Kampfjets: Schweiz zahlt oft mehr als andere Länder
Die Eidgenossenschaft ist bei der Flugzeugbeschaffung für die Luftwaffe oft bereit, hohe Preise zu zahlen. So legte sie beispielsweise für ihre F/A-18-Kampfjets fast den gleichen Betrag wie Finnland auf den Tisch, erhielt dafür aber nur halb so viele Flugzeuge. Internationale Vergleiche haben jedoch einen Haken: Der genaue Inhalt der Gesamtpakete ist fast immer unbekannt.
Am 27. September entscheiden die Schweizer Stimmberechtigten über den Kauf von neuen KampfjetsExterner Link. Der Bund sieht dafür maximal sechs Milliarden Franken vor. Worum es genau geht, haben wir im folgenden Artikel ausgeführt:
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Schweizer Stimmvolk hat den Schlüssel zu neuer Kampfjet-Flotte
Ist die Schweizer Kampfflugzeug-Flotte «überdimensioniert»? Sind die Kosten für ihre Erneuerung ein «Luxus»? swissinfo.ch nahm Flottengrösse, Kampfflugzeug-Ersatzprojekte und deren Budgets in anderen Ländern unter die Lupe.
Laut dem Bericht World Air Forces 2020Externer Link verfügt die Schweiz über 46 aktive Kampfjets. Damit steht sie weltweit an 43. Stelle. Wenn man nur die 30 F/A-18 zählt (die F-5-Tiger dienen laut der Armee nur noch zur «Entlastung der F/A-18 von sekundären Aufgaben»), fällt sie auf Platz 51.
Wird allerdings die Grösse des Schweizer Luftraums in Betracht gezogen, gehört die Schweiz zu den Ländern mit den meisten Flugzeugen im Verhältnis zu ihrem Territorium. Die Schweiz überflügelt zum Beispiel Österreich, Schweden und Finnland – europäische Länder, die wie die Schweiz neutral und Partner in der Nato sind, ohne Mitglied zu sein.
Zu viel für die Gegner, nötig für Befürworter
Ist das viel? Die Interpretation der Zahlen hängt davon ab, welche Seite sie macht. «Die aktuelle Luftwaffe der Schweiz ist im internationalen Vergleich (…) völlig überdimensioniert», schreibt etwa die Sozialdemokratische Partei (SP) in einem PositionspapierExterner Link. Die linke Partei ist dafür, die F/A-18 noch länger im Einsatz zu behalten.
«Die Schweiz braucht zwischen acht und zwölf leichte Flugzeuge für die Luftpolizei, aber nicht mehr», sagt Lewin Lempert, politischer Sekretär der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA). Diese antimilitaristische Bewegung hatte das Referendum gegen den Kauf ergriffen.
Es sei «trügerisch» zu sagen, die Schweiz habe zu viele Flugzeuge, sagt hingegen Alexandre Vautravers, Koordinator des Masterstudiums in Sicherheit an der Universität Genf. Den Antimilitaristen «fehlt es an Informationen über strategische Realitäten», sagt der Militärspezialist gegenüber swissinfo.ch.
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Die direkte Demokratie fliegt in jedem Schweizer Kampfjet mit
Eines der von der Linken vorgebrachten Argumente ist, dass Staaten, die nicht über Kampfflugzeuge verfügen, die Sicherheit ihres Luftraums mit billigeren Überwachungsflugzeugen und Hubschraubern gewährleisten würden. Das ist etwa bei Irland und Nordmazedonien der Fall. Oder, dass sie die Sicherung ihres Luftraums von der Nato übernehmen lassen. Diese Dienste leisten sich beispielsweise die drei baltischen Staaten und Island.
Vautravers erwidert, dass diese Länder meist aus Gründen fehlender Mittel über keine Kampfjets verfügen würden. Und dass dieser Rückgriff auf eine Nato-Mission zur Gewährleistung der Luftsicherheit – «bei weitem nicht gratis» – eine Gegenleistung erfordere. Zum Beispiel müssten diese Länder «falls nötig überallhin Soldaten schicken».
Für den Kauf ihrer 34 F/A-18 zahlte die Schweiz «teuerungsbereinigt etwas mehr als 4,1 Milliarden Schweizer Franken», sagt Armasuisse-Sprecherin Jacqueline Stampfli. Armasuisse, das Bundesamt für Rüstung, schätzt die Betriebskosten auf das Doppelte der Anschaffungskosten. Daraus kann abgeleitet werden, dass die Flotte während ihrer 30-jährigen Lebensdauer mindestens 12 Milliarden gekostet haben wird.
In Finnland wurde 1992 der Kaufentscheid für 64 Kampfjets des Typs F/A-18 getroffen. Es ist das einzige von fünf europäischen Ländern, die swissinfo.ch kontaktierte, das Informationen zur Verfügung stellte. Laut Oberst Juha-Pekka Keränen, Direktor des Flottenersatz-Programms der finnischen Luftwaffe, betrugen die Kosten rund 3,1 Milliarden Euro.
Für rund eine Milliarde Euro seien zwei Upgrades vorgenommen worden. Hinzu kämen noch Betriebs- und Wartungskosten «von weniger als 200 Millionen Euro pro Jahr», fügt er an. Das bedeutet, dass Finnland fast den gleichen Preis wie die Schweiz bezahlte, dafür aber doppelt so viele Flugzeuge erhielt.
Mehrere preiswertere Einkaufsvorhaben im Ausland
Und auch künftig scheint die Schweiz nach wie vor bereit zu sein, mehr Ressourcen in die Erneuerung ihrer Kampfjet-Flotte zu investieren als andere Länder. Mit dem geplanten Kredit von sechs Milliarden Franken sollten voraussichtlich 30 bis 40 neue Flugzeuge gekauft werden können. Dies zu einem Stückpreis von 150 bis 200 Millionen Franken. Laut Stampfli von Armasuisse hängt die genaue Anzahl vom Modell ab, das schliesslich ausgewählt werde.
Mehrere europäische Länder kündigten an, F-35 zu kaufen – eines der Modelle, die möglicherweise die Schweizer Flotte ersetzen sollen. Dies aber zu einem tieferen Preis, als die Eidgenossenschaft kalkuliert hat.
Laut einem Artikel der Neuen Zürcher ZeitungExterner Link von Ende 2018 will Belgien 34 F-35 für etwa vier Milliarden Euro (4,3 Mrd. Fr., also zum Stückpreis von 126,5 Mio. Fr.) kaufen. «In diesem so genannten Systempreis enthalten sind nach Angaben der belgischen Regierung neben dem Flugzeug selbst auch das Pilotentraining, Logistikbauten wie Hangars sowie die Instandhaltung der Kampfjets bis ins Jahr 2030», so die NZZ.
Zu erwähnen wäre auch Dänemark, das laut Defense NewsExterner Link plant, 27 F-35 für 2,9 Mrd. Fr. zu kaufen (was 107 Mio. pro Jet entspricht). Polen hat Anfang des Jahres einen Vertrag unterzeichnet, um 32 F-35 zum Stückpreis von 144 Mio. Dollar (131 Mio. Fr.) zu kaufen, wie Der SpiegelExterner Link berichtet.
Und Griechenland will für drei Mrd. Dollar 24 F-35 kaufen (125 Mio. pro Jet). Laut Keep Talking GreeceExterner Link sind im Paketpreis auch die Infrastruktur, die Bewaffnung von 82 F-16 sowie der mögliche Kauf von Kriegsschiffen und Kriegsmaterial enthalten.
Finnland hat für den Ersatz seiner Flotte von 62 Flugzeugen ein grösseres Beschaffungsbudget als die Schweiz vorgesehen: Laut Oberst Keränen sind maximal zehn Mrd. Euro (etwas weniger als elf Mrd. Fr.) dafür vorgesehen.
Die grosse Unbekannte: der Inhalt der Pakete
Militärexperten warnen jedoch vor ihrer Meinung nach vereinfachenden Schlussfolgerungen. An einer Medienkonferenz diesen Frühling erklärte Christian Catrina, der Delegierte des Projekts Air 2030, es sei nicht angebracht, die Anschaffungskosten in der Schweiz mit jenen in anderen Ländern zu vergleichen.
Bei einem Kauf kann sich ein Land neben den Flugzeugen für ein ganzes Paket an Zusatzleistungen entscheiden: Bewaffnung, Logistik, spezifische Ausrüstung, Ausbildungs- und Bewertungssysteme, usw. In einigen Fällen machen diese einen erheblichen Teil des Endpreises aus. Doch der detaillierte Inhalt der Pakete bleibt meistens unbekannt. Denn diese Informationen sind ebenso vertraulich wie strategisch.
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Tiger F-5: Anatomie einer Flugzeugbeschaffung
Der Vergleich mit Finnland verdeutlicht dies: Laut der finnischen Luftwaffe umfassten die Anschaffungskosten der F/A-18 auch «Ersatzteile, Flugzeugwartungs- und Betriebshandbücher, Software-Unterstützung, Schulungs- und Trainingsausrüstung, Lieferungen und Projektmanagement».
«Finnland allerdings muss seine grossen periodischen Wartungen in den USA durchführen lassen, weil es nicht über lokale Kapazitäten verfügt», gibt Vautravers zu bedenken. Demgegenüber habe die Schweiz beschlossen, alle Lizenzen zu erwerben, damit der Technologiekonzern Ruag die Flugzeuge selber warten könne, sagt der Verteidigungsspezialist.
Laut Vautravers kann «es langfristig eine viel bessere Investition sein», wenn der Kauf von Lizenzen nicht der sichtbarste Teil eines Erwerbs sei. Denn «was man nicht in Lizenzen bezahlt, bezahlt man woanders». Auch das Kaufpaket für die nächste finnische Flotte werde mehr Dienstleistungen als das vorherige enthalten.
Ein weiterer Faktor, der die Preise von einem Land zum anderen unterschiedlich ausfallen lasse, sei die politische Dimension, so Vautravers: Ein Exportland könne etwa eine finanzielle Geste machen oder Sachleistungen gewähren, je nachdem, welche Bedeutung es seiner Beziehung mit dem Käuferland beimesse.
Es sind viele Streitpunkte, die am 27. September eine Rolle spielen könnten, wenn das Stimmvolk dem Kauf neuer Kampfflugzeuge für die Schweizer Luftwaffe zustimmen oder diesen ablehnen wird.
Die Schweiz kaufte 1997 24 F/A-18. Davon sind heute noch 30 Jets aktiv. Von den Tiger F-5E und F-5F sind von den 1978 gekauften 100 Einheiten heute lediglich noch 26 im Einsatz. Laut der Verteidigungsministerin Viola Amherd fliegen letztere «nur noch tagsüber und bei gutem Wetter».
Gemäss einer Zählung von World Air Forces 2020Externer Link setzen noch 18 Länder das eine oder andere dieser Modelle ein:
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Tiger F-5: Mit fast 200 Maschinen ist Südkorea das Land, in dem noch die meisten F-5E/F im Einsatz stehen. Sie wurden 1974 gekauft. Südkorea will sie aber bis 2026 durch ein Modell aus eigener ProduktionExterner Link ersetzen.
Taiwan will bis 2026 seine F-5, die es seit 1973 in Lizenz produzierte, durch das Modell AT-5 ersetzen, ebenfalls ein Kampfflugzeug aus eigener ProduktionExterner Link.
Und in Brasilien sollen laut spezialisierten Websites die 1975 gekauften 47 F-5EM und F-5FM in den nächsten Jahren schrittweise ausgemustert werden, zu Gunsten des Gripen E (F-39).
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F/A-18 Hornet: In Finnland wurden sie zwischen 1995 und 2000 in den Dienst gestellt. Das Land ist ebenfalls daran, seine Flotte innert zehn Jahren zu ersetzenExterner Link. Fünf Flugzeuge sind im Rennen: Eurofighter, Rafale, F/A-18 Super Hornet, F-35A (diese vier sind in der Schweiz in der Endauswahl) und Gripen E/F.
Als Gründe für die Stilllegung der F/A-18 nennt Helsinki unter anderem «die Inbetriebnahme hoch entwickelter Waffensysteme in den Nachbarregionen in den 2020er-Jahren», die «strukturelle Ermüdung» der Flugzeuge und die in den USA laufende Ausmusterung der F/A-18-Flotte.
(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)
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