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Rufe nach pestizidfreien Lebensmitteln und sauberem Wasser werden lauter

Traktor beim Ausbringen von Pestiziden auf einem Salatfeld
Aktivistinnen und Aktivisten argumentieren, dass überschüssige Pestizide die Nahrung verunreinigen und in den Boden sickern, wodurch das Grundwasser verschmutzt werde. Die Gegnerinnen und Gegner sagen, pestizidfreie Landwirtschaftsmethoden seien keine realistische Option. Christian Beutler/Keystone

Zwei separate Initiativen fordern eine radikale Reform der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion in der Schweiz. Der Einsatz synthetischer Pestizide soll innert zehn Jahren verboten werden.

Beide Volksinitiativen verfolgen ein ähnliches Ziel, sie unterscheiden sich aber in ihrem Ansatz: Sie richten sich gegen die intensive Landwirtschaft und streben nachhaltigere Produktionsmethoden an.

Auffallend ist die starke persönliche Sorge der Mitglieder beider Kampagnenkomitees um Umweltverschmutzung, Biodiversität, sichere Nahrung und sauberes Trinkwasser. Die beiden Volksinitiativen gehören zu den fünf Vorlagen, über die auf nationaler Ebene am 13. Juni abgestimmt wird.

Um was geht es?

Die Initiative für eine Schweiz ohne synthetische PestizideExterner Link fordert ein generelles Verbot des Einsatzes von synthetischen Unkraut-Vernichtungsmitteln, Insektiziden und Fungiziden in der Schweizer Landwirtschaft sowie für den privaten oder gewerblichen Gebrauch. Sie will auch die Einfuhr solcher Mittel verbieten.

Die Aktivistinnen und Aktivisten sehen eine zehnjährige Übergangszeit vor, um den Lebensmittel- und Landwirtschaftssektor anzupassen und die Forschung im Bereich der Biodiversität zu fördern.

Die Initiative für sauberes Trinkwasser und gesunde NahrungExterner Link konzentriert sich auf das Trinkwasser, zielt aber auch auf Pestizide und den Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft ab. Sie will alle staatlichen Subventionen für Landwirte stoppen, die sich nicht für nachhaltige, umweltfreundliche Produktionsmethoden einsetzen.

Als Reaktion auf die Initiativen beschloss das Parlament eine Gesetzesänderung mit dem Ziel, den Einsatz von Herbiziden bis zum Jahr 2027 zu halbieren und den Weg für weitere Massnahmen zur Sicherung der Trinkwasserqualität zu ebnen.

Die Initiativen wurden lanciert vor dem Hintergrund wachsender Besorgnis in der Öffentlichkeit über die Mengen an Pestiziden, die in der Lebensmittelproduktion eingesetzt werden, sowie über Berichte betreffend eine hohe Grundwasser-Verschmutzung in der Schweiz.

Wer steht hinter den Initiativen?

Zwei separate zivilgesellschaftliche Komitees ohne Bindung an eine bestimmte politische Partei lancierten die Initiativen. Sie reichten ihre sie 2018 mit 113’979 beziehungsweise 121’307 Unterschriften ein. Die «Initiative gegen synthetische Pestizide» gilt als radikaler als die «Trinkwasser-Initiative».

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Das Anti-Pestizid-KomiteeExterner Link mit Sitz in der Westschweiz setzt sich aus Wissenschaftlern, Juristinnen und Landwirten zusammen. Sie alle betonen ihre persönliche Sorge wegen Gesundheits- und Umweltrisiken von synthetischen Pestiziden.

Die Gruppe hinter der «Trinkwasser-Initiative»Externer Link besteht aus sieben Frauen und einem Mann. Geleitet wird das Gremium von Franziska Herren, einer ehemaligen Leiterin eines Fitnessstudios, die als Konsumentin mit ausgeprägtem Umweltbewusstsein politisch aktiv wurde.

Herren engagierte sich in ihrem Dorf im deutschsprachigen Teil des Landes zunächst in der Gemeindepolitik, bevor sie sich unter anderem dem Kampf gegen Atomkraft sowie für Gesundheitsthemen und später der Landwirtschaft zuwandte.

Wasser aus einem Brunnen, Glas und Hand
Die Regierung und eine Mehrheit des Parlaments lehnen die «Trinkwasser-Initiative» ab und behaupten, es werde genug getan, um die Wasserqualität zu schützen. Doch mehrere Studien fanden Pestizidrückstände im Grundwasser, Trinkwasser und in kleinen Bächen, so die Aktivistinnen und Aktivisten. Manu Friederich/Keystone

Was sind die Hauptargumente für die Initiativen?

Beide Komitees fordern unabhängig voneinander eine Reform der Landwirtschaftspolitik des Landes. Sie soll von giftigen chemischen Substanzen befreit werden und zu nachhaltigen und tierfreundlichen Produktionsstandards gelangen.

Die intensive Landwirtschaft, die jedes Jahr mit 3,5 Mrd. Franken an Steuergeldern unterstützt wird, sei eine ernsthafte Bedrohung für die öffentliche Gesundheit und die Artenvielfalt, sagen sie.

Landwirtinnen und Landwirte würden durch staatliche Subventionen indirekt ermutigt, Pestizide, Antibiotika und importiertes Futter zu verwenden, um ihre Produktionsleistung zu steigern, so die Befürwortenden.

Tausende von Tonnen überschüssigen Stickstoffs und Phosphors aus Düngemitteln würden den Boden und das Grundwasser verschmutzen, das Ökosystem, Wälder, Flüsse, Felder und Gärten zerstören und das Risiko von schweren Krankheiten erhöhen.

Die Befürwortenden der Trinkwasser-Initiative kritisieren zudem das Fehlen effizienter Massnahmen zur Reduktion des Pestizideinsatzes und argumentieren, die Schweiz würde bei einer Annahme ihres Vorschlags international eine Vorreiterrolle einnehmen.

Was sind die Hauptargumente gegen die Initiativen?

Die Gegnerinnen und Gegner sagen, die Ziele der Initiativen seien unrealistisch. Sie würden zu höheren Produktionskosten und Konsumentenpreisen sowie zu mehr Importen führen, argumentieren sie.

Mit der Einführung von pestizidfreien Standards würden Tausende von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion wegfallen. Auch wäre die Schweiz nicht mehr in der Lage, das derzeitige Produktionsniveau und die Hygienevorschriften aufrechtzuerhalten, sagen sie.

Einige argumentieren auch, dass die Initiativen die Forschung über Pestizide behindern würden, während ein vorgeschlagenes Verbot des Imports von Lebensmitteln, die nicht frei von synthetischen Pestiziden sind, gegen internationale Handelsabkommen verstossen würde.

Die Initiativen seien nicht nur zu radikal, sondern auch unnötig, meinen die gegnerischen Parteien und Interessengruppen. Sie argumentieren, dass der Agrarsektor, das Parlament und die Regierung bereits Massnahmen ergriffen hätten, um Menschen und Umwelt vor schädlichen Pestiziden zu schützen.

Anreize zur Verwendung natürlicherer Produktionsmethoden, einschliesslich Bodenrotation, hätten in den letzten Jahren zu einem Rückgang des Absatzes von Pestiziden geführt. Ausserdem sei die Schweiz für die hohe Qualität ihres Trinkwassers bekannt, fügt die Gegnerschaft an.

Wer ist dafür, wer dagegen?

Bei beiden Initiativen stehen die politische Linke und Umweltgruppen einem breiten Bündnis von Parteien aus der Mitte und der Rechten gegenüber. Letztere haben auch die Unterstützung der Wirtschaft und des Schweizer Bauernverbands.

Kleinere Bauernverbände haben sich jedoch für die Initiativen ausgesprochen. Einige Mitte- und Mitte-Rechts-Parteien, darunter die Grünliberale Partei (GLP) und die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP.Die Liberalen), sind gespalten oder unentschlossen.

Warum können sich die Stimmberechtigten zu beiden Initiativen äussern?

Im Rahmen des Schweizer Systems der direkten Demokratie können die Bürgerinnen und Bürger eine Änderung der Bundesverfassung anstossen. Dafür braucht es mindestens 100’000 gültige Unterschriften, die innerhalb von 18 Monaten gesammelt werden, um eine landesweite Abstimmung über eine VolksinitiativeExterner Link zu erzwingen.

Bis heute wurde über 220 solche Initiativen an der Urne entschieden, seit das Recht 1891 eingeführt wurde. 23 davon, also etwas über zehn Prozent, wurden angenommen.

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Landwirtschaft zwischen ökologischen und wirtschaftlichen Anforderungen

Die beiden Initiativen sind die jüngsten in einer Reihe von Vorschlägen, die in den letzten Jahren zur Reform der Agrarpolitik des Landes gemacht wurden. Dazu gehörten Initiativen zur Förderung der ethischen Lebensmittelproduktion und der lokalen Landwirtschaft, ein Verfassungsartikel, der darauf abzielte, die nationale Selbstversorgung in der Lebensmittelproduktion zu erreichen, sowie ein Verbot von Finanzspekulationen beim Handel mit Agrar-Rohstoffen.

Ebenfalls internationale Aufmerksamkeit erregte ein Vorschlag, Landwirten, die ihr Vieh nicht enthornen, zusätzliche Subventionen zu zahlen – die so genannte Hornkuh-Initiative. Allerdings wurde unter all diesen Vorschlägen nur die Verfassungsänderung zur Ernährungssicherheit von der Stimmbevölkerung im September 2017 angenommen.

Mehrere andere Initiativen warten noch darauf, an der Urne entschieden zu werden. Darunter eine Initiative, die auf ein Verbot der Massentierhaltung abzielt. Andere Volksinitiativen in der Pipeline befassen sich mit Fragen der Biodiversität oder der Zonenregelung, werden aber auch Auswirkungen auf den Agrarsektor haben.

Das Parlament hat kürzlich Pläne des Bundesrats auf Eis gelegt, die Landwirtschaftspolitik des Landes zu reformieren. Die Regierung wollte finanzielle Unterstützung für nachhaltigere Anbaumethoden, die Förderung der Artenvielfalt und tierfreundliche Aufzuchtmethoden gewähren.

(Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

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