50 Jahre Hilfe für Madagaskar – wie weiter?
Seit den 1960-er Jahren hat die Schweiz fast eine halbe Milliarde Franken für die Entwicklungshilfe in Madagaskar ausgegeben. Ende 2012 wird die Unterstützung beendet. Auf der Insel glaubt man, dass die Schweizerischen Projekte nachhaltig wirken.
Bald beginnt ein neues Kapitel in der fast 50-jährigen Geschichte der Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Madagaskar. In etwas mehr als einem Jahr endet nämlich das letzte Spezialprogramm, das von der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit finanziert wird. Die finanzielle Unterstützung beläuft sich danach nur noch auf 1,5 Millionen Schweizer Franken jährlich.
«Streng genommen werden wir Ende 2012 das Land verlassen. Wir hoffen jedoch, dass wir ein kleines Feuer noch am Leben behalten können», unterstreicht Lukas Frey, Projektleiter bei der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA). Wir sind jedoch weit entfernt der Budgets von 15 bis 20 Millionen Franken aus den 1980er- und 1990er-Jahre, als das schweizerische Engagement seinen Höhepunkt erreichte.
Die Ermordung von Walter Arnold im Jahr 1996, einem Mitarbeiter der Entwicklungszusammenarbeit, der im Strassenbau tätig war, bedeutete eine abrupte Wende und läutete das Ende der Entwicklungszusammenarbeit ein. Das Medienecho und die mangelnde Bereitschaft auf madagassischer Seite, die Schuldigen zu suchen, führte damals dazu, dass das Schweizer Parlament Madagaskar als Schwerpunktland von der Liste strich.
Unruhen
Die Auswirkungen des im Jahr 2000 getroffenen Entscheids treten heute deutlich zu Tage, zumal Madagaskar seit dem Sturz des Regimes, der von Andry Rajoelina , den Bürgermeister der Hauptstadt Antananarivo herbeigeführt wurde, eine der schlimmsten Krisen seiner Geschichte durchlebt.
«Der Rückzug ist ein schlechtes Signal für die bilaterale Zusammenarbeit anderer Länder, denn die Schweiz war eine Pionierin in unserem Land», so Mamy Andriatiana, Journalist bei der Presseagentur Médiascope, gegründet von der Schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit.
Die finanziellen Sanktionen der internationalen Gemeinschaft an die Adresse der Übergangsregierung verschlimmerten die Situation zusätzlich. Sie haben einen unmittelbaren Einfluss auf die Bevölkerung und bedrohen die Ernährungssicherheit. Jeder zweite Madagasse ist davon betroffen, berichtet der UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung.
«Der Zeitpunkt ist unglücklich und wir verstehen die Sorge, unterstreicht Nicola Felder, Vertreterin der DEZA in Madagaskar. Die Schweiz informiert übrigens ihre Partner regelmässig über die negativen Auswirkungen von internationalen Sanktionen. Wenn das Funktionieren eines Staates zu 70% nur dank der Hilfe von aussen gewährleistet ist, dann leiden die Ärmsten am meisten, wenn der Geldhahn zugedreht wird».
Ein verantwortungsvoller Rückzug
Obwohl der Rückzug der Schweiz bedauert wird, sei er zu verantworten. Er bedeutete nicht den totalen Bruch mit Madagaskar. Dies jedenfalls ist die Botschaft des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Es bestätigt, dass der Botschafter auf seinem Posten verbleiben wird. Er und seine Amtskollegen aus Deutschland und Frankreich werden die letzten westlichen Diplomaten auf der Insel sein.
Die schweizerische Entwicklungszusammenarbeit bewilligte ein kleines Budget, das den Erfolg des Projektes SAHA langfristig sichern soll. Das Programm zur ländlichen Entwicklung endet nach zehn Jahren. Das Ziel des Projektes, das von der Schweizer Stiftung Intercooperation umgesetzt wurde, ist die Unterstützung einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung und der Kampf gegen die Armut. Die Tätigkeit richtete sich namentlich auf die Stärkung von Organisationen und sich anbietenden Wirtschaftszweigen im ländlichen Raum, aber auch auf die Verbesserung der lokalen Gouvernanz und den Kampf gegen die Korruption.
Die richtige Wahl
Wenn auf sozio-organisatorischer Ebene gehandelt wird, bleibt das Wissen auch nach einem finanziellen Rückzug erhalten. «Unser Rückzug ist also sinnvoll . Es ist nicht so, dass wir die Infrastrukturen ohne Unterhalt zurücklassen», erklärt Lukas Frey. «Die Bevölkerung und die Behörden sind nun nicht mehr nur Assistenten, sondern werden zu Verantwortlichen ihrer eigenen Entwicklung», unterstreicht Parfait Randrianitovina, Gouvernanz-Expertin und Angestellte des SAHA.
Geschichte. Die Schweizerische Entwicklungszusammenarbeit in Madagaskar geht auf das Ende der 1960er Jahre zurück, entwickelte sich in den 1970er Jahren weiter und führte zur Eröffnung eines Büros auf der grossen Insel. Während den 1980er Jahren setzte die schweizerische Entwicklungszusammenarbeit den Schwerpunkt ihrer Aktivität auf die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen, die landwirtschaftliche Forschung, auf Trinkwasser und Gesundheit.
Rückzug. Nach der Ermordung des Schweizer Entwicklungshelfers Walter Arnold im Jahr 1996 schloss die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) ihr Büro in Antananarivo und Madagaskar wurde von der Liste der Schwerpunktländer gestrichen. Trotzdem lancierte sie drei Jahre später das Spezialprogramm SAHA . Das Programm, das 2012 abgeschlossen wird, unterstützt die lokale Gouvernanz, fördert die lokale Wirtschaft. Die Schweiz wird danach weiterhin einige Aktivitäten mit einem Beitrag von 1,5 Millionen Franken unterstützen.
Austausch. In Madagaskar leben rund 420 Schweizer Bürger, 26% davon besitzen die doppelte Staatsbürgerschaft. Der Handel zwischen den zwei Ländern ist sehr bescheiden. Der Export belief sich 2009 auf 2,9 Millionen Franken, der Import, vor allem von Produkten aus der Landwirtschaft, auf 6,19 Millionen Franken.
(Übertragen aus dem Französischen von Christine Fuhrer)
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