die Schweiz als Steuerparadies porträtiert.

«Wir werden sehen, ob im Dezember oder anfangs 2013 eine Übereinkunft zustande kommt», sagte Sager am 21. Oktober gegenüber der Zeitung Sonntag. Die beiden Länder hätten unterschiedliche Erwartungen. «Wir wollen die Integrität unseres Rechtssystems schützen, während die USA so viel Geld wie möglich von ihren Steuersündern zurückhaben wollen.»

Felix Gutzwiller ist zuversichtlich, dass eine Lösung, die eine neue Ära in den Beziehungen ankünden werde,  nicht allzu fern liege. «Wir sind bei der letzten Etappe unserer Diskussionen angelangt. Und das Ende ist in Sicht. Ich habe Vertrauen in die Schweizer Diplomatie und Leute, wie den Schweizer Botschafter Michael Ambühl, der von beiden Seiten sehr geschätzt wird.», sagt er.

Boomendes Geschäft

Optimistisch gibt sich auch Martin Naville, CEO der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer,  trotz gewisser Unstimmigkeiten. «Die Geschäftsbeziehungen sind ausgezeichnet. Die Handelszahlen von 2012 zeigen ein Exportwachstum in die USA von 12 Prozent und eine Importzunahme aus den USA von 20 Prozent. 2011 war die Schweiz der zweitgrösste Direktinvestor in Amerika, und die USA sind der grösste Direktinvestor in der Schweiz, mit Firmen wie Google oder Kraft», sagt Naville.

«2008, zu Beginn der Wirtschaftskrise, war einiges in der Schwebe. Heute befinden wir uns in einer viel besseren Position. Es hängt zwar immer noch ein Damoklesschwert [die USA verlangen nach wie vor Daten möglicher Steuersünder für die Zeit vor dem 2009 von beiden Ländern unterzeichneten Abkommen], aber die möglichen Risiken sind mehr oder weniger unter Kontrolle.»

Die Schweiz habe gezeigt, dass sie «bereit ist für Kompromisse und Lösungen». «Hoffentlich ist diese Botschaft klar und deutlich – es ist eine Altlast, die beseitigt werden muss.»

«Konstruktiver Weg»

Ein Zeichen des Fortschritts war im Juni die Bereitschaft der Schweiz zur Zusammenarbeit  mit dem amerikanischen Schatzamt, eine leichte Version des amerikanischen Gesetzes für Steuerehrlichkeit von 2010 (US Foreign Account Tax Compliance Act [Fatca]) zu übernehmen.

Und im September genehmigte die Schweizer Regierung zwei Sicherheitsabkommen mit den USA in Bezug auf den Austausch von Fingerabdrücken, DNA und Terrorismus-relevanten Daten, die es umgekehrt Schweizer Bürgern erlauben, von Visa-freien Reisen in die USA bis zu 90 Tagen zu profitieren.

Abgesehen von den augenfälligen «asymmetrischen Beziehungen» zwischen den USA und der Schweiz gelte es, die historisch engen Beziehungen zu betrachten, sagt Christa Markwalder. «Wir müssen jetzt auf einen konstruktiven Weg zurückkommen und nach Lösungen suchen. Gegenseitige Beschuldigungen führen in dieser schwierigen Situationen zu keinen Resultaten».

Der amerikanische Präsident wird nicht durch eine landesweite Volkswahl bestimmt, sondern in getrennten Abstimmungen in den einzelnen Bundesstaaten über eine Gruppe von Wahlmännern, dem «electoral college».

Ein Bundesstaat erhält so viele Wahlmänner-Stimmen, wie er über Vertreter im Kongress verfügt. Im Repräsentantenhaus werden die Abgeordneten der Bevölkerungsgrösse entsprechend aufgeteilt. Jedem Staat steht mindestens 1 Abgeordneter zu. Zudem stellt jeder Bundesstaat genau zwei Senatoren.

Zu den insgesamt 100 Senatoren und 435 Abgeordneten kommen noch drei Vertreter des Regierungsbezirks um die die Hauptstadt Washington hinzu. Das ergibt total 538 Wahlmänner.

Für den Sieg benötigt ein Kandidat 50 Prozent plus 1, also 270 Wahlmänner-Stimmen.

Rund 1 Million Amerikanerinnen und Amerikaner haben Schweizer Wurzeln.

Die Schweizer Einwanderungswellen waren zwischen 1830 und 1860 sowie zwischen 1870 und 1890 am grössten.

Zwischen 1700 und 2009 emigrierten insgesamt 460’000 Schweizer Bürger in die USA

5000 Städte, Dörfer und andere Orte in den USA haben einen schweizerischen Namen.

Gegenwärtig leben 75’000 oder rund 10 Prozent der Ausland-Schweizer in den USA.

Im 19. Jahrhundert entstand eine Freundschaftsbeziehung zwischen den beiden «Schwester-Republiken» auf der Basis gemeinsamer Werte wie Demokratie und Menschenrechte.

1822 eröffnete die Schweiz ihre ersten Konsulat in den USA, nämlich in Washington und New York. 60 Jahre später eröffnete sie in Washington die erste Botschaft ausserhalb Europas.

(Übertragung aus dem Englischen: Peter Siegenthaler)

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