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Journalisten besser schützen – mit internationaler Konvention

Demonstrierende Journalisten in Mexiko
"Ich bin kein Verbrecher, ich bin ein Journalist": Journalistinnen und Journalisten demonstrieren in Mexiko für besseren Schutz in ihrem Beruf. Mexiko ist eines der tödlichsten Länder für Medienschaffende. Reuters

Journalistinnen und Journalisten leben gefährlich: Seit 1990 sind weltweit 2469 Journalistinnen und Journalisten in Ausübung ihres Berufs ums Leben gekommen. Der Internationale Journalisten-Verband (IFJ) schlägt dem UNO-Menschenrechtsrat in Genf eine Konvention zum besseren Schutz dieser Berufsgruppe vor.

Daphne Caruana Galizia: 2017 in Malta in ihrem Auto per ferngezündete Bombe in die Luft gesprengt. Jan Kuciak: 2018 in der Slowakei zusammen mit seiner Partnerin mit Schüssen hingerichtet.

Die kaltblütigen Morde an den beiden Investigativ-Journalisten zeigte den Menschen in Europa, dass diese Berufsleute auch in Ländern aus dem Weg geräumt werden, die als Demokratien gelten und keine Diktaturen sind.

Die Weltöffentlichkeit endgültig wachgerüttelt hat die bestialische Tötung des saudischen Journalisten Jamal Kashoggi. Er war im letzten Oktober unter einem Vorwand in die Botschaft Saudi Arabiens in der Türkei gelockt worden, wo er im Inneren durch ein eigens angereistes Killer-Kommando getötet worden war.

Die Toten sind aber nur die eine Seite. Hunderte Journalisten sind inhaftiert, viele unter unmenschlichen Bedingungen. Oder sie werden Opfer von Cyberattacken und Online-Hasskampagnen.

Jetzt reagiert der Internationale JournalistenverbandExterner Link (IFJ): Er stellt am Dienstag vor dem UNO-Menschenrechtsrat in Genf eine internationale Konvention zum Schutz dieser BerufsgruppeExterner Link vor.

Es sind aber auch «kalte», unblutige Entwicklungen, welche die Qualität und Praxis des Journalismus gefährden: Digitalisierung, Medienkonzentration, Abbau von sozialen Leistungen seitens der Verleger und Entlassungen.

Das Internationale Übereinkommen über die Sicherheit und Unabhängigkeit von Journalisten und anderen Medienfachleuten hat zum Ziel, neue Mechanismen zur Bewältigung dieser Herausforderungen einzuführen.

Aber wie sollen die Reporterinnen und Reporter besser geschützt werden? swissinfo.ch sprach mit Anthony Bellanger, Chef des IFJ , dem 600’000 Mitglieder aus 140 Ländern angehören.

swissinfo.ch: Warum ist ein solches Abkommen nötig?

 Anthony Bellanger: Wir machen uns Sorgen, dass sich die Situation der Journalisten weiter verschlimmert. Viele wurden ermordet: 97 Fälle allein im Jahr 2018. Viele andere werden belästigt, bedroht oder verhaftet. Heute sind weltweit über 400 Kolleginnen und Kollegen inhaftiert, allein 160 in der Türkei.

Wie in Artikel 1 unserer KonventionExterner Link hervorgehoben, verpflichten wir uns, den Schutz sowohl in bewaffneten Konflikten als auch in friedlichen Ländern zu verbessern.

swissinfo.ch: Auch in demokratischen Ländern?

A.B.: Ja, wir verpflichten uns, Rahmenbedingungen zu schaffen und einzuhalten, damit die Journalisten frei und unabhängig arbeiten können. Die entscheidende Rolle kommt dabei den Staaten zu.

Anthony Bellanger
Anthony Bellanger: Der französische Journalist, Historiker und Gewerkschafter ist Generalsekretär des Internationalen Journalistenverbandes (IFJ). swissinfo.ch

swissinfo.ch: Wie soll sich die Schweiz zur neuen Konvention stellen?

A.B.: Die Schweiz ist eines jener Länder, in denen Journalisten absolut sicher und unabhängig arbeiten können. Sie sind nicht der Gefahr ausgesetzt, wegen Ermittlungen oder Kritik an der Regierung getötet oder inhaftiert zu werden. Es ist dies die Frucht einer echten demokratischen Tradition.

Wie in anderen demokratischen Ländern kann es jedoch Formen sozialer Gewalt geben, die wir nicht vergessen und im Auge behalten sollten.

swissinfo.ch: Was meinen Sie konkret?

A.B.: Ich denke an die Entlassungen: Hunderte von Journalisten wurden aus dem Beruf ausgeschlossen. Für die anderen bleibt die Gefahr des Arbeitsplatzverlusts, eine Unsicherheit, die sich oft auch belastend auf ihre Familien auswirken kann.

Wir haben das 2018 bei der Schweizerischen Depeschenagentur Keystone-SDA gesehen. Dort gab es schon einen erheblichen Personalabbau, der noch nicht abgeschlossen ist. Oder beim Konflikt, der auf das Aus der Printausgabe der Zeitung Le Matin folgte. Hier wurden 41 Journalistinnen und Journalisten auf die Strasse gestellt.

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Ganz zu schweigen vom Risiko der «No-Billag»-Initiative im vergangenen Jahr, die für das öffentliche Radio und Fernsehen in der Schweiz ein Schlag gewesen wäre.

Schliesslich ist es beunruhigend, dass Journalisten im deutschsprachigen und italienischsprachigen Raum der Schweiz seit mehr als einem Jahrzehnt ohne Gesamtarbeitsvertrag dastehen. Das ist eine klare Schwächung ihrer Arbeitsbedingungen.

Dies sind Beispiele, wie sich die zunehmend härter werdenden sozialen Bedingungen negativ auf die Journalisten auswirken. Dies ist auch in der Schweiz Realität.

Wir vom IFJ und die angeschlossenen Organisationen prangern diese Entwicklung an und fordern in unserem Vorschlag des Internationalen Übereinkommens den Schutz der physischen und sozialen Sicherheit der Journalisten.

(Übertragung aus dem Französischen: Renat Kuenzi)

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