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Wenn die Parteien auf die Fünfte Schweiz schielen

Ein gewisses Faible für die Schweizer Folklore, aber auch der Wille zur politischen Teilnahme in ihrem Herkunftsland: von den über 700'000 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern haben sich über 150'000 in den Stimm- und Wahlregistern eingetragen. Emanuel Ammon/AURA

Die Anzahl der in Stimmregistern eingetragenen Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer nimmt stetig zu. Dieses Wählersegment interessiert auch die Parteien, die nächstes Jahr versuchen werden, die Stimmen der Fünften Schweiz zu gewinnen.


1992, als das briefliche Stimm- und WahlrechtExterner Link eingeführt wurde, hatten sich 14’000 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in den kantonalen Stimmregistern eingetragen. Ende 2013 waren es über 155’000. Dies kommt einem mittelgrossen Kanton gleich, wie etwa Tessin oder Wallis.

«Die Auslandschweizer-Community ist beachtlich gross und wächst stetig weiter. Als Wähler- beziehungsweise Stimmenpotenzial ist das für eine Partei durchaus interessant», sagt Thomas Jauch, Kommunikationsverantwortlicher der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP).

Zunehmende Präsenz

Einige der Parteien sind im Ausland besonders aktiv. Eine davon ist die Schweizerische Volkspartei (SVP). «Vor sieben Jahren hatten wir noch keine hundert Mitglieder. Bei der SVP International sind heute gut 400 Mitglieder gemeldet», sagt Miriam Gurtner, Geschäftsführerin der SVP International. «Aktive Sektionen haben wir in Spanien, Costa Rica, der Elfenbeinküste und Südafrika. Ausserdem planen wir eine Gründung in den USA und in Liechtenstein. Weitere Länder sind angedacht.»

Die Sozialdemokratische Partei (SP) International, die etwa hundert Mitglieder zählt, hat in den letzten Monaten fünf Ableger gegründet, in Paris, Berlin, Rom, Tel Aviv und Buenos Aires. «Das Ziel ist, auch über die Mitglieder hinaus die Schweizer Gemeinschaft im Ausland zu erreichen», sagt Walter Suter, Präsident der Sektion SP International.

Der internationalen Abteilung der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP.Die Liberalen) gehören etwa 120 Personen an. «Mit etwa 20 Mitgliedern mehr pro Jahr nimmt unser Bestand stetig zu», sagt François Baur, Präsident von FDP.Die Liberalen International.

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Wegen fehlenden Mitteln haben die CVP, die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP) und die Grünliberale Partei (GLP) auf die Schaffung einer internationalen Sektion verzichtet. Das heisse aber nicht, dass man die Fünfte Schweiz vergesse: «Im CVP-Parteipräsidium ist ein Mitglied speziell zuständig für den Bereich Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer», betont Jauch.

Internet, aber nicht nur

Im Vorfeld der Eidgenössischen Wahlen vom Oktober 2015 sind die Parteien aber noch daran, ihre Strategien zu verbessern, um mehr Einfluss unter den Schweizer Expats zu gewinnen. Soziale Netzwerke, das Internet und die per Post zugeschickten Wahlunterlagen bekleiden eine wichtige Rolle in der Kampagne.

Die Kommunikation auf Distanz ersetzt aber nicht den traditionellen persönlichen Kontakt. «Nächstes Jahr wollen wir erstmals am Auslandschweizer-Kongress teilnehmen», sagt Caroline Brennecke, Koordinatorin Suisse Romande bei der BDP.

Thomas Jauch ergänzt: «Ausserdem referieren immer wieder Mitglieder unserer Bundesfraktion in Schweizer Botschaften oder Schweizer Vereinen im Ausland, beispielsweise anlässlich der 1.-August-Feier.»

Immer mehr «ausländische» Kandidaten

Um die Fünfte Schweiz besser als Wahlgremium einzubeziehen, präsentieren einige Parteien erneut in verschiedenen Kantonen Kandidierende aus der Diaspora. Eine Strategie, die immer mehr an Fahrt gewinnt: Die Anzahl Kandidierender stieg von einer Person (1999) auf 17 bei den Wahlen 2003, 44 im Jahr 2007 und 81 bei den letzten Nationalratswahlen 2011Externer Link.

Die Chancen auf eine Wahl allerdings liegen praktisch bei null. Denn in der Schweiz gibt es keinen speziellen Wahlkreis für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, wie etwa in Italien. Die Kandidierenden müssen sich auf kantonalen Listen präsentieren.

«Einzelne Kandidaten haben respektable Ergebnisse erzielt, wenn auch natürlich weit von einem Sitzgewinn entfernt», sagt Miriam Gurtner. «Hierbei kommt es natürlich vor allem auf die Bekanntheit der Kandidaten an.» Die SVP International präsentierte 2011 50 Kandidaten in acht Kantonen.

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Für die Grünen können solche Listen von «ausländischen» Kandidaten auch die internationale Zusammenarbeit mit ihren Schwesterparteien verstärken. «Die Genfer Grünen haben 2011 eine Liste mit grünen GrenzgängernExterner Link präsentiert. Das war ganz sicher eine gute Strategie, auch um die Zusammenarbeit mit den Grünen in Frankreich zu verbessern. Heute können wir davon profitieren, beispielsweise im Rahmen der Kampagne gegen Schiefergas», sagt Miriam Behrens, Generalsekretärin der Grünen Schweiz.

Falls jedoch eine Partei keine oder nur wenige Auslandschweizer-Kandidierende hat, wie zum Beispiel 2011 die FDP.Die Liberalen (eine Kandidatin im Kanton Zürich), kann sie auch noch auf einem anderen Register spielen: «Als FDP.Die Liberalen International haben wir ein Dutzend Kandidaten gefördert, die in der Schweiz leben, sich aber aktiv für die Sache der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer einsetzen, und so eine Art ‹virtuelle Liste› geschaffen», erklärt François Baur.

Klar, die Auslandschweizer haben noch nie eine Wahl entschieden. Trotzdem könnten die Stimmen der Auslandgemeinde für eine Partei einmal «einen Unterschied machen», wie Ariane Rustichelli sagt, die Ko-Direktorin der Auslandschweizer-Organisation (ASO)Externer Link.

«Jede Stimme zählt, besonders in einem proportionalen System wie dem unseren», erklärt Walter Suter. «Wir hatten einen konkreten Fall im Kanton Genf, wo die etwa 500 Stimmen der Kandidierenden auf der internationalen Liste den dritten Sitz der SP gerettet haben.»

Gewisse Themen hervorheben

Diese Kandidaturen erlaubten den Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern auch und zuallererst, auf jene Interessen aufmerksam zu machen, die ihnen am Herzen lägen, unterstreicht Rustichelli.

«Die Listen der SVP International haben geholfen, die Anliegen der Auslandschweizer auch im Wahlkampf einzubringen; Anliegen, die in der politischen Diskussion häufig untergehen», sagt Gurtner.

Dies alles scheint Früchte zu tragen. So steht beispielsweise eine von sieben Forderungen im » Wahlmanifest 2011″ der ASO kurz vor der Inkraftsetzung: Im September 2014 hat das Parlament das Auslandschweizer-Gesetz definitiv gutgeheissen. Dieses vereinigt in einem einzigen Text alle Bestimmungen über die Auslandgemeinde.

Zudem hat sich die Ausübung der politischen Rechte verbessert. «Zwar wird es für die Wahlen 2015 nicht ein generelles E-VotingExterner Link geben, wie wir das verlangt haben. Trotzdem wird der Grossteil der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer elektronisch wählen können», sagt Rustichelli.

Was die Restrukturierung der Schweizer Konsulate betreffe, habe man die Welle der Schliessungen etwas abdämpfen können. «Es gab im Parlament verschiedene Interventionen gegen diese Schliessungen, und etwa in der Hälfte der Fälle war das Ergebnis positiv», so Rustichelli.

Ein weiterer wunder Punkt sind Bankkonten in der Schweizer Heimat. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 und der darauf folgenden Offensive der USA gegen Steuerflucht akzeptieren viele Schweizer Banken keine Konten von Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern mehr.

Dies soll sich nun bald ändern: Im September hat der Nationalrat – gegen den Willen der Regierung – eine Motion von Roland BüchelExterner Link, SVP-Nationalrat und Mitglied im Auslandschweizerrat, gutgeheissen. Diese verlangt, dass «alle Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer bei Postfinance ein Konto eröffnen und zu vernünftigen Bedingungen unterhalten können». Die Motion muss allerdings noch die Hürde des Ständerats meistern.

Eine weitere Motion, die ein ähnliches Verhalten von den Grossbanken verlangt, ist in Arbeit. Ein Thema, bestätigt Gurtner, das bei den Wahlen im nächsten Jahr zweifellos im Mittelpunkt der Kampagne ihrer Partei stehen wird.

(Übertragen aus dem Italienischen: Christian Raaflaub)

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