Abkommen durchgefallen, Steuerproblem bleibt
Nach dem Scheitern des Steuerabkommens mit der Schweiz wird die deutsche Regierung aufgefordert, wieder Verhandlungen mit der Schweiz aufnehmen, um ein "gerechtes Steuerabkommen" auszuhandeln. Denn das Steuerproblem zwischen den beiden Ländern bleibt akut.
Auch mehrstündige Verhandlungen im Vermittlungsausschuss haben am Mittwochabend nicht dazu geführt, dass die Vertreter der Opposition aus Sozialdemokraten und Grünen ihre Ablehnung des Steuerabkommens mit der Schweiz aufgaben.
Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hat daher vorgeschlagen, das Ratifizierungsgesetz zu dem deutsch-schweizerischen Steuerabkommen aufzuheben.
Agenturmeldungen zufolge beschlossen SPD und Grüne sowie der Vermittlungsausschuss zugleich eine Protokollerklärung, in der sie die Bundesregierung auffordern, die Verhandlungen für ein «gerechtes Steuerabkommen» wieder aufzunehmen.
Es könnte allerdings einige Zeit dauern, bis die Schweiz zu Neuverhandlungen bereit ist, wie Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf am Mittwochabend erklärte. Sie wollte nicht ausschliessen, dass es je wieder Verhandlungen mit Deutschland in der Sache gebe. «Wir sind Nachbarn, da suchen wir nach Lösungen», sagte sie. Doch nächstes Jahr werde es ganz bestimmt keine Neuverhandlungen geben.
Seit Monaten bereits hatten SPD und Grüne das von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Eveline Widmer-Schlumpf ausgehandelte Abkommen als ungerecht kritisiert. Die Kritik bezog sich vor allem auf die im Abkommen vorgesehene rückwirkende Besteuerung von deutschen Geldern in der Schweiz zu Sätzen von 21 bis 41 Prozent. Dies ermögliche deutschen Steuersündern, ihr Schwarzgeld zu viel günstigeren Sätzen zu legalisieren, als sie in Deutschland hätten zahlen müssen, lautete das Argument.
Gespräche im Vermittlungsausschuss
Der Bundestag hatte das Steuerabkommen mit den Stimmen der konservativ-liberalen Regierungskoalition zwar ratifiziert. Im Bundesrat, der Länderkammer, allerdings lehnten es die von SPD und Grünen regierten Bundesländer Ende November ab.
Nach dem Scheitern im Bundesrat hatte die Bundesregierung den Vermittlungsausschuss angerufen, um auch die letzte Chance zu nutzen, das Abkommen zu retten. Dem Vermittlungsausschuss gehören je 16 Vertreter von Bundestag und Bundesrat an. Er tritt zusammen, wenn sich die beiden Organe über ein Gesetz nicht einig sind.
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Auch in anderen Steuerfragen sind sich Regierung und Opposition nicht einig. So standen neben dem Steuerabkommen noch weitere Gesetzesvorhaben der Regierungskoalition auf der Tagesordnung des Vermittlungsausschusses (Steuerentlastung mittlerer Einkommen durch Abbau der «kalten Progression», steuerliche Förderung von Gebäudesanierungen). Beide Lager warfen sich im Vorfeld der Gespräche vor, den Fortschritt in diesen Fragen zu blockieren.
Wahlkampfgetöse?
Knapp ein Jahr vor der für September 2013 geplanten Bundestagswahl in Deutschland ist der Wahlkampf somit in vollem Gange. Nur einen Monat vor der Landtagswahl in Niedersachsen möchte die Opposition der Regierungskoalition keine Erfolge mehr gönnen.
Die Sozialdemokraten und ihr frisch gekürter Kanzlerkandidat Peer Steinbrück haben ihren Wahlkampf unter das Motto «Gerechtigkeit» gestellt und Banken und Finanzmärkten den Kampf angesagt. Mit der Ablehnung des Steuerabkommens positioniert sich die SPD auf der Seite der kleinen und mittleren Einkommen, welche steuerlich stark belastet sind und für Steuerkriminalität daher kein Verständnis übrig haben.
Für ein neues Steuerabkommen gäbe es nach Einschätzung der SPD nach der Bundestagswahl im Herbst 2013 eine Chance. Der Vertrag müsse «grundlegend neu verhandelt werden», sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag, Thomas Oppermann, kurz vor den Gesprächen im Vermittlungsausschuss in Berlin. «Das wird dann wahrscheinlich erst nach der Bundestagswahl sein.»
Vorerst bleibt alles beim Alten
Vorerst bleibt es also dabei: Deutsche Fahnder kaufen Steuerdaten-CDs, um Steuerhinterziehern auf die Spur zu kommen. Erst Anfang Dezember hatte die Auswertung einer vom Bundesland Nordrhein-Westfalen gekauften Steuerdaten-CD offenbart, dass Deutsche fast drei Milliarden Euro bei der Schweizer Grossbank UBS angelegt hatten.
Schweizer Banken versuchen indes, einem weiteren Rufschaden entgegenzuwirken, der ihnen durch die CD-Käufe entsteht. Bereits nach dem Scheitern des Steuerabkommens im deutschen Bundesrat hatten Bankenvertreter laut Medienberichten angekündigt, in Zukunft härter gegen mutmassliche Steuersünder vorzugehen, indem sie deren Konten zwangsweise schliessen würden.
Auf beiden Seiten der Grenzen fordern Politiker und Bankenvertreter ausserdem eine Regelung auf europäischer Ebene anstelle der Vielzahl verschiedener bilateraler Abkommen.
Für Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf stehen Nachverhandlungen zum vorgeschlagenen Steuerabkommen nicht zur Diskussion. Dieses Abkommen sei Geschichte, sagte sie. Verhandlungen für ein neues Abkommen wollte sie nicht ausschliessen. Das werde allerdings ganz sicher nicht im nächsten Jahr der Fall sein.
Bessere Nachrichten hatte Widmer-Schlumpf bezüglich der Steuerabkommen mit Grossbritannien und Österreich. Nach einem Entscheid des Bundesgerichts vom Mittwoch können diese planmässig am 1. Januar 2013 in Kraft gesetzt werden. Die Schweiz verhandelt derzeit mit weiteren Ländern über solche Abkommen, darunter Griechenland und Italien.
Die Schweizerische Bankiervereinigung erklärte, es sei eine grosse Chance verpasst worden, eine für alle Seiten faire, optimale und nachhaltige Lösung zu verabschieden, um die bilateralen Steuerprobleme abschliessend zu regeln. Deutschland ist für Schweizer Vermögensverwaltungs-Banken der grösste Markt in Europa.
Bedauern auch beim Wirtschaftsdachverband Economiesuisse: Deutschland habe das «faire Angebot» der Schweiz nun definitiv ausgeschlagen und müsse die Konsequenzen tragen. Neuverhandlungen seien aus Sicht der Schweizer Wirtschaft kein Thema.
Der Vermittlungsausschuss ist ein gemeinsames Gremium des deutschen Bundestags (Parlament) und des Bundesrats (Länderkammer). Bedarf ein vom Bundestag verabschiedetes Gesetz der Zustimmung des Bundesrats, welches dieser jedoch nicht billigt, soll der Vermittlungsausschuss die unterschiedlichen Vorstellungen von Bundestag und Bundesrat zum Ausgleich bringen. Er kann keine Gesetzesänderungen beschliessen, sondern nur Einigungsvorschläge unterbreiten.
Dem Ausschuss gehören je 16 Vertreter aus Bundestag und Bundesrat an. Die vom Bundestag entsandten Mitglieder werden im Verhältnis der Stärke der einzelnen Fraktionen bestimmt. Auf Bundesratsseite bestellt jedes Land ein Mitglied seiner Landesregierung. Derzeit haben die Oppositionsparteien die Mehrheit in dem Gremium.
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