Ständerat bekräftigt Ja zur «Lex USA»
Der Ständerat hat sich zum zweiten Mal mit der "Lex USA" befasst und damit sein Ja zum umstrittenen Sondergesetz bekräftigt. Nun geht das Geschäft wieder an den Nationalrat, der es gestern deutlich abgelehnt hat. Bleibt der Nationalrat bei seiner Haltung, ist es definitiv vom Tisch.
Das Gesetz würde es den Banken erlauben, mit den US-Behörden zu kooperieren, ohne sich in der Schweiz strafbar zu machen. Mit Daten zum Geschäft mit unversteuerten Geldern von US-Kunden und Zahlungen könnten sich die Banken von einem Strafverfahren in den USA freikaufen.
Eine Verordnung, die der Bundesrat beschliessen könnte, reiche “eben nicht“, um das von den USA den Banken angebotene Programm “in allen Teilen umzusetzen“, sagte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf in der Ständeratsdebatte an die Adresse der Gegner des Gesetzes: “Wir brauchen eine gesetzliche Grundlage.“
Die Mehrheit des Ständerates folgte diesem Argument und bestätigte mit 26 zu 18 Stimmen bei einer Enthaltung seine bereits in der Vorwoche eingenommene Haltung. Heute Nachmittag kommt die Vorlage zum zweiten Mal vor den Nationalrat.
Dort hatte der der Steuerdeal am Dienstag von Beginn weg kaum eine Chance. Mit 126 zu 67 Stimmen bei 2 Enthaltungen beschloss der Rat, gar nicht erst auf die Vorlage einzutreten.
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«Lex USA» nimmt wichtige Hürde
Gefahr: andere Staaten animieren
Das Nichteintreten zeichnete sich bereits seit Tagen ab. Als einzige der grossen Parteien hatte sich lediglich die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) für die Vorlage ausgesprochen.
Die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP), die Freisinnigen (FDP.Die Liberalen) und die Sozialdemokraten (SP) haben in den vergangenen Tagen ihre ablehnenden Haltungen mehrfach bekräftigt. Schliesslich hatte die vorberatende Wirtschaftskommission dem Plenum mit 16 zu 9 Stimmen beantragt, auf das Gesetz nicht einzutreten.
Ein Ja zum dringlichen Bundesgesetz könnte andere Staaten animieren, ähnliche Forderungen aufzustellen, sagte der freisinnige Nationalrat Ruedi Noser im Namen der Kommission. Zudem würde rückwirkend Schweizer Recht angepasst. «Selbstverständlich» bestehe die Gefahr, dass gegen weitere Banken Strafuntersuchungen eröffnet würden. Der Bundesrat verfüge aber über genügend Kompetenzen, selber zu handeln.
Druck nur kurze Zeit weg
Dass der Bundesrat die richtige Instanz dafür sei, das Problem zu lösen, zumal er als einziger die Details des Deals mit der US-Justiz kenne, betonten auch andere FDP-Exponenten. Es gehe nicht darum, die heisse Kartoffel dem Bundesrat zurück zu schieben, sondern um eine institutionell saubere Lösung, so der Tenor.
In den Augen von SVP-Nationalrat Christoph Blocher wäre ein Ja zum Gesetz ein «ungeheures Präjudiz», eine «Kapitulationsurkunde». Denn es sei der «Fluch der bösen Tat», dass sie fortdauernd Neues gebären müsse. Die Nächsten stünden vor der Tür und wollten das Gleiche. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel habe dies bereits angekündigt. Die «Lex USA» nehme nur für kurze Zeit etwas Druck weg, öffne langfristig jedoch andere Türen.
Die Banken müssten in den USA Bussen in der Höhe von acht bis zehn Milliarden Franken bezahlen, sagte Blocher. Diese Information habe er in den USA «geholt». Wenn andere Länder folgten, seien die Beträge nicht tragbar. «Im Moment dürfen Sie nicht auf die Bankiers hören.»
SP: «Blindflug»
Einen «Blindflug» nannte die sozialdemokratische Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer die Vorlage und monierte damit den Umstand, dass das Parlament keine Kenntnis hat über die Details des zwischen der Schweiz und den USA ausgehandelten Programms.
Die Banken hätten ihren US-Kunden wissentlich Beihilfe geleistet zur Steuerhinterziehung, und die bürgerlichen Parteien hätten die politische Plattform dafür geliefert, kritisierte Leutenegger Oberholzer. Die Folgen hätten sie zu tragen. Die Vorlage verlängere bloss die «Agonie des Steuerhinterziehungs-Geheimnisses». Es sei nun am Bundesrat und an den betroffenen Banken zu handeln, die SP könne zu «einem staatspolitisch dermassen unannehmbaren Gesetz» ihren Segen nicht geben.
Flächenbrand verhindern
Die Befürworter ihrerseits warnten ihrerseits vor den möglichen Folgen eines Neins. Viele Banken könnten in ihrer Existenz gefährdet sein. Für die Konsequenzen müssten dann jene die Verantwortung übernehmen, die das Gesetz versenkt hätten, sagte Martin Landolt von der Bürgerlich-Demokratischen Partei: «Ich verspreche feierlich, dass ich nicht aufhören werde, Sie daran zu erinnern.»
Es brauche eine Lösung, um einen Flächenbrand zu verhindern, sagte die Christdemokratin Lucrezia Meier-Schatz mit Blick auf die in den Steuerstreit involvierten Kantonalbanken. Darum stehe das Parlament in der Pflicht, denn die «Stabilität unseres Finanzsystems steht auf dem Spiel». Das Gesetz hingegen sorge für «Rechtssicherheit. Deshalb stimmt die CVP ohne Begeisterung für Eintreten».
Gefahr einer Eskalation
Finanzdirektorin Eveline Widmer-Schlumpf warnte vergeblich vor den Folgen eines Neins: «Es braucht eine formelle gesetzliche Grundlage, damit man das Programm, das den Banken von den USA angeboten wird, anwenden kann.»
Bei einem Nein bestünde ein «echtes Risiko, dass es zu einer Eskalation kommt». Die USA seien daran, gegen Banken, die amerikanisches Recht verletzt hätten, Strafverfahren einzuleiten.
Der Steuerstreit entzweit die Schweizer Banken, den Bundesrat und die amerikanischen Justizbehörden seit fünf Jahren. Von amerikanischer Seite sind es zwei Behörden, welche die Schweizer Banken in die Mangel nehmen: Das Justizdepartement und die Steuerbehörde Internal Revenue Service (IRS).
19. Juni 2008
Der ehemalige UBS-Banker Bradley Birkenfeld erklärt sich vor einem amerikanischen Gericht schuldig, für Kunden der Schweizer Grossbank Geld am Fiskus vorbeigeschleust zu haben.
19. August 2009
Nach einem monatelangen Tauziehen zwischen der UBS, dem Bundesrat und den US-Behörden um die Herausgabe von Namen verdächtiger Kunden einigen sich die Schweiz und die USA auf einen Vergleich. Die USA erhalten 4450 UBS-Kundendaten. Die UBS zahlt zudem eine Busse von 780 Millionen Dollar.
16. November 2010
Nach Erhalt der meisten UBS-Kundendaten zieht die US-Steuerbehörde IRS ihre zivilrechtliche Klage gegen die UBS zurück.
Februar 2011
Die USA haben neben der CS weitere Banken im Visier, darunter die HSBC Schweiz, die Basler und Zürcher Kantonalbanken, Julius Bär und die Bank Wegelin.
9. Dezember 2011
Das US-Justizministerium verlangt von Schweizer Banken auch Namen von Kundenberatern. Das schweizerische Recht verbietet aber die direkte Herausgabe von Dokumenten mit Namen von Mitarbeitenden.
27. Januar 2012
Die Besitzer der Bank Wegelin verkaufen unter dem Druck der USA ihr Nicht-US-Geschäft an die Raiffeisen Gruppe. Die Bank war als Ganzes in die Schusslinie geraten.
16. März 2012
Das Schweizer Parlament erklärt sich mit Gruppenanfragen aus den USA einverstanden und stimmt einer entsprechenden Ergänzung des Doppelbesteuerungsabkommens zu.
11. April 2012
Das Bundesverwaltungsgericht stoppt auf die Klage eines CS-Kunden die Lieferung von Kundendaten der Credit Suisse an die USA, weil seiner Ansicht nach das amerikanische Amtshilfegesuch den Anforderungen nicht genügte.
4. Dezember 2012
Die Schweiz und die USA einigen sich auf die Einführung des «Foreign Account Tax Compliance Act» (FATCA) voraussichtlich 2014. Damit wollen die USA erreichen, dass sämtliche Auslandskonten von US-Steuerpflichtigen besteuert werden können.
3. Januar 2013
Die Bank Wegelin gibt in den USA ein Schuldgeständnis ab und gesteht damit ein, Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet zu haben. Im März wird das Strafmass bekannt: Die Busse beläuft sich auf 74 Mio. Dollar.
29. Mai 2013
Der Bundesrat verabschiedet ein Gesetz zur Beendigung des Steuerstreits. Es soll die Banken – nach einem dringlichen Verfahren im Parlament – ermächtigen, direkt mit den US-Behörden zusammenzuarbeiten und einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen.
5. Juni 2013
Der Ständerat stimmt der «Lex USA» mit einigen Abänderungen überraschend klar zu.
18.Juni 2013
Mit 126 zu 67 Stimmen bei 2 Enthaltungen beschliesst der Nationalrat, nicht auf die Vorlage «Lex USA» einzutreten.
(Quelle: sda)
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