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«Steueroasen sind Gerechtigkeitswüsten»

Sollte Peer Steinbrück Bundeskanzler werden, könnte der Druck auf die Schweiz noch steigen. AFP

Steuer-CDs, das gescheiterte Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz, Offshore-Leaks: das Thema Steuergerechtigkeit hat in Deutschland in vielen Zusammenhängen Konjunktur. Die SPD macht es zum Wahlkampfthema. Eine Kampfansage an den Finanzplatz Schweiz?

Eben erst hat das Bundesland Rheinland-Pfalz die neueste Steuerdaten-CD gekauft, die in Deutschland aufgetaucht ist. Nach Angaben des rheinland-pfälzischen Finanzministeriums und der Süddeutschen Zeitung enthält sie 40’000 Datensätze von Schweizer Bankkonten. Die rheinland-pfälzischen Behörden haben sie für vier Millionen Euro erworben und rechnen nun mit rund 500 Millionen Euro steuerlichen Mehreinnahmen in ganz Deutschland.

Die CD löste eine deutschlandweite Razzia aus. Ermittelt wird aber auch gegen die Schweizer Banken der Credit-Suisse-Gruppe.

«Steuergerechtigkeit ist in einem modernen Rechts- und Sozialstaat unverzichtbar. Deswegen müssen wir konsequent gegen Steuerbetrug vorgehen», sagte der sozialdemokratische Finanzminister von Rheinland-Pfalz, Carsten Kühl laut Pressemitteilung zum Ankauf der Steuer-CD.

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Schlinge ums Bankgeheimnis zieht sich zu

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht «Die Schweiz führt ihre Weissgeldstrategie weiter», sagte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf am 10. April in einem Artikel in Le Monde, in dem sie die verschiedenen Schritte ausführte, die der Bundesrat in den letzten Jahren im Kampf gegen die Steuerhinterziehung getroffen hatte. Ein Versuch, den zunehmenden Druck auf das Bankgeheimnis etwas zu lindern: «Wir erwarten von der…

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«Die SPD ist die Partei der Steuerehrlichkeit»

Während sich Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) und die CDU-geführten Bundesländer in der Vergangenheit oft gegen den Kauf gestohlener Daten ausgesprochen haben, haben SPD-geführte Länder schon mehrere Steuer-CDs erworben, um Steuersündern auf die Spur zu kommen.

Der Sozialdemokrat Stephan Weil, seit zwei Monaten Ministerpräsident in Niedersachsen, machte den Kampf gegen Steuerbetrug Anfang dieses Jahres zum Thema im Landtagswahlkampf. Und auch die Bundes-SPD hat die Steuergerechtigkeit zum Wahlkampfthema erkoren. Als «Partei der Steuerehrlichkeit» will sie bei der Bundestagswahl im September Stimmen gewinnen.

«Für eine gerechte Steuerpolitik» lautet der Titel eines Kapitels des Wahlkampfprogramms, das die Partei vergangenes Wochenende verabschiedet hat. Darin fordert die SPD unter anderem, den Spitzensteuersatz anzuheben, eine Vermögenssteuer einzuführen sowie eine Reihe von Massnahmen gegen Steuerbetrug.

«Steuergerechtigkeit bedeutet, dass die Besteuerung nach Leistungsfähigkeit erfolgt und starke Schultern mehr tragen als schwache. Steuerehrlichkeit stellt sicher, dass dieses Prinzip für alle gilt», liest man in Wahlkampfprogramm und Grundsatzpapieren.

Nach den Enthüllungen der Offshore-Leaks veröffentlichte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ausserdem einen «8-Punkte-Plan gegen schweren Steuerbetrug und Steueroptimierung» mit dem Titel: «Steueroasen sind Gerechtigkeitswüsten».

Der 66-jährige gebürtige Hamburger Peer Steinbrück war unter anderem von 2005 bis 2009 Bundesfinanzminister.

Aus dieser Zeit stammt sein Vergleich der Schweizer mit Indianern, gegen die man die Kavallerie ausreiten lassen müsse. Diese Aussage hatte die Schweizer damals erzürnt und zu einem angespannten Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz beigetragen.

Die Kavallerie-Drohung ist den Schweizern, aber auch vielen Deutschen im Gedächtnis geblieben. Immer wieder spielen Journalisten und Politiker in Artikeln und Interviews auch heute noch darauf an, da Steinbrück den Kampf gegen Steuerbetrug zum prominenten Wahlkampfthema gemacht hat.

Steueroasen trocken legen

Konkret fordert die SPD unter anderem Strafen für in Deutschland tätige Banken, die Produkte oder Dienstleistungen anbieten, mit denen Kunden Steuern hinterziehen können. Diese sollen von Strafzahlungen bis hin zur Einschränkung oder gar dem Entzug von Banklizenzen gehen.

Die SPD will im Falle eines Wahlsieges im September ausserdem eine bundesweite Steuerfahndung aufbauen, den Umgang mit Steuer-CDs in Deutschland vereinheitlichen, Verjährungsfristen von Steuerbetrug verschärfen und sich für einen automatischen Informationsaustausch einsetzen.

«Wir wollen Steueroasen mindestens europaweit trocken legen», heisst es im Wahlkampfprogramm. «Dazu wollen wir […] den automatischen Infomationsaustausch zum Standard in Europa machen, auch im Verhältnis zu Drittstaaten wie der Schweiz.» Von Deutschland müsse eine europäische Initiative gegen Steuerbetrug ausgehen, fordert Steinbrück in seinem 8-Punkte-Plan.

Nach Zahlen der Handelskammer Deutschland Schweiz hat die Schweizer Wirtschaft im vergangenen Jahr deutlich weniger aus Deutschland importiert als in den Vorjahren. Die Einfuhren aus Deutschland sanken um 7,6%. Mit 30,6 % am Gesamtimport bleibt Deutschland aber der wichtigste Beschaffungsmarkt der Schweizer Wirtschaft.

Der Export von der Schweiz nach Deutschland stagnierte 2012. Beide Länder bleiben jedoch wirtschaftlichen eng verflochten.

Im Steuerstreit sieht die Handelskammer das wichtigste Thema zwischen Deutschland und der Schweiz.

Druck auf die Schweiz nimmt zu

Gegenüber swissinfo.ch begründet der Chef der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, die Forderungen der SPD als «Schritte in die richtige Richtung, die aber im Detail noch verfeinert werden müssen».

Mit Blick auf das in Steuerfragen ohnhein schon angespannte Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz meinte Eigenthaler, die diplomatischen Beziehungen beider Länder würden unter einem potentiellen Kanzler Steinbrück sicherlich nicht einfacher. Er gehe jedoch davon aus, dass man wieder ein gutes Nebeneinaber finden könne.

«Klar ist aber, dass ein deutsch-schweizerisches Steuerabkommen, das die Anonymität festschreibt, keine Chance mehr hat», so Eigenthaler. «Luxemburg hat die weisse Flagge gehisst, Österreich zieht nach. Da wächst auch der Druck auf die Schweiz, dem automatischen Informationsaustausch zuzustimmen.»

Ähnlich sieht es der Präsident der Handelskammer Deutschland Schweiz, Eric Sarasin. Nach dem faktischen Aus für die Abgeltungssteuer werde die Situation spannend, sagte Sarasin gegenüber der Nachrichtenagentur SDA. Unmittelbare Bewegung im Steuerstreit in Richtung eines neuen Abkommens erwartet Sarasin nicht: «Es wird eine Weile dauern.» Vor den Parlamentswahlen in Deutschland werde es eher kein Resultat geben.

Der Steuergewerkschafter Eigenthaler fordert indes jede deutsche Bundesregierung ungeachtet ihrer politischen Couleur auf, sich an die Spitze einer Bewegung für einen europaweiten automatischen Informationsaustausch zu stellen. «Seit Offshore-Leaks gewinnt die Sache an Fahrt und das Klima für Veränderungen ist gut. Die Zukunft ist der Datenaustausch, nicht mehr das Bankgeheimnis», sagt Eigenthaler.

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