Wie viel verdienen Parlamentarier?
"Wir haben eines der weltweit preiswertesten Parlamente": Ein Satz, den man in der Schweiz immer wieder hört. Aber wo stehen die Schweizer Abgeordneten im Vergleich zu ihren Kolleginnen und Kollegen im Ausland wirklich? Und welche Parlamentarierinnen und Parlamentarier verdienen am meisten? Eine Spurensuche.
Die Frage der Entlöhnung von Abgeordneten taucht regelmässig wieder auf. Kürzlich kam das Thema wieder aufs Tapet, als der freisinnige Zuger Ständerat Joachim Eder in einer parlamentarischen InitiativeExterner Link verlangte, dass für nicht erfolgte Übernachtungen keine Übernachtungsentschädigungen mehr verlangt werden dürften.
Einige Monate zuvor hat Nationalrat Hans Grunder von der Bürgerlich-Demokratischen Partei (BDP) ebenfalls eine parlamentarische InitiativeExterner Link eingereicht, in der er eine Amtszeitbeschränkung für Abgeordnete forderte. Er ist der Meinung, «unser Parlament verkommt schleichend zu einem Berufsparlament». Das will Grunder verhindern.
Während es heute noch ein Miliz Parlament ist – so strukturiert, dass seine Mitglieder neben ihrem politischen Auftrag weiterhin einem anderen Beruf nachgehen können –, hat sich das Schweizer Parlament in den letzten Jahrzehnten dennoch zusehends professionalisiert. Durchschnittlich fordert ein Mandat im Nationalrat (grosse Parlamentskammer) eine Mindestarbeitszeit von 50% einer Vollstelle, ein Mandat im Ständerat sogar von 70%.
Spitzenreiter Italien
Tatsächlich ist das Bezugssystem für RatsmitgliederExterner Link in der Schweiz so gestaltet, dass jene, die sich ganz der Politik widmen wollen, keine Angst haben müssen, Ende Monat nicht mehr genügend Geld zu haben.
Jede und jeder Gewählte erhält ein Jahreseinkommen von 26’000 Franken. Dazu kommt ein Taggeld von 440 Franken für jeden Sitzungstag im Parlament, in Kommissionen oder parlamentarischen Gruppen. Im Schnitt kommt man mit diesen Taggeldern auf eine Summe von jährlich etwas unter 40’000 Franken. Mit anderen Worten kommt ein Schweizer Nationalrat* ohne Spesenvergütung auf ein Jahreseinkommen von etwa 66’000 Franken (gegenwärtig 60’000 Euro).
Viel oder wenig? Im Vergleich zum Durchschnittseinkommen in der Schweiz – gemäss Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) von 2014 waren dies 50’300 Euro – scheint der Unterschied klein. Vergleicht man aber mit den ausländischen Parlamentarierinnen und Parlamentariern, wird dieser hingegen enorm.
In Italien verdient ein Parlamentsmitglied fast dreimal so viel wie sein Schweizer Kollege. SalärExterner Link und Taggelder belaufen sich in Italien auf über 165’000 Euro brutto pro Jahr, während der «Durchschnittsbürger» im Schnitt fünf Mal weniger verdient (30’600 Euro).
Vergleicht man den Durchschnittslohn eines Landes mit jenem der Parlamentarier, so stehen die brasilianischen Abgeordneten am besten da: Sie verdienen zehn Mal so viel wie ein durchschnittlicher Bürger. Im Gegensatz dazu geht es den spanischen AbgeordnetenExterner Link weniger gut. Deren feste Vergütung ist praktisch identisch mit dem Medianlohn in ihrem Land und damit die tiefste in ganz Europa.
Lohn kann sich verdoppeln
Das Basiseinkommen ist aber nur ein Bestandteil des Einkommens der Parlamentarier. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Arten der Kostenerstattung –unmöglich in einer Grafik darzustellen, da jedes Land ein anderes System kennt – kann das Einkommen praktisch verdoppelt werden.
Das ist auch in der Schweiz der Fall. Dank Spesenentschädigungen für Verpflegung, Übernachtung, Reisen (Generalabonnement für den öffentlichen Verkehr) sowie einer jährlichen Summe von 33’000 Franken als Beitrag an Personal- und Materialkosten kommt ein Nationalrat oder eine Nationalrätin pro Jahr auf 50’000 Euro zusätzlich, womit wir bei einer Summe von rund 110’000 Euro sind. Und das selbst dann, wenn auf einen persönlichen Mitarbeiter verzichtet wird. Dieser Beitrag wird pauschal vergütet, während in anderen Ländern eine Begründung verlangt wird.
Und die Europarlamentarier?
Alle Abgeordneten des Europäischen ParlamentsExterner Link erhalten im Rahmen eines 2009 in Kraft getretenen Statuts die gleiche Bezahlung. Ein bulgarischer Europarlamentarier erhält somit das gleiche Gehalt wie ein Engländer, auch wenn die Lebenshaltungskosten in den beiden Ländern völlig unterschiedlich sind.
Seit Juli 2015 verdient jeder Europarlamentarier 8213 Euro brutto pro Monat (98’556 Euro pro Jahr).
Dazu kommen pauschal 4230 Euro monatlich zur Deckung der laufenden Ausgaben (50’760 Euro pro Jahr).
Insgesamt kommt ein europäischer Parlamentarier somit jährlich auf 149’316 Euro.
Darüber hinaus zahlt das Europäische Parlament ein Taggeld von 306 Euro und erstattet bei Vorlage eines Belegs die Reisekosten.
In Italien hat jeder Parlamentarier bis zu 62’000 Euro zur Verfügung, um seine Kosten zu decken. Zusätzlich zu den Vergütungen für Personalkosten (die bis zu 50% begründet werden müssen), Telefon- oder Reisespesen erhalten die Abgeordneten eine Karte zur freien Fahrt mit Bahn, Schiff und Flugzeug auf dem gesamten Territorium. Hinzu kommen weitere Privilegien wie etwa Gratishaarschnitte bei Coiffeuren im Parlamentsgebäude.
Nicht schlecht da stehen auch die Deutschen, Franzosen und Briten. In Deutschland etwa erhält jedes Mitglied des BundestagsExterner Link jährlich 52’000 Euro und bis zu 239’000 Euro für persönliche Mitarbeiter. Im Gegensatz zu Italien bezahlt allerdings die Bundestagsverwaltung die von den Abgeordneten eingestellten Mitarbeitenden direkt.
In FrankreichExterner Link beläuft sich die so genannte «Repräsentativzulage für Mandatskosten» auf fast 70’000 Euro pro Jahr, während für persönliche Angestellte 114’000 Euro zur Verfügung stehen. Und natürlich haben Abgeordnete ein Anrecht auf freie Fahrt in der ersten Bahnklasse in ganz Frankreich und bis zu 80 Inlandflüge.
Rückzahlungen in Millionenhöhe
In Grossbritannien kann sich jeder Abgeordnete über die Aufwandspauschale von 14’500 Euro pro Jahr hinaus alle Ausgaben, die mit seiner parlamentarischen Aktivität zu tun haben, zurückvergüten lassen. Im Schnitt sind dies 115’000 Euro pro Jahr. Grossbritannien ist eines der transparentesten Länder: Auf einer InternetseiteExterner Link kann jeder einzelne Ausgabenposten eines jeden Parlamentariers überprüft werden. London musste 2009 aus der Deckung kommen, als in einem Artikel darüber berichtet wurde, wie kreativ einige Parlamentarier des Unterhauses mit Steuergeldern umgegangen waren.
Solche Transparenz herrscht auch in den USA, was allerdings die Abgeordneten nicht daran hindert, bei Rückforderungen von persönlichen Auslagen, Reise- und Materialspesen weltmeisterlich zuzulangen. Neben einem jährlichen Einkommen von 153’000 Euro müssen Kongressabgeordnete nicht aufs Geld schauen: 2012 erhielt jeder und jede Abgeordnete im Schnitt 1,15 Millionen Euro.
Verglichen mit einigen ihrer Kollegen und Kolleginnen im Ausland haben die 246 Mitglieder des Schweizer Parlaments also noch ziemlich viel Handlungsspielraum, bis sie als Verschwender bezeichnet werden könnten.
* Für diese Analyse haben wir uns nur auf Abgeordnete des Unterhauses der jeweiligen Länder beschränkt, und nicht auf Senatoren oder Ständeräte. Zudem zogen wir die Position der Gewählten nicht in Betracht: In einigen Ländern beispielsweise erhält ein Fraktionspräident gegenüber «normalen» Abgeordneten eine höhere Entschädigung.
(Übertragen aus dem Italienischen: Christian Raaflaub)
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