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Schweizer Anti-Pestizid-Initiativen ernten Beifall bei der UNO

Ein Landarbeiter versprüht Pestizide auf einer Ananasplantage in Ghana. 99% der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Einsatz von Pestiziden treten in Entwicklungsländern auf. Jake Lyell / Alamy Stock Photo

Die Schweizer Bürgerinnen und Bürger stimmen über zwei Volksinitiativen ab, die den Einsatz von synthetischen Pestiziden in der Landwirtschaft verbieten wollen. Die Forderungen finden weit über die Landesgrenzen hinaus Resonanz, nämlich bei den Vereinten Nationen.

«Die Schweiz hat durch ihre direkte Demokratie die aussergewöhnliche Chance, internationale Vorreiterin zu sein für eine Landwirtschaft, die von giftigen Produkten befreit ist», sagt Laurent Berset vom Initiativkomitee «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide».

Die Bemühungen, die Schweiz zu einem Modell für die landwirtschaftliche und ökologische Umstellung zu machen, beschränken sich nicht auf ein paar Biobauern und utopische Verfechterinnen von ökologischem Handeln. Nein, sie finden auch Unterstützung von höchster Stelle bei den Vereinten Nationen (UNO).

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So spricht sich Michael Fakhri, der UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, klar für ein Verbot von synthetischen Pestiziden in der Schweiz aus. «Das würde nicht nur den Schutz der menschlichen Gesundheit garantieren, sondern die Schweizer Regierung auch verpflichten, mehr in die Agrarökologie zu investieren», sagt Fakhri gegenüber SWI swissinfo.ch.

«Schweiz kann andere Länder inspirieren»

Am 13. Juni kommt noch eine andere Initiative zur Abstimmung, die eine ähnliche Stossrichtung hat: die Volksinitiative für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung. Die Befürworterinnen und Befürworter der beiden Begehren reiten auf der Welle eines weltweiten Misstrauens gegenüber Pestiziden.

Michael Fakhri ist überzeugt, dass sich ein generelles Verbot für die Schweizer Bauern bezahlt machen würde – in Form eines nachhaltigeren Anbaus. Es wäre aber auch ein wichtiges internationales Signal. «Die Schweizer Bevölkerung könnte dann andere Menschen auf der Welt ermutigen, ihrem Beispiel zu folgen.»

Bhutan ist bisher das einzige Land, das frei von synthetischen Pflanzenschutzmitteln lebt. Im Jahr 2018 bewirtschafteten 80% der Bauern im Himalaya-Zwergstaat ihr Land ohne chemische Hilfsmittel. In der Schweiz liegt dieser Anteil derzeit erst bei gut 15%.

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Giftige Stoffe und Menschenrechte

«Pestizide sind ein altes Menschenrechtsthema», sagt Fakhri. Und obwohl es keinen Mangel an internationalen und nationalen Gesetzen zum Schutz von Mensch und Umwelt vor gefährlichen Pestiziden gibt, werden die Massnahmen nur selten richtig umgesetzt. «Das bedeutet, dass in den meisten Ländern die Menschen und die Umwelt vor Pestiziden nicht sicher sind», so Fakhri.

Der Rechtsprofessor Michael Fakhri von der Universität Oregon ist seit März 2020 UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung. photo via University of Oregon

Auch ein weiterer führender UNO-Vertreter wird die Doppelabstimmung mit grossem Interesse verfolgen: Marcos A. Orellana, UNO-Sonderberichterstatter für toxische Substanzen und Menschenrechte. «Starke nationale Massnahmen zum Schutz vor Pestiziden würden es der Schweiz ermöglichen, ihre Führungsrolle im Bereich Chemikalien und Abfall weiter zu stärken,» sagt Orellana gegenüber SWI swissinfo.ch. «Eine solche Führungsrolle ist dringend notwendig, um die ernsthafte und zunehmende Vergiftung des Planeten zu bekämpfen.»

Der UNO-Berichterstatter verweist insbesondere auf die Unterzeichnung der Basler Konvention von 1989, bei dem die Schweiz eine führende Rolle spielte. Die internationale Vereinbarung reduziert den Verkehr von gefährlichen Abfällen zwischen den Ländern.

Auch beteiligt sich die Schweiz aktiv an der Umsetzung der Rotterdam-Konvention. Diese soll insbesondere die Entwicklungsländer vor der unkontrollierten Einfuhr von gefährlichen Stoffen wie Pestiziden schützen.

«Radikale» Initiativen

Das Pro-Lager der beiden Vorlagen sieht sich jedoch mit heftigem Widerstand konfrontiert. Dieser kommt von Seiten traditioneller Landwirtschaftskreise und Vertretern der agrochemischen Industrie. Dagegen sind auch die Mehrheit der Schweizer Regierung und des Parlaments. Sie sind der Meinung, dass die Vorschläge viel zu weit gehen.

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«Die Annahme der Trinkwasserinitiative hätte enorme Auswirkungen auf die Lebensmittelproduktion in der Schweiz», sagt Markus Spörndli, Sprecher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD), das in der Schweiz für die Agrarpolitik zuständig ist.

Gleichzeitig wäre eine Annahme der Initiative für eine pestizidfreie Schweiz sehr schädlich für die Versorgung der Bevölkerung mit hiesigen Lebensmitteln und würde das Angebot an importierten Lebensmitteln verringern, so der Sprecher.

Das EVD wollte die klaren Pro-Positionen der beiden UNO-Experten nicht kommentieren, sondern betonte die Vorreiterrolle der Schweiz beim Schutz der Biodiversität und beim Gewässerschutz. «Die Schweiz ist beim Schutz der Biodiversität bereits weit voraus. Seit 1998 ist z.B. die Fruchtfolge eine Voraussetzung für den Erhalt von Agrarsubventionen. Einige unserer Nachbarn diskutieren derzeit über eine solche Massnahme», sagt Spörndli.

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Umstrittene Exporte

Die beiden Volksinitiativen befassen sich ausschliesslich mit der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in der Schweiz und dem Import von Lebensmitteln, die solche enthalten. Die Schweiz ist aber auch die Heimat des Agrochemie-Riesen Syngenta und sie ist wichtige Produzentin und Exporteurin von synthetischen Pestiziden. «Der Export von Pestiziden, die in der Schweiz verboten sind, verschärft die ökologische Ungerechtigkeit – sie stellt eine Form von Diskriminierung und moderner Ausbeutung dar», sagt Orellana.

Im Jahr 2017 zog ein Bericht, der dem UNO-Menschenrechtsrat in Genf von den Vorgängern von Fakhris und Orellanas vorgelegt worden war, ein vernichtendes Fazit über die ökologischen, gesundheitlichen und sozialen Folgen des weltweiten Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. So sind laut Bericht Pestizide jedes Jahr für fast 200’000 Todesfälle in Entwicklungsländern verantwortlich.

Die Schweiz wird regelmässig von Umwelt- und Menschenrechts-Organisationen kritisiert, weil sie mit zweierlei Mass messe und synthetische Pestizide exportiere, deren Einsatz in der Schweiz selbst verboten sind. Erst unter Druck hat der Bundesrat letztes Jahr den Export von fünf gefährlichen Pestiziden verboten, darunter Paraquat, ein extrem gesundheitsschädliches Herbizid.

Aber viele andere in der Schweiz verbotene Pestizide werden weiterhin in Länder, insbesondere solche im Süden, exportiert. «Um verantwortungsvolle Weltbürger zu sein, sollten die Schweizerinnen und Schweizer auch gegen den Export von synthetischen Pestiziden in andere Länder vorgehen», sagt Michael Fakhri.

FAO zerrissen zwischen Ökologie und Agrochemie-Lobby

Die UNO-Agentur für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) ist gegen ein totales Verbot von synthetischen Pestiziden. «Der Kampf gegen Krankheiten und Schädlinge, die jedes Jahr für einen Ausfall von 20% bis 40% der weltweiten landwirtschaftlichen Erträge verantwortlich sind, ist essentiell, um die Entwickungsziele der UNO zu erreichen und den Hunger in der Welt bis 2030 zu beenden», heisst es in einer schriftlichen Erklärung der FAO, die SWI swissinfo.ch vorliegt.

Die UNO-Agentur für Ernährung und Landwirtschaft setzt zum Schutz der Nutzpflanzen lieber auf den integrierten Pflanzenschutz. Diese Technik sieht den Einsatz von Pestiziden nur als letztes Mittel vor, wenn es keine Alternativen zu Chemikalien gibt. Aber auch dann dürfen nur Pestizide zum Einsatz gelangen, die für die Gesundheit der Menschen sowie der Umwelt sicher sind.

Laut FAO haben diese so genannten IPM-Programme den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in einigen Reis-, Baumwoll- und Gemüsekulturen um 70% reduziert. Dies selbst in Gebieten, in denen der Druck durch Schädlinge zugenommen habe.

Im November 2020 sorgte die FAO jedoch für einen Aufschrei unter Forschenden und NGOs: Sie ging eine strategische Allianz ausgerechnet mit CropLife ein, dem Verband der weltweit führenden Pestizidhersteller. Unter Beschuss steht insbesondere Qu Dongyu, der Leiter der UNO-Agentur, der die Partnerschaft eingefädelt hat: Er ist ehemaliger Vizeminister für Landwirtschaft Chinas, das weltweit zu den grössten Pestizidverbrauchern zählt.

Übertragung aus dem Französischen: Renat Kuenzi)

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