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«Wir werden nie eine Koranschule sein»

Freiburg ist die erste Universität der Schweiz mit einem Zentrum für Islam und Gesellschaft. Keystone

Das kürzlich eröffnete Zentrum für Islam und Gesellschaft an der Universität Freiburg will ein Ort intellektueller und kritischer Diskussionen über den Islam werden. Die Imame der Schweiz – aber nicht nur sie – sollen dort mit den schweizerischen Werten, dem Recht und der Geschichte des Landes vertraut werden. Interview mit dem Direktor.

Der christliche Theologe Hansjörg Schmid hat zahlreiche Publikationen über den Stellenwert des Islams in Europa und den islamisch-christlichen Dialog veröffentlicht. Seit dem 1. Januar ist er Direktor des Zentrums für Islam und Gesellschaft an der Universität Freiburg (ZIG).

Wäre es nicht besser, die Schweiz würde ihre Imame selber ausbilden, als sie zu «importieren, so wie das der Berner Imam Mustafa Memeti fordert?

Das ist eine Debatte, die wir mit den muslimischen Verbänden der Schweiz werden führen müssen. Sicher ist, dass das ZIG nie eine Koranschule sein wird. Es ist ein universitäres Institut, in dem kritische Debatten über den Islam durchgeführt werden.

Die Universität könnte hingegen in der Zukunft Kurse zur islamischen Theologie und über das islamische Denken anbieten. Aber eine Imamausbildung können wir nicht anbieten. Zum Vergleich: Priester absolvieren ein Studium an der Universität, gleichzeitig besuchen sie auch Seminare, um die praktische Arbeit zu lernen. Vielleicht ist das ein Modell für die Zukunft. Die Universität bietet die wissenschaftliche Ausbildung an, und die muslimischen Verbände führen Seminare durch. Aber ich denke, wir sind noch nicht so weit.

Die Freiburger SVP lanciert eine Volksinitiative gegen das Zentrum für Islam und Gesellschaft. Das hat der Zentralvorstand der Kantonalpartei einstimmig beschlossen.

Mit der Volksinitiative will die Partei die Kantonsverfassung so anpassen, dass das Zentrum geschlossen und zudem auch jede staatliche Ausbildung für Imame verunmöglicht wird.

Bei der Versammlung betonten mehrere Anwesende die katholische Tradition der theologischen Fakultät der Universität Freiburg. Mehrere Redner verwahrten sich gegen jede Islamophobie, zeigten sich aber misstrauisch gegenüber den langfristigen Zielen des Zentrums.

Sie fürchteten insbesondere, der Kanton Freiburg könnte dereinst Imame ausbilden. In früheren Dokumenten der Kantonsregierung sei von der «Ausbildung von Imamen» die Rede gewesen, sagte Parteipräsident Roland Mesot.

Mustafa Memeti hat auch erklärt, kein Imam sollte ohne eine staatliche Bewilligung predigen dürfen. Dürfen sich die Behörden überhaupt in religiöse Dinge einmischen?

Das ist in der Türkei der Fall. Dort sind die Imame vom Staat angestellt und verpflichtet, einen offiziellen Islam zu predigen. Doch die Schweiz ist ein Staat, in dem Kirche und Staat voneinander getrennt und garantiert sind. Ich bin der Meinung, dass sich der Staat nicht in kirchliche Angelegenheiten einmischen darf, ausser, wenn Gesetze verletzt werden.

Vielleicht kann man eine Lösung aushandeln, so dass in Zukunft die Imame über ein universitäres Diplom verfügen müssen. Doch das erfordert eine Debatte über die Rolle der Imame, die nicht dieselbe Funktion haben wie ein Pfarrer in der christlichen Tradition sie hat.

Welche Rolle hat ein Imam?

Er führt das Gebet und rezitiert den Koran. In der Schweiz hat er vielfach auch die Rolle eines Sozialarbeiters. Man kommt zu ihm, um über die Probleme der Kinder in der Schule zu reden. Man vertraut ihm seine persönlichen Sorgen an. Es gibt Imame, die sind auf diese Aufgabe sehr gut vorbereitet, andere sind es überhaupt nicht.

In Europa ist der Imam oft auch der Vertreter der Gemeinschaft gegenüber den Behörden, der Verwaltung und den Medien. Um diese Aufgaben zu erfüllen, muss er das System gut kennen. Das ZIG könnte dazu beitragen, die Situation zu verbessern.

Es gibt ein Missverständnis über die Ziele des ZIG. Zuerst wurde es als Ausbildungszentrum für Imame präsentiert. Danach präzisierte man, es richte sich an ein breiteres Publikum. An welche Art von Studenten wenden Sie sich und wie werden sie ausgebildet?

Unser Weiterbildungsprogramm richtet sich an Imame und an die Verantwortlichen der Moscheen, aber auch an Personen, die beruflich mit Muslimen in Kontakt kommen, sei es in Spitälern, Gefängnissen oder in der Verwaltung.

Ab Februar werde ich Kurse geben zum Thema der Religionen in Europa und über deren Beitrag zu einer europäischen Identität. Muslimische Intellektuelle werden zudem über den Stellenwert und über die Integration des Islams in Europa diskutieren. Schliesslich wird ein muslimischer Theologie ab Herbst einen Einführungskurs in das islamische Denken in Europa geben.

Wir müssen auch die Schweizer Muslime dahingehend ausbilden, dass sie ihre Religion an einer Universität lehren können. Wir hoffen, ihnen die Möglichkeit anzubieten, eine Doktorarbeit zu schreiben. Mit diesem Projekt wollen wir ein Ort der intellektuellen und kritischen Diskussionen über den Islam werden.

Für einige Leute ist der Islam nicht mit der Demokratie vereinbar, weil er zu totalitär sei. Wie sehen sie das?

Zahlreiche muslimische Vordenker haben eine sehr positive Meinung zur Demokratie und zu den Menschenrechten. Und die grosse Mehrheit der in Europa lebenden Muslime ist glücklich, in einem System zu leben, das ihnen grössere Freiheiten und mehr Rechte einräumt –vor allem auch das Recht, ihre Religion auszuüben.

Das hält allerdings viele junge Leute nicht davon ab, für den Islamischen Staat zu kämpfen.

Ich habe Mühe, das zu verstehen. Ich denke, dass hier ausserreligiöse Faktoren eine grössere Rolle spielen, als religiöse. Diese Leute sind mit gravierenden Konflikten im Zusammenhang mit dem Erwachsenwerden konfrontiert. Sie fühlen sich ausgestossen und sehen keine Perspektiven. Zum Glück machen sie lediglich eine kleine Minderheit aus. Sie machen Angst, aber man muss sich davor hüten, das Phänomen zu generalisieren.

Das Klima gegenüber dem Islam ist zu Zeit eher feindlich. Die Schweizerische Volkspartei lanciert eine Volksinitiative gegen das  Zentrum.Macht Ihnen das Sorgen?

Ich verstehe, dass es Befürchtungen gibt, aber es gibt auch viele Sympathien. Viele Politiker, Professoren und Muslime haben mir gesagt, nach den Ereignissen von Paris brauche es zusätzliche Anstrengungen, um den Islam zu integrieren. Wir müssen uns daran beteiligen, und ich glaube, dass es wichtig und richtig ist, den Muslimen die Möglichkeit anzubieten, sich an der Universität mit ihren religiösen Traditionen auseinanderzusetzen. So wie das Katholiken und Reformierte auch können.

Es gibt Befürchtungen, dass auch zweideutige Persönlichkeiten in Freiburg lehren könnten. Wie werden Sie die Auswahl treffen?

Ich habe während zwölf Jahren in einem deutschen Zentrum Konferenzen und Studienprogramme organisiert und achtete immer darauf, wen man einladen konnte. Für mich ist die akademische Qualifikation ein zentrales Kriterium.

Die Universität muss keine Prediger einladen. Wir sind in Kontakt mit der islamischen Fakultät der Universität Sarajevo, die über viele und wertvolle Erfahrungen verfügt. Diese sind umso wertvoller, als dass die meisten Muslime in der Schweiz vom Balkan stammen. Sie wissen, wie das Leben in einem säkularen Staat organisiert ist.

Man muss aber auch auf eine gewisse Vielfältigkeit achten. Es gibt fortschrittliche und konservative muslimische Forscher. Man kann nicht nur die Einen einladen. Es braucht Debatten in einem wissenschaftlichen Rahmen.

(Übersetzung aus dem Französischen: Andreas Keiser)

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