Klares Ja zum neuen Tierseuchengesetz
Mit etwas mehr als 68% Ja-Stimmen wird das revidierte Tierseuchengesetz an den Urnen klar angenommen: Lediglich zwei Kantone, Appenzell Innerrhoden und Uri, haben die Vorlage abgelehnt. Die Stimmbeteiligung war mit 27,4% historisch tief.
Am deutlichsten ist die Zustimmung zum neuen Tierseuchengesetz (TSG) in den Westschweizer Kantonen: In der Waadt sagten rund 89%, in Genf 87% der Stimmberechtigten Ja. In Neuenburg waren es 74%. Über 70% lag der Ja-Stimmen-Anteil auch in den Kantonen Jura und Wallis.
Ein Nein resultierte lediglich in den Kantonen Appenzell Innerrhoden und Uri, wo 55% und 58% der Stimmberechtigten das Tierseuchengesetz ablehnten.
Eher skeptisch zeigten sich die Stimmenden auch in den Innerschweizer Kantonen Schwyz, Nidwalden und Obwalden sowie in Appenzell Ausserrhoden: Der Ja-Stimmen-Anteil in diesen Kantonen lag unter 55%.
Die Stimmbeteiligung in den bisher ausgezählten Kanton war tief. Im Durchschnitt lag sie bei knapp 28 Prozent. Im Kanton Glarus gingen nur gerade 15,5% der Stimmberechtigten zur Urne, im Jura 16,3%.
Es war zu erwarten gewesen, dass diese einzige Vorlage des Wochenendes nicht viele Stimmberechtigte an die Urnen locken würde. Mit 27,44% wurde denn auch die drittniedrigste Stimmbeteiligung aller Zeiten bei einer eidgenössischen Vorlage verzeichnet.
Die tiefste Stimmbeteiligung war am 4 Juni 1972 bei der Abstimmung über den Bundesbeschluss über den Schutz der Währung mit 26,71% gemessen worden.
Bundesrat erfreut
«Ich freue mich über den deutlichen Entscheid», sagte Johann Schneider-Ammann, Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD). «Das heutige Resultat ist ein Zeichen des Vertrauens in die Behörden. Mit dem Ja haben sich die Schweizer Stimmberechtigten für ein Gesetz ausgesprochen, das den Bedürfnissen der heutigen Zeit entspricht.»
Schneider-Ammann sprach auch die Ängste der Gegner vor obligatorischen Impfkampagnen an: «Ich kann ihnen versichern, dass mit dem revidierten Gesetz die genau gleichen Regeln wie heute gelten.»
Zudem werde «mit dem neuen Gesetz nicht eine Machtkonzentration beim Bund geschaffen. An den Zuständigkeiten der Kantone bei der Tierseuchenbekämpfung wird sich nichts ändern».
Erleichterung beim Bauernverband
Auch der Schweizerische Bauernverband ist froh über das deutliche Ja zum Tierseuchengesetz. Die Schweizer Bevölkerung habe sich nicht von den Argumenten der Gegner beirren lassen, sagte SBV-Direktor Jacques Bourgeois am Sonntag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda.
Bourgeois zeigte sich «angenehm überrascht» vom vorläufigen Resultat. Der Freiburger FDP-Nationalrat hatte befürchtet, dass sich eine geringe Stimmbeteiligung negativ auf den Ausgang der Abstimmung auswirken könnte. Nun zeige sich aber, dass nicht nur Gegnerinnen und Gegner an die Urnen gegangen seien.
In einer Mitteilung hielt der Bauernverband (SBV) fest, dass die Bevölkerung die Argumente der Landwirtschaft verstanden habe. Mit dem neuen Tierseuchengesetz sei eine Grundlage gelegt worden, die den heutigen Herausforderungen gerecht werde. Gesunde Tiere seien wichtig für eine wirtschaftliche Tierhaltung und das Tierwohl.
Enttäuschtes Komitee
Das Referendumskomitee zeigte sich enttäuscht über das deutliche Ja zum Tierseuchengesetz. Der federführende Heilpraktiker Daniel Trappitsch warf dem Bund vor, Panik verbreitet zu haben.
«Die Angstmacherei hat gewirkt», sagte Trappitsch am Sonntag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Neben dem Bundesamt für Veterinärwesen habe auch der Schweizerische Bauernverband der Bevölkerung Angst vor neuen Tierseuchen gemacht. Das habe zum Teil nichts mit den Fakten zu tun gehabt.
Mit dem Ja zum Tierseuchengesetz werde nun auch in Zukunft nicht auf die individuellen Bedürfnisse der Bauern eingegangen. Die Schweiz werde weiterhin ein «wirtschaftsgerechtes Tierseuchengesetz» haben. Auch Zwangsmassnahmen wie obligatorische Impfungen blieben leider nach wie vor möglich.
Trotz der Niederlage wollen der der Bündner Heilpraktiker und seine Mitstreiter weiterhin für ihre Anliegen eintreten. So werden sie beispielsweise vor neuen Zwangsimpfungen bessere Studien verlangen, wie Trappitsch sagte. Bei der verordneten Impfung gegen die Blauzungenkrankheit im Jahr 2008 seien die verwendeten Impfstoffe nämlich ungenügend untersucht gewesen.
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Referendum
Überraschendes Referendum
Es war ganz sicher das erstaunlichste Referendum des angebrochenen Jahrtausends gewesen. Denn die Änderung des Tierseuchengesetzes war im Parlament mit einer einzigen Gegenstimme durchgewinkt worden.
Doch eine Handvoll Bürgerinnen und Bürger – besonders Bauern und Heilpraktiker aus der Ost- und Zentralschweiz – hatte ohne irgendwelche Unterstützung von grossen Parteien oder Organisationen das Referendum gegen die Gesetzesänderung lanciert. Es war ihnen gelungen, die nötigen Unterschriften zu sammeln und die Vorlage an die Urnen zu bringen.
Die Anpassung des fast ein halbes Jahrhundert alten Gesetzes war von Vertretern des Agrarsektors gefordert worden. Sie sorgten sich um die gestiegenen Risiken der Ausbreitung von ansteckenden Krankheiten, gefördert durch intensivierten Handel und weltweite Tiertransporte, wie auch durch den Klimawandel.
Ziel der Gesetzesänderung ist, eine legale Basis zur Prävention und Bekämpfung von Tierseuchen und Zoonosen (von Tier zu Mensch und von Mensch zu Tier übertragbare Infektionskrankheiten) zu schaffen. Die Kompetenz für Massnahmen in diesen beiden Bereichen soll der Bund erhalten. Diese Machtkonzentration passte den Gegnern der Vorlage nicht.
Mit der Änderung des Tierseuchengesetzes, im März vom Parlament gutgeheissen, soll die Eidgenossenschaft die Leitung in Prävention und Kampf gegen Tierseuchen übernehmen.
Die Landesregierung soll Bestimmungen erlassen und die Finanzierung von Präventionsmassnahmen lenken können. Sie soll eine vorübergehende Steuer für Tierhalter einführen und die Höhe der Kosten für Massnahmen sowie den Anteil der Kantone daran bestimmen können.
Zudem soll der Bund Impfstoffbanken betreiben sowie Impfstoffe gegen Tierseuchen beschaffen und diese unentgeltlich oder verbilligt abgeben können.
Schliesslich soll der Bund internationale Verträge auf dem Gebiet der Tiergesundheit abschliessen können.
Den Kantonen obliegt im revidierten Gesetz die Umsetzung der Massnahmen sowie die Arbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz.
Bei Verletzungen des TSG sollen die Behörden Strafanzeige einreichen dürfen. Einige Strafen sollen gegenüber dem geltenden TSG verschärft werden.
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