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Neue Schlacht um Schutz vor Passivrauchen

Geht es nach den Initianten, darf nur noch im Freien geraucht werden. Oder zuhause. Keystone

Die Volksinitiative "Schutz vor Passivrauchen" verlangt, dass Innenräume, die als Arbeitsplatz dienen oder öffentlich zugänglich sind, rauchfrei werden. Am 23. September entscheidet das Volk, ob strengere Regeln für die ganze Schweiz gelten sollen.

Die eidgenössische Gesetzgebung verbietet bereits das Rauchen in Räumen, in denen mehrere Personen arbeiten. Allerdings gibt es zahlreiche Ausnahmeregelungen. So sind etwa getrennte Raucherräume erlaubt, wenn sie eine ausreichende Lüftung aufweisen und entsprechende gekennzeichnet sind.

Im Prinzip kann in diesen Räumen kein Personal beschäftigt werden – Ausnahmen gibt es für die  Hotellerie und Restauration. Personen dürfen in bedienten so genannten Fumoirs (Raucherräumen) arbeiten, wenn sie sich schriftlich mit einer solchen Beschäftigung einverstanden erklären. Zudem ist das Rauchen in Gaststätten erlaubt, wenn sie eine Grösse von 80 Quadratmetern nicht überschreiten.

Der Bund räumt den Kantonen die Möglichkeit ein, «aus Gründen des Gesundheitsschutzes strengere Vorschriften zu erlassen». Die Folge: Elf Kantone halten sich einzige an die Mindestvorschriften des Bundes, 15 weitere Kantone haben schärfere Gesetze erlassen. In diesen darf in Gaststätten prinzipiell nicht geraucht werden. In sieben Kantonen ist die Bedienung in Fumoirs erlaubt, in acht Kantonen jedoch verboten.

Schutz oder Einschränkung? 

Diese Restriktionen, die in diesen acht Kantonen bereits umgesetzt sind, sollen nach dem Willen der Promotoren der Initiative «Schutz vor Passivrauchen» zum landesweiten Standard werden. Die Initiative wurde 2009 unter Führung der Lungenliga Schweiz von einer Allianz von 40 Organisationen lanciert – von Ärzteorganisationen bis zu Konsumentenschützern.

Diese Organisationen waren wenig angetan vom Gesetz zum Schutz gegen Passivrauchen, das vom Parlament im Oktober 2008 verabschiedet worden war. Die Promotoren verweisen auf Studien, welche einerseits die gravierenden Konsequenzen des Passivrauchens aufzeigen, andererseits die Erfolge des Rauchverbots in öffentlichen Räumen dokumentieren.

Der Staat steht ihrer Meinung nach in der Pflicht, die Bevölkerung ausreichend vor Passivrauch zu schützen. Das geltende Bundesgesetz garantiere diesen Schutz nicht. «Es ist wichtig, das Durcheinander von Bestimmungen zugunsten einer klaren und landesweiten Regelung zu ersetzen, welche die Arbeitnehmenden insbesondere im Gastgewerbe schützt», sagt SP-Nationalrätin Silvia Schenker vom Initiativkomitee. 

Die Befürworter der Initiative sind der Ansicht, dass viele Kellner heute bereit sind, in Raucherlokalen zu arbeiten, weil sie befürchten, ansonsten ihren Arbeitsplatz zu verlieren. «Viele haben einfach keine Wahl», so Schenker.

«Ich habe noch nie gehört, dass jemand gezwungen wird, in Raucherlokalen zu arbeiten», entgegnet SVP-Nationalrat Thomas Aeschi, Mitglied des überparteilichen Komitees gegen ein radikales Rauchverbot. Meistens sei es umgekehrt: Die Kellner verliessen das Lokal, um selbst rauchen zu können.

Gemäss dem Zuger Nationalrat verletzt die Initiative die Prinzipien persönlicher Freiheit und  individueller Verantwortung. «Jede Person kann frei entscheiden, ob sie in ein Lokal gehen will, in dem geraucht wird. Niemand wird gezwungen.»

Föderalismus gegen Gleichheit 

Für die Gegner steht die Initiative zudem im Widerspruch zum Schweizer Föderalismus. Thomas Aeschi ist dagegen, «die Souveränität der Kanton immer weiter einzuschränken und die Macht zusehends dem Schweizer Parlament zu übertragen.»

Die Befürworter der Initiative sehen dies anders: Sie sind der Meinung, dass der Schutz der Arbeitnehmenden vor Passivrauch höher zu bewerten ist als das Prinzip des Föderalismus. Zurzeit werde dieser Schutz je nach Kanton in unterschiedlichem Masse gewährt.

Das geltende Bundesgesetz gegen Passivrauchen ist gerade mal zwei Jahre in Kraft. «Man kann nicht ständig ein Gesetz ändern», meint Nationalrat Thomas Aeschi, das sei Zwängerei. Aus dem gleichen Grund hat die Parlamentsmehrheit beschlossen, die Initiative abzulehnen und keinen Gegenvorschlag auszuarbeiten. 

Doch die Initianten sind überzeugt, dass die Schäden des Passivrauchens so massiv sind, dass man nicht länger zuwarten kann. Laut Silvia Schenker sind die verlangten Mindeststandards nicht nur in acht Kantonen bereits Wirklichkeit, sondern auch in der Mehrheit der europäischen Staaten.

Den Promotoren der Initiative wird vorgeworfen, dass sie nicht gegen das geltende Bundesgesetz das Referendum ergriffen hätten. Silvia Schenker wehrt sich gegen diesen Vorwurf: «Warum hätten wir das Referendum ergreifen sollen? Denn das Gesetz garantiert ja einen Mindeststandard. Das ist besser als nichts.» 

Hotellerie auf den Barrikaden 

Tatsächlich war sogar ein Referendum gegen dieses Gesetz ergriffen worden. Es waren Gastwirte, die sich gegen jegliche Art von Rauchverboten in den Lokalen wehrten. Doch sie vermochten nur 6000 Unterschriften zu sammeln, statt der notwendigen 50’000. Folglich scheiterte ihr Versuch, das Gesetz zu bodigen.

Hoteliers und Gastwirte stehen nun in der ersten Reihe im Kampf gegen ein noch restriktiveres Bundesgesetz gegen Passivrauchen. Thomas Aeschi teilt ihre Bedenken. Denn viele Gastwirte haben beispielsweise Investitionen in Fumoirs getätigt, um sich dem neuen Bundesgesetz anzupassen. Diese Anstrengungen würden nun möglicherweise nichtig. 

Befürchtet wird zudem, dass ein Teil der Kundschaft ausbleiben könnte. Mit den entsprechenden finanziellen Folgen. Die Befürworter der Initiative argumentieren, dass diese Schwarzmaler-Szenario in den Kantonen mit den restriktivsten Kantonalgesetzen nicht eingetroffen sei.

Mit Ausnahme von Nidwalden haben alle Kantone, in denen bisher über ein Rauchverbot abgestimmt wurde, dieses jeweils klar gut geheissen. Man darf gespannt sein, was die Stimmbürger auf nationaler Ebene entscheiden werden.

Die eidgenössische Volksinitiative «Schutz vor Passivrauchen» verlangt, dass alle Innenräume, die als Arbeitsplatz dienen oder öffentlich zugänglich sind (Restaurants, Bars, Schulen, Spitäler etc.), rauchfrei werden.

Raucherräume, so genannte Fumoirs, können eingerichtet werden, solange sie unbedient sind. Generell soll im ganzen Land die gleiche Regelung gelten.  

Die Initiative wurde im Mai 2009 von der Lungenliga und mehr als 40 weiteren Organisationen lanciert. Ein Jahr später wurde sie mit 116’290 gültigen Unterschriften eingereicht.

Der Bundesrat und die Parlamentsmehrheit wiesen die Initiative zurück, ohne einen Gegenvorschlag auszuarbeiten.

Im Nationalrat scheiterte die Initiative mit 138 Nein gegen 52 Ja. Der Ständerat lehnte die Initiative mit 28 Nein gegen 7 Ja bei 7 Enthaltungen ab.

Die Initiative wird von der SP, den Grünen und der Evangelischen Volkspartei unterstützt. Alle anderen politischen Parteien sind dagegen. Auch Wirtschaftsverbände empfehlen die Initiative zur Ablehnung.

Die Interessengemeinschaft Freie Schweizer Wirte hatte im Februar 2010 eine Volksinitiative «Für ein liberales Rauchergesetz» lanciert, die genau das Gegenteil der jetzt zur Abstimmung stehenden Initiative verlangte. Die benötigten 100’000  Unterschriften kamen aber nicht zusammen.

Am 19. Juni 2012 begann die Sammlung von Unterschriften für die Volksinitiative «Schutz der Gesundheit vor dem Passivrauchen». Demnach soll auch im Freien das Rauchen verboten werden, sofern gewisse Personengruppen, wie zum Beispiel ältere Menschen oder Kinder, in der Nähe sind.

Die Lungenliga hat sich gegen diese Initiative ausgesprochen, die sogar unbediente Fumoirs und auch das Rauchen in Einzelbüros verbietet.

«Passivrauchen gefährdet die Gesundheit. Es ist krebserregend und kann Lungenkrebs, Herzkreislauf-Erkrankungen, Asthma  und Infektionen der Atemwege hervorrufen»: Das schreibt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf seiner Homepage.

Demnach gibt es keine Schwelle, unter der Passivrauch unschädlich ist. Das Risiko eines Hirnschlags ist bei Nichtraucherinnen und Nichtrauchern, die dem Passivrauch ausgesetzt sind, doppelt so hoch wie bei nicht Exponierten. Das Risiko von Lungenkrebs oder Herzinfarkt ist um rund 25% höher.

Bei starker und vor allem bei regelmässiger Exposition, erhöht sich das Lungenkrebsrisiko sogar um 100%.

Kinder und insbesondere Kleinkinder sind durch das Passivrauchen besonders gefährdet. Letztere leiden häufiger an Atemwegerkrankungen, Bronchitis, Lungenentzündungen, Husten und Auswurf.

(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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