Für einen geplanten Brandanschlag auf das IBM-Nanotechnolgiezentrum in Rüschlikon wurden drei Aktivisten zu Gefängnisstrafen zwischen 3 Jahren und vier Monaten und drei Jahren und acht Monaten verurteilt.
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
4 Minuten
Gerhard Lob, Bellinzona, swissinfo.ch
Der Bundesstaatsanwalt zeigte sich mit dem Verdikt zufrieden. Aller Protest von Sympathisanten vor dem Gebäude des Bundesstrafgerichts in Bellinzona half nichts. Die drei Öko-Anarchisten Billy (26), Costa (34)und Silvia (29) wurden am Freitag Nachmittag zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass das Trio einvernehmlich im April 2010 strafbare Vorbereitungshandlungen zu einer Brandstiftung auf das IBM-Zentrum im zürcherischen Rüschlikon vorgenommen hatte sowie Sprengstoff verborgen und weitergeschafft hatte. Einzig in Bezug auf den unbefugten Verkehr mit Sprengmitteln erfolgte ein Freispruch, weil nicht bewiesen werden konnte, dass der Sprengstoff, den die Polizei in den Schuhen von Silvia R. fand, aus Italien illegal in die Schweiz eingeführt worden war.
Vorbestraft
Alle drei Beschuldigten waren polizeilich bekannt und teilweise vorbestraft. Diese Vorstrafen führten dazu, dass das Gericht im Falle der beiden Männer höhere Gefängnisstrafen verhängte. Der Italiener Costa R. erhielt 3 Jahre und 8 Monate und der in Italien lebende Tessiner Billy B. 3 Jahre und sechs Monate. Für Silvia S. waren es immer noch 3 Jahre und 4 Monate. In allen drei Fällen wird die Untersuchungshaft von 464 Tagen angerechnet.
Der Sachverhalt war unbestritten. Die drei Aktivisten waren am 15. April 2010 in Albis bei Zürich in eine Polizeikontrolle geraten. Im Fahrzeug entdeckten die Beamten Propangasflaschen, Benzinkanister, Funkgeräte, Bolzenschneider und Sprengstoff. Mit dabei waren 31 Bekennerschreiben, in denen sich die Gruppierung «ELF Switzerland Earth Liberation Front» zum Anschlag bekannte.
Aufgrund von Indizien
Gerichtspräsident Walter Wüthrich erklärte, einen Versuch der Brandstiftung habe es nicht gegeben, aber eindeutige Indizien für eine Vorbereitung. Die Bekennerbriefe zeigten eine «eindrückliche Intensität des deliktischen Willens». Nicht die Gesinnung der Beschuldigten werde bestraft, sondern einzig diese strafbaren Vorbereitungen.
Mit dem Strafmass ging das Gericht leicht über die Anträge von Bundesstaatsanwalt Hansjörg Stadler hinaus. Dieser zeigte sich davon nicht überrascht und begrüsste das Urteil auch als Erfolg für die Bundesanwaltschaft.
Die Verurteilten reagierten nicht auf das Urteil, winkten aber lächelnd ihren Sympathisanten zu, die im Gerichtssaal die Urteilseröffnung verfolgten. Während des Prozesses hatten sich die Drei mit keinem Wort zur Sache geäussert. Einzig in einer verlesenen Grundsatzerklärung hatten sie als «Schlusswort» ein politisches Statement gegen Bio-, Nanotechnologie und Atomkraft abgegeben. Unklar blieb, ob sie Gewaltanwendung in ihrem Kampf als legitim beurteilten.
Keine Erklärung für Materialien
Die drei Aktivisten werden einem radikalen «Öko-Anarchismus» zu gerechnet. Dies machten auch die Bekennerschreiben mit Verweis auf die Earth Liberation Front deutlich. Ihre Verteidiger hatten wegen prozeduraler Mängel durchwegs auf Freispruch plädiert, blitzen mit diesen Anträgen aber vollkommen ab. In der Tat konnten sie nicht erklären, warum ihre Mandaten mit dem gesamten Material für einen Brandanschlag unterwegs waren.
Mindestens zwei Verteidiger wollen vor Bundesgericht Beschwerde einlegen. Sie sprachen von einem skandalösen Urteil und Verfahren. Nicht einmal das Urteil sei auf Italienisch, d.h. in der Sprache der Beschuldigten, eröffnet worden, sondern auf Deutsch.
Meistgelesen Swiss Abroad
Mehr
Schweizer Stimmbevölkerung könnte Autobahnausbau ablehnen
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch
Mehr lesen
Mehr
Die Earth Liberation Front
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Ziel der Organisation ist es, «die Ausbeutung und Zerstörung unserer natürlichen Umwelt aufzuhalten». Entstanden ist sie in den 1970er-Jahren in den USA. Gesucht werden Wege zurück zu einer Gesellschaft, die keinen technologischen Fortschritt kennt. Enge Verbindungen bestehen auch zur «Animal Liberation Front» (ALF). Deren Credo: kein Fleisch essen, keine Tiere für Kleider verwenden und keine…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Es war das erste Mal, dass die Bundesversammlung (National- und Ständerat) den Bundesanwalt zu wählen hatte: Seit Jahresbeginn ist nicht mehr der Bundesrat, sondern das Parlament dafür zuständig. Beyeler erhielt lediglich 109 von 227 gültigen Stimmen. Damit erreichte er das absolute Mehr von 114 Stimmen nicht. Der Ausgang der Abstimmung ist in dem Sinn eine Überraschung, weil…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Das Bundesstrafgericht in Bellinzona stellt sich auf einen Ansturm von Medienschaffenden ein. Nicht ohne Grund: Der «Fall Holenweger» gehört zu den grossen Justizaffären, welche die Schweizer Öffentlichkeit seit Jahren beschäftigt, zumal die politischen Verästelungen des Falls 2006 zum Rücktritt von Bundesanwalt Valentin Roschacher führten und ein Jahr später die Abwahl von Christoph Blocher als Bundesrat…
Paketbombe explodiert in Schweizer Botschaft in Rom
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Die Bombe in der Schweizer Botschaft explodierte am Donnerstagmittag, als der 53-jährige Postverantwortliche das Paket öffnen wollte. Er wurde schwer an den Händen verletzt in die römische Poliklinik Umberto I. gebracht und notfallmässig operiert. Ein Chirurg der Klinik sagte gegenüber der italienischen Nachrichtenagentur Adnkronos, dass die linke Hand in einem «bedenklichen Zustand» sei. Rund drei…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Wales erhielt den Preis am Mittwoch in Rüschlikon (Kanton Zürich) für seine unentgeltliche Online-Enzyklopädie Wikipedia. Der Preis wird an Personen verliehen, die sich mit hervorragenden Leistungen für die Allgemeinheit verdient gemacht haben. Im Gespräch mit swissinfo.ch erklärte Wales im Vorfeld, es sei der bedeutendste Preis, den er je erhalten habe – und sich mit anderen…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Zwei grosse Explosionen erschütterten das Zentrum von Oslo. Dabei sind mehrere Regierungsgebäude beschädigt worden. Das Büro von Ministerpräsident Stoltenberg wurde verwüstet. EU-Rettungspaket beruhigt die Finanzmärkte Die Aktienkurse steigen, der Euro ist auf Erholungskurs – bei den internationalen Finanzmärkten sind die Massnahmen gegen die Schulden-Krise gut angekommen. Neuland für die Eurozone Ein Teil-Schuldenschnitt und weitreichende neue…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Die Unternehmensgewinne in der Schweizer Wirtschaft schmelzen wegen des starken Frankens. Der Halbjahresgewinn von Georg Fischer ist die Ausnahme, die – bei genauem Hinschauen – diese Regel bestätigt. Starker Franken – was dagegen tun? Negativ-Zinsen oder Wechselkurs-Untergrenzen als Instrumente gegen den starken Franken: die Vorschläge sorgen für Diskussionen. 1978/79 ergriff die Nationalbank in einer ähnlichen…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Castelgrande, Montebello und Sasso Corbaro: Die drei Burgen von Bellinzona sind 2000 ins Unesco-Weltkulturerbe aufgenommen worden. Diese mittelalterlichen Festungen haben seither viel zum touristischen Aufschwung der Hauptstadt des Tessins beigetragen. Sie gehören auch zu den bekanntesten Zeugen mittelalterlicher Festungsarchitektur in der Schweiz.
Ihr Abonnement konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Fast fertig... Wir müssen Ihre E-Mail-Adresse bestätigen. Um den Anmeldeprozess zu beenden, klicken Sie bitte den Link in der E-Mail an, die wir Ihnen geschickt haben.
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch