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«Zersiedelungs-Initiative ist überflüssig, unnütz und schädlich»

Swissinfo Redaktion

Die Zersiedelungs-Initiative sei viel zu radikal. Sie würde die Entwicklung der Schweiz lähmen, warnt Hans-Ulrich Bigler, Nationalrat der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP.Die Liberalen), Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes und Vorstandsmitglied im Hauseigentümer-Verband des Kantons Zürich.

Die Zersiedelungs-Initiative der jungen Grünen will nicht weniger als die heutigen Bauzonen einfrieren. Diese viel zu radikale Forderung hatte denn im Parlament auch keine Chance. Nicht mal die Sozialdemokratische Partei votierte geschlossen dafür. Auch die Grünliberalen haben der Initiative nicht zugestimmt. Das Nein ist so deutlich, dass man von einer Ohrfeige für die Initianten sprechen muss.

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Die Initiative ist überflüssig, unnütz und sogar schädlich. Die Ausscheidung neuer Bauzonen soll nur zulässig sein, wenn eine andere, unversiegelte Fläche von mindestens gleicher Grösse und vergleichbarem potenziellen landwirtschaftlichen Ertragswert aus der Bauzone ausgezont wird.

Eine solche Forderung lähmt die Entwicklung der Schweiz. Das Einfrieren der Bauzonen ohne jegliche zeitliche Beschränkung berücksichtigt weder die Bedürfnisse der Bevölkerung und der Wirtschaft, noch die Eigenheiten der Kantone und Regionen. Im Gegenteil: Sie verhindert eine harmonische Entwicklung.

Falscher Zeitpunkt

Erst am 1. Mai 2014 ist eine von den Stimmberechtigten angenommene Revision des Raumplanungs-Gesetzes in Kraft getreten. Sie wird derzeit in den Kantonen umgesetzt. Neben der Anpassung ihrer Richtpläne müssen die Kantone auch ihre Gesetze mit Blick auf die Mehrwert-Abgabe und die Verfügbarkeit von Bauland anpassen. In einigen Kantonen ist die Revision umgesetzt, in anderen ist ihre Umsetzung noch im Gang.

Hans-Ulrich Bigler
Hans-Ulrich Bigler studierte Volks- und Betriebswirtschaftslehre und absolvierte an der Harvard Business School eine Weiterbildung. Seit 2008 ist er Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV). Zudem ist er Vorstandsmitglied im Hauseigentümer-Verband des Kantons Zürich. Seit 2015 sitzt Bigler für die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP.Die Liberalen) im Nationalrat. Keystone

Eine erneute Änderung der Bauzonen macht keinen Sinn. Zuerst sollen Erkenntnisse aus der Revision des Raumplanungs-Gesetzes abgewartet werden. Zudem ist eine weitere Revision in Vorbereitung. Diese hat das Bauen ausserhalb der Bauzonen im Fokus. Die Zersiedelungs-Initiative würde diesen laufenden Prozess durchkreuzen.

Für die Kantone ungerecht

Die Zersiedelungs-Initiative ist ungerecht. Sie bestraft jene Kantone, die in der Vergangenheit haushälterisch mit dem Boden umgegangen sind und nicht auf Vorrat eingezont haben.

Weil die Initiative auf kantonale und regionale Unterschiede keine Rücksicht nimmt, sondern alles über einen Leisten schlägt, ist sie das falsche Instrument zur Bekämpfung der Zersiedelung.

Fördert Zersiedelung und ist preistreibend

Das Einfrieren der Bauzonen vergrössert das Risiko, dass Bautätigkeiten auf noch verfügbares Bauland ausserhalb der Ballungsgebiete verlagert werden. Das fördert die Zersiedelung. Damit erreichen die Initianten genau das Gegenteil von dem, was sie mit ihrem Anliegen zu erreichen vorgeben. In einigen Regionen würde das Einfrieren der Bauzonen gar zu einer gravierenden Bauland-Verknappung führen.

Die Folge wäre eine Verteuerung der Bauland-Preise und der Wohn- und Gewerbeimmobilien. Eigentum würde für die breite Bevölkerung noch weniger erschwinglich. Das liegt weder im Interesse der Bevölkerung noch der Gewerbetreibenden. Die Zersiedelungs-Initiative ist damit auch asozial.

Schutz des Kulturlandes wichtig

Mit dem Bevölkerungswachstum hat die Sensibilisierung in der Bevölkerung für den Schutz des Kulturlandes zugenommen. Heute ist kaum einer dagegen, Kulturland zu schützen. Nur muss das auf eine vernünftige Art und Weise und im Rahmen der laufenden Revisionen des Raumplanungs-Gesetzes erfolgen.

Die Zersiedelungs-Initiative hingegen ist viel zu radikal. Mit ihr wird es gar nicht möglich sein, das Bevölkerungswachstum der Schweiz durch die bestehenden Reserven und durch verdichtetes Bauen aufzufangen. Sie fordert Rückzonungen. Das werden schwierige Prozesse mit den Eigentümern. Die grosse Mehrheit der politischen Parteien und Organisationen sagt deshalb Nein zu den unvernünftigen Forderungen der Zersiedelungs-Initiative.

Landwirtschaft und Bergregionen gefährdet

Insbesondere in der Landwirtschaft führt die Zersiedelungs-Initiative zu Kollateralschäden. Sie darf aber nicht abgewürgt werden. Im Jahr 2017 haben fast 80% der Stimmenden einem neuen Verfassungsartikel zur Ernährungssicherheit zugestimmt. Diesen Verfassungsauftrag gilt es umzusetzen. Die Landwirtschaft muss möglichst viel produzieren können. Standortabhängige Gebäude, die nicht für die Landwirtschaft genutzt werden, könnten nur noch genehmigt werden, wenn sie von öffentlichem Interesse sind.

Die Initiative geht hinter das zurück, was heute möglich ist. Die innere Aufstockung wäre nicht mehr möglich. Bauten und Anlagen für die bodenunabhängige Landwirtschaft würden grundsätzlich in die Bauzone verwiesen. Es wäre nicht mehr möglich, Eier, Geflügel oder erneuerbare Energie zu produzieren.

Diese Einschränkungen würden auch die Umsetzung von Vorhaben in Tourismusregionen, wie den Bau von Bergrestaurants, schwierig machen. Die Bauern müssten auf viel teureres Bauzonenland ausweichen, was sich wiederum preistreibend auswirken wird. Insgesamt würde eine Einschränkung der bodengebundenen Landwirtschaft die Schweiz noch abhängiger von Importen machen.

Die Zersiedelungs-Initiative schiesst weit über das Ziel hinaus. Für den haushälterischen Umgang mit Bau- und Kulturland gibt es in der Schweiz genügend Regeln, weshalb die extremen Forderungen der jungen Grünen insbesondere aus Sicht der Berggebiete abzulehnen sind.

Die in diesem Artikel geäusserten Ansichten sind ausschliesslich jene des Autors und müssen sich nicht mit der Position von swissinfo.ch decken.

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