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Schweizer Botschafterin im Tschador schockiert Irans Protestbewegung

Nadine Olivieri Lozano
Die Schweizer Botschafterin Nadine Olivieri Lozano (Bildmitte) bei ihrem Besuch eines Schreins in der Stadt Ghom. Irna

Nadine Olivieri Lozano, die Schweizer Botschafterin in Iran, hat eine religiöse Stätte im Ganzkörperschleier besucht. Das wird als Unterstützung des Regimes ausgelegt.

Es hagelt Kritik gegen die Schweizer Botschafterin im Iran, Nadine Olivieri Lozano. Der Grund: Sie besuchte die religiöse Pilgerstadt Ghom – und das bekleidet in einem sogenannten Tschador, einem Ganzkörperschleier. Bilder ihres Besuchs am Mittwoch fanden Anstoss auf Twitter.

Bei iranischen Aktivistinnen und Aktivisten stiess die Aktion auf Kritik. Konservative Verschleierung sei genau das, was man nicht tun solle, während mutige iranische Frauen alles für die Freiheit riskierten, schrieb etwa die britisch-iranische Schauspielerin Nasanin Boniadi auf Twitter.

Zahlreiche Nutzerinnen bezeichnen es als Schande, dass Lozano sich im Tschador gekleidet mit Religionsführern ablichten liess. Die belgische Parlamentsabgeordnete Darya Safai schrieb: «Während Millionen iranischer Frauen für Frauenrechte kämpfen (…), trägt sie einen Hidschab und macht Werbung für die Unterdrücker.»

Auch andere kritisieren, dass die Schweizer Botschafterin mit ihrem Auftritt die iranische Regierung unterstütze. Für Mitte-Nationalrätin Marianne Binder-Keller ist der Auftritt ein Schlag ins Gesicht für jene, die im Iran protestieren.

«Das scheint mir sehr ungeschickt, sich so ablichten zu lassen», sagt sie. «Diese Bilder könnten instrumentalisiert werden und das ist jetzt auch passiert.»

Proteste gegen das Regime

Seit Mitte September gibt es im Iran wiederholt Proteste gegen die religiöse sowie politische Führung des Landes. Auslöser war der Tod von Jina Mahsa Amini, die in Gewahrsam der Polizei ums Leben gekommen war.

Die iranische Kurdin war von der so genannten Sittenpolizei wegen Verstosses gegen die im Iran geltenden islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden. Wenige Tage später starb sie in Polizeigewahrsam. Laut ihrer Familie war die junge Frau vor ihrem Tod misshandelt worden.

Laut Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtlern sind seit Beginn der Proteste im September 2022 mehr als 500 Menschen getötet worden. Mehrere Demonstrierende wurden hingerichtet.

Auch in der Schweiz haben Menschen für die Protestbewegung im Iran demonstriert. Dabei war auch Kritik an der Iran-Politik des Bundesrats laut geworden.

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Saïda Keller-Messahli, Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam, hat kein Verständnis für den Auftritt von Botschafterin Lozano im Tschador. «Es ist eine Aktion ohne Mut», sagt sie.

Aus Sicht von Keller-Messahli hätte die Schweiz eine Sonderstellung in Bezug zum Iran, weil sie etwa die USA vertritt. Deshalb könnte die Botschafterin auch klar sagen, dass sie den Tschador nicht trage. «Man muss nicht alles akzeptieren, was einem das Regime aufzwingen will», sagt sie.

Nadine Olivieri Lozano
Nadine Olivieri Lozano, Schweizer Botschafterin in Iran, im Gespräch mit einem schiitischen Geistlichen in Qom. Irna

Aussendepartement wehrt sich gegen Kritik

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) weist die Kritik am Auftritt zurück. Die Botschafterin habe in Ghom eine akademische Institution besucht, die Studierenden die Teilnahme an interreligiösen Seminaren in der Schweiz ermögliche, schrieb das EDA. Beim Besuch des Schreins habe sie das dort gültige Bekleidungs-Protokoll für Frauen eingehalten.

Das EDA betonte, die Schweiz habe wiederholt und klar zu den Menschenrechtsverletzungen im Iran Stellung genommen. Die Anwendung von Gewalt gegen Demonstrierende habe sie mehrfach verurteilt.

Zugleich hielt das Aussendepartement fest, der interreligiöse Dialog sei im aktuellen Kontext von grosser Bedeutung. Die Schweiz nutze im Rahmen der Guten Dienste alle Kanäle, um den Austausch zu fördern.

«Anerkennung für das Regime»

Für Islamwissenschaftler Reinhard Schulze ist der Auftritt aber problematisch. «Das Hauptproblem war, dass der Auftritt im Kontext der Revolte im Iran stattgefunden hat. Damit wurde eine Anerkennung an das Regime ausgesprochen», sagt der Professor der Universität Bern.

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Für den Iran sei ausländische Anerkennung wichtig, weil sie sie im Inland verloren habe. Darum wollte der Iran die Bilder bewusst verbreiten, so Schulze.

Auch die Presse übt Kritik

Olivieri Lozano erntet für ihren Auftritt im Tschador auch Kritik in der Schweizer Presse. Dabei handle es sich «nicht um Fettnäpfchen oder um eine neutrale Aussenpolitik», schreiben die Tamedia-Zeitungen. «Die Schweiz ergreift eindeutig Partei für das Mullah-Regime.»

Die Neue Zürcher Zeitung zitiert Kijan Espahangizi, Historiker und Privatdozent an der Universität Zürich mit iranischen Wurzeln. Die Bilder aus Qom seien für das Image der Schweiz das «noch grössere Desaster» als das Gratulationsschreiben, das Bundespräsident Alain Berset kürzlich anlässlich des 44. Jahrestags der Islamischen Revolution nach Teheran gesandt hat.

Auch die CH-Media-Titel schreiben, die Bilder sorgten in regimekritischen Kreisen in der Schweiz für Ärger. Im Blick äusserten sich Politikerinnen und Politiker mit Unverständnis.

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