Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Schweizer Presse: Obama vor enormen Problemen

Barack Obama dominiert die Titelseiten der Medien - auch in der Schweiz. Reuters

"Nach der Kür nun die Pflicht". "Viel ist noch zu tun". "Jetzt muss er zeigen, was er kann". Die Schweizer Medien sind sich einig, dass Präsident Obama in seiner zweiten Amtszeit vor gewaltigen Herausforderungen steht.

«Die bisherigen nationalen Politiken werden nicht mehr ausreichen, um die Probleme zu bewältigen», prophezeit der Kommentator im Zürcher Tages-Anzeiger und im Berner Der Bund.

«Wir erleben derzeit eine Neuordnung des globalen Wirtschaftssystems, die gewaltige Kräfte freisetzt. Sie geht einher mit grossen demografischen Verschiebungen und hat neben den ökonomischen auch ökologische sowie machtpolitische Folgewirkungen.»

Die Krisen liessen sich nicht mit ein bisschen mehr oder weniger Sozialstaat oder Steuerbelastung überwinden, folgert der Kommentator der beiden Zeitungen. «Diese Herausforderungen verlangen eine differenzierte Analyse und die Bereitschaft der USA, sich in das neue internationale Umfeld einzuordnen.» Obama habe damit begonnen, etwa mit seiner nach Asien orientierten Aussenpolitik.

«Erster globaler US-Präsident»

«Obama ist der bessere Präsident, um damit umzugehen». Er verkörpere den Kompromiss zwischen Schwarz und Weiss, zwischen Afrika, Indonesien und den USA, seinen Herkunftsländern. «Er steht für den multilateralen Ansatz. Man hat ihn den ersten globalen US-Präsidenten genannt. Er ist der richtige Kandidat, um die USA in dieser Zeit globaler Umwälzungen zu führen.»

Auch die französischsprachigen Zeitungen bringen die grossen Dossiers zur Sprache, die auf Obama warteten. Die in Lausanne erscheinende Zeitung Le Matin traut dem wiedergewählten Präsidenten aber zu, dass er «seine schönen Versprechen» umsetzen könnte, zumal er jetzt vom Druck der Wahlen befreit und durch Erfahrungen gestärkt sei.

«Wenig Hoffnung auf Wunder»

Die wirtschaftliche Entwicklung werde den Handlungsspielraum diktieren, schreibt die Freiburger La Liberté. Die enorme Staatsverschuldung, die schleichende Erosion des amerikanischen Einflusses auf der internationalen Szene und die Fesseln, die ihm der mehrheitlich feindlich gesinnte Kongress auferlegten, «lassen nur wenig Raum für Hoffnungen auf Wunder».

«Er wird all seine Intelligenz benötigen und ohne Zweifel einige schmerzliche Kompromisse machen müssen, um sich aus der politischen Blockade lösen zu können», schreibt der Kommentator in den beiden Tageszeitungen 24 heures und Tribune de Genève.

«Der erste multikulturelle Präsident in der Geschichte der USA» werde vor allem in der Aussenpolitik neue Massstäbe setzen. In seiner zweiten Amtszeit könne Obama endlich einige Risiken eingehen, um einige der grossen Krisen anzupacken, die den Planeten bedrohten. 

Die wirtschaftsnahe Neue Zürcher Zeitung(NZZ) erinnert an eine «Scharte», die Obama jetzt auszuwetzen habe. In seiner ersten Amtszeit hätten die USA ihre Bestnote als Schuldnerin verloren. Nun habe der Präsident die Chance, «die Staatsfinanzen wieder in geordnete Bahnen zu lenken». Die Herausforderung bleibe dabei allerdings dieselbe wie vor der Wahl: «Obama wird mit einem republikanischen Repräsentantenhaus kutschieren müssen.»

USA vor Rezession?

Der Präsident werde sich nicht lange über seinen Wahlsieg freuen können, vermutet die NZZ. «Ökonomen sind sich einig, dass die amerikanische Wirtschaft im ersten Halbjahr 2013 in eine Rezession zurückfällt, wenn das ‹fiscal cliff› nicht umschifft wird. Wenn der Kongress es nicht verhindert, so treten nächstes Jahr massive Steuererhöhungen und – in geringerem Masse – automatische Ausgabenkürzungen in Kraft.»

Im Vordergrund sollte eine wachstumsfreundliche Politik stehen, die schwergewichtig auf der Ausgabenseite ansetzt, rät die NZZ. Aber bei näherem Hinsehen zeige sich, dass Obama primär auf Mehreinnahmen  setze, indem er hohe Einkommensbezüger deutlich stärker belasten wolle.

«Grosser der Geschichte»

Ganz schwarz malt der Blick, und zwar wegen der hohen Staatsverschuldung: «Bald droht ein Stillstand mit verheerenden Folgen für die Welt. Wegen dieser Gefahr schwächelten gestern weltweit die Börsen. Um die enormen Probleme Amerikas anzugehen, muss der Präsident mit Republikanern zusammenspannen», empfiehlt das Boulevard-Blatt.

«Packt er jetzt seine zweite Chance, könnte er als Grosser in die Geschichte eingehen.» Der Welt wäre es zu wünschen, schreibt der Blick, «sie braucht die USA».

Präsident Obama ist nach Auszählung von 97% der Wahlkreise mit einer klaren Mehrheit bei den Elektorenstimmen (303 zu 206), aber mit einem knappen Vorsprung bei den Wählerstimmen (50 zu 48%) im Amt bestätigt worden.

Bis am Donnerstagvormittag fehlte einzig noch das Resultat aus Florida, wo die Auszählung noch im Gang war. Falls Obama dort auch gewonnen hat, stünde das Resultat 332 zu 206. Falls Romney im «Sunshine State» gesiegt hat, heisst das Schlussresultat 303 zu 235.

Obama hat die Wahlen in den sogenannten «Swing States» fast alle für sich entschieden. Er sicherte sich die Elektorenstimmen aus Colarado, Iowa, Michigan, New Hampshire, Ohio, Virginia und Wisconsin. Mitt Romney konnte einzig North Carolina auf seine Seite ziehen.

Wie bereits 2008 haben vor allem die Minderheiten der Schwarzen, der Latinos, der Jungen sowie die Mehrheit der Frauen für Obama gestimmt.

Barack Obama, 1961 in Honolulu auf Hawaii geboren, ist Jurist. Ab 2004 war er Senator für Illinois.

Er ist der erste afroamerikanische Präsident der USA.

Barack Obama gewann die Präsidentschaftswahl am 4. November 2008 mit 53 Prozent aller abgegebenen Wählerstimmen gegen den republikanischen Herausforderer John McCain. 

Obama wurde am 20. Januar 2009 zum 44. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt.

Am 6. November 2012 gelang ihm die Wiederwahl. Er setzte sich gegen den republikanischen Herausforderer Mitt Romney durch.

Im Vergleich zur Präsidentenwahl 2008 konnte Obama seinen Vorsprung auf den Herausforderer fast halten.

Meistgelesen
Swiss Abroad

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft