Begegnung mit dem neuen Mann der Schweiz in Washington
Ein Freihandelsabkommen verhandeln und die exzellenten Beziehungen zwischen beiden Ländern aufrechterhalten. Das sind die Prioritäten des neuen Schweizer Botschafters in den USA.
«Es ist ein faszinierender Moment, in Washington zu sein, mit all den Entwicklungen in der amerikanischen Politik und dem Einfluss, den diese auf den Rest der Welt haben», sagte Jacques Pitteloud gegenüber swissinfo.ch. «Ich denke, es ist wahrscheinlich einer der faszinierendsten Posten, die es gibt.»
Der 57-jährige Pitteloud tritt sein Amt am 2. September an und wird am 16. September bei einer Zeremonie mit Präsident Donald Trump offiziell akkreditiert. Er übernimmt die Nachfolge von Martin Dahinden, der in den Ruhestand tritt.
Auf die Frage, wie er über die Trump-Administration denke, sagt Pitteloud, dass es nicht seine Aufgabe sei, ein Urteil zu fällen. «Offen gesagt, haben wir es mit Ländern zu tun, nicht mit Regierungen. Unsere ausgezeichnete Freundschaft hat eine sehr lange Tradition. Und ich habe keine Veränderung mit der neuen Administration bemerkt», sagt er.
Was Trumps Tweets betrifft, sagt Pitteloud, dass er sicherlich dessen Twitter-Account überprüfen werde. «Ich bin mir ziemlich sicher, dass alle meine Kollegen in Washington und alle Botschafter die Twitter-Timeline von Präsident Trump ständig überprüfen, weil dies ein sehr direkter Weg ist, um zu verstehen, was der Präsident denkt und sagt.»
«Schweizer James Bond»
Von 2000 bis 2006 war Pitteloud Koordinator des Schweizer Geheimdiensts. Ein Journalist nannte ihn einst den «Schweizer James Bond». Er verlässt eine Stelle als Leiter der Direktion für Ressourcen des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Davor war er von 2010 bis 2015 Schweizer Botschafter in Kenia, verantwortlich auch für Ruanda und Somalia. Er hat eine ruandische Frau und eine Tochter.
Kurz nach seiner Ernennung zum Botschafter in Washington wurde ein Verfahren gegen Pitteloud wegen versuchter Nötigung nach einem Entscheid des Bundesstrafgerichts eingestellt. Zwei kenianische Geschäftsleute hatten den Schweizer Diplomaten beschuldigt, während seiner Amtszeit in Kenia seine Macht missbraucht und übermässig in einen Korruptionsfall eingegriffen zu haben.
Das Bundesstrafgericht vertrat aber die Auffassung, dass nichts Illegales stattgefunden habe, sondern dass die an die Unternehmer gesendeten Textnachrichten «äusserst beharrlich und nicht frei von Doppelverstrickungen» gewesen seien. Es ging um ein Abkommen zur Rückgabe illegal erworbener Vermögenswerte aus der Schweiz.
Pitteloud sagt gegenüber swissinfo.ch, dass die drei Jahre des Gerichtsverfahrens «sehr schmerzhaft» gewesen seien, obwohl «ich von meinem Departement sehr gut behandelt wurde. Dieses hatte genau gewusst, was ich getan hatte und dass ich es auf Anweisung getan hatte».
Freihandel und gute Dienste
Die Aushandlung eines Freihandelsabkommens mit den USA «wird für beide Länder im Hinblick auf die bilateralen Beziehungen sicherlich ganz oben auf der Tagesordnung stehen», sagt Pitteloud. «Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass beide Seiten wirklich daran interessiert sind, das bestmögliche Abkommen für die Schweiz und die USA zu erreichen. Jetzt wird es sehr technisch, es wird schwierig sein. Es ist ein langer Prozess, aber es wird faszinierend sein.»
Die USA sind nach dem benachbarten Deutschland der zweitwichtigste Handelspartner der Schweiz, aber es gibt kein Freihandelsabkommen zwischen Bern und Washington. Ein 2006 geplantes Abkommen scheiterte vor allem am Widerstand der Schweizer Bauern.
Im Bereich der Aussenbeziehungen hat die Schweiz ein Schutzmacht-MandatExterner Link, unter dem sie seit 1980 die Interessen der USA im Iran vertritt. Kürzlich hat die Schweiz ein Abkommen zur Vertretung der Interessen der USA in Venezuela unterzeichnet.
Auf die Frage, ob die Schweiz Washington helfen könne, die Beziehungen zu diesen beiden Ländern zu verbessern, sagt Pitteloud: «Die Schweiz kann weiterhin die Rolle eines ehrlichen Maklers spielen und versuchen, Botschaften weiterzugeben und vielleicht auch solche, die nicht auf dem wirklich offiziellen Weg vermittelt werden können.»
Könnten seine früheren Erfahrungen als Nachrichtenkoordinator dafür nützlich sein?
«Ich werde nicht als Vertreter einer Geheimdienst-Organisation da sein. Das gehört definitiv der Vergangenheit an», antwortet Pitteloud. «Erfahrung könnte allerdings helfen.»
(Übertragung aus dem Englischen: Peter Siegenthaler)
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