Kanton Wallis sagt Nein zu Populismus und Freysinger
Die Abwahl Oskar Freysingers aus der Walliser Regierung nach nur einer Amtszeit erinnert an die Abwahl seines Ziehvaters Christoph Blocher als Bundesrat. Das Wahlvolk habe Freysingers Lust an der Provokation und sein Liebäugeln mit der extremen Rechten bestraft, schreiben die Schweizer Zeitungen am Montag.
«Das Wallis ist nicht die USA», «Freysinger im freien Fall», «Das Ende einer bizarren Karriere», oder «Das Wallis straft Oskar Freysinger ab». So und ähnlich titeln am Montagmorgen die Schweizer Zeitungen.
Beim zweiten Wahlgang für die Walliser Kantonsregierung schaffte es Oskar Freysinger, Walliser Staatsrat und Vizepräsident der Schweizerischen Volkspartei (SVP), nicht, seinen Sitz zu verteidigen. Er, der vor vier Jahren mit dem besten Ergebnis triumphal in die Regierung eingezogen war.
«Freysingers Abwahl als Zäsur», titelt das St. Galler Tagblatt: «Es ist eine Wahlschlappe von historischem Ausmass: Zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte des Kantons Wallis wurde ein amtierender Staatsrat abgewählt.»
Freysinger erleide nun ein ähnliches politisches Schicksal wie Christoph Blocher, schreibt La Liberté. Der Volkstribun und Parteidenker Blocher, der während vier Jahren für die SVP in der Landesregierung (Bundesrat) gesessen war, hatte 2007 ebenfalls nach vier Jahren Tätigkeit seinen Sitz räumen müssen. Freysinger galt als dessen «französischsprachiger Nachfolger in der SVP, als dessen Ziehsohn und Erbe», so das Blatt weiter.
Einer seiner Fehler sei gewesen, in der Kantonsregierung zu arbeiten und dabei sein Oppositions-Profil aufrecht zu erhalten. «Nie hat er sich als Staatsrat gegeben. Aus ideologischen Gründen oder um zu provozieren, führte er seine gefährlichen Beziehungen zu europäischen Milieus weiter, die mit den Rechtsextremen flirten.»
«Zu nah am Feuer»
«Mit seiner Abwahl endet eine bizarre Politkarriere», kommentieren Tages-Anzeiger und Der Bund. «Der SVP-Vize, so schien es lange, konnte sich alles erlauben und wurde trotzdem gewählt: von 2003 an dreimal in den Nationalrat, 2013 in die Walliser Regierung. Mit seinen Ausfälligkeiten stiess er bei all jenen auf Zuspruch, die auf frischen Wind im Politbetrieb hofften.»
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Doch seine Bilanz sei mager geblieben, sowohl als Nationalrat in Bern wie auch als Regierungsrat in Sion. «Was sich aber in all den Jahren wie eine Konstante durch Freysingers Wirken zog, war die Anbiederung bei menschenverachtenden Ideologien. Der Walliser schmückte sein Haus mit der von Neonazis verwendeten Reichskriegsflagge, relativierte den Völkermord an den Armeniern und engagierte einen Rassisten sowie einen Leugner des Genozids von Srebrenica als Berater.»
So sei es eigentlich erstaunlich, dass Freysingers Karriere erst gestern ein Ende gefunden habe. «Denn ein Mann, dessen Programm zur Hauptsache aus degoutanten Provokationen besteht, ist in einer Kantonsregierung fehl am Platz. Freysingers Abwahl ist ein wohltuender Kontrapunkt in Zeiten, da der Populismus auf dem Vormarsch ist.»
Für das Boulevardblatt Blick erschüttert «ein politisches Erdbeben» die Walliser Bergwelt. Freysinger sei seit 80 Jahren der erste Staatsrat, der abgewählt worden sei. «Die Ohrfeige war absehbar», so das Blatt weiter. Denn im ersten Wahlgang für die fünfköpfige Regierung sei der amtierende Staatsrat nur auf dem sechsten Platz gelandet.
«Abwahl nicht absehbar»
Wer allerdings noch vor dem ersten Wahlgang, also vor einem Monat, auf dieses Resultat gewettet hätte, «wäre nun um eine schöne Stange Geld reicher. Denn damit rechnete kaum jemand», schreiben Aargauer Zeitung, St. Galler Tagblatt und Luzerner Zeitung in ihrem gemeinsamen Kommentar. Freysingers angekündigte «konservative Revolution» sei ins Leere gelaufen.
«Zum Verhängnis wurde ihm letztlich eine Mischung aus zweifelhafter Amtsführung, hemmungsfreiem Umgang mit Extremisten aller Couleur und ein Wahlkampf, der an das Strickmuster von US-Präsident Donald Trump erinnerte.» Freysinger habe sich gar geschmeichelt gefühlt, mit dem Mann im Weissen Haus verglichen zu werden.
«Doch das Wallis ist nicht die USA – und auch die Restschweiz dürfte mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen, dass hierzulande die Bäume von aufwieglerischen Populisten zumindest bei Exekutivwahlen weiterhin nicht in den Himmel wachsen.»
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