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Wenig überraschendes Ja zur Ernährungssicherheit

Markus Ritter in einem Stall
Keystone/Marcel Bieri

Wie vorausgesagt, hat eine deutliche Mehrheit der Stimmenden Ja zur Verankerung der Ernährungssicherheit in der Verfassung gesagt. Damit wird der Bund beauftragt, die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln sicherzustellen.

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Die Vorlage stiess bereits bei den politischen Parteien kaum auf Widerstand und wurde nun vom Stimmvolk durchgewunken: 78,7 Prozent der Stimmenden und sämtliche Stände haben am Sonntag Ja gesagt zur Verankerung der Ernährungssicherheit in der Verfassung (siehe Box). 

Die Ernährungssicherheit sei nicht so selbstverständlich, wie erwartet, sagte Landwirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann an der Pressekonferenz. Er begrüsste die Annahme des Verfassungsartikels.

Ändern wird sich zumindest kurzfristig aber nichts. Laut Schneider-Ammann sind in den nächsten Jahren keine Gesetzesänderungen auf Basis der Bestimmungen vorgesehen. Der Verfassungsartikel diene vielmehr als Richtschnur für die zukünftige Landwirtschaftspolitik des Bundes.

Das Ja ist keine Überraschung, fiel aber deutlicher aus als erwartet: In den Umfragen hatten sich zwischen 67 und 69 Prozent für den neuen Verfassungsartikel ausgesprochen. Die Stimmbeteiligung lag bei 47 Prozent.

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Der Verfassungsartikel geht auf die Volksinitiative «Für Ernährungssicherheit» zurück, die 2014 vom Schweizer Bauernverband lanciert worden war. Ziel war die Stärkung der Lebensmittelversorgung aus einheimischer Produktion. Die Initiative verlangte, dass der Bund Massnahmen gegen den Verlust von Kulturland erlässt und sicherstellt, dass der administrative Aufwand in der Landwirtschaft gering ist.

Das Parlament befand den Initiativtext für «zu vage». Bundesrat und Parlament stellten der Initiative deshalb einen direkten Gegenvorschlag gegenüber, der das Anliegen präziser und vollständiger aufgreift. Berücksichtigt wird die ganze Lebensmittelkette, vom Feld bis auf den Teller.

Die Bauernorganisation liess sich vom Gegenvorschlag überzeugen und zog ihre Initiative zurück. Am 24. September wurde daher einzig über den Gegenvorschlag abgestimmt. Die Abstimmung war nötig, da es sich um eine Verfassungsänderung handelte.

Bauernverband hat Ziel erreicht

«Das Volk will eine starke und regional verankerte Landwirtschaft und es will die Kontrolle darüber behalten, was auf seinen Teller bekommt». Mit diesen Worten interpretierte der Direktor des Schweizer Bauernverbandes, Jacques Bourgeois, das Resultat. Mit dem Verfassungsartikel im Rücken könne die Landwirtschaft besser auf Herausforderungen wie das Bevölkerungswachstum oder den Klimawandel reagieren.

Die Umweltverbände interpretieren das überdeutliche Ja der Bevölkerung zu einer sicheren Ernährung als einen «klaren Auftrag der Schweizerinnen und Schweizer, die Landwirtschaft nachhaltiger und ökologischer zu gestalten». Nun müssten der Einsatz von Pestiziden verringert, die Biodiversität gefördert und der Schutz des Kulturlandes gewährleistet werden, fordern BirdLife Schweiz, Greenpeace, Pro Natura und WWF Schweiz in einer Mitteilung.

Gegner warnen

Die wenigen Gegner warnen jetzt vor Übertreibungen. Linke Bauernorganisationen fürchten sich vor zu viel Markt, der Gewerbeverband dagegen fürchtet um die Freihandelsabkommen.

«Die Landwirtschaftspolitik darf keine internationalen Freihandelsabkommen gefährden», schreibt der Gewerbeverband sgv in einer Mitteilung. Er werde «allfälligen Fehlinterpretationen entschieden entgegentreten». Der Verfassungsartikel biete auch keine Grundlage für neue Subventionsansprüche oder zusätzliche Regulierungen.

Auf der linken Seite hatte die vor allem bei linken Bauerngewerkschaften verankerte «Allianz für Ernährungssouveränität» den Verfassungsartikel bekämpft. Eine nachhaltige Landwirtschaft und mehr Markt seien nicht miteinander vereinbar, meint die Allianz nun. Sie spreche sich nicht gegen Handel aus. Aber dieser müsse durch mehr Kooperation entwickelt werden, nicht durch mehr Wettbewerb.

Die Bevölkerung soll jederzeit Zugang zu genügend Lebensmitteln von guter Qualität und zu einem erschwinglichen Preis haben. Zu diesem Zweck wird die Ernährungssicherheit in der Verfassung verankert. Sie umfasst fünf Punkte:

  • Die Sicherung der Grundlagen für die landwirtschaftliche Produktion: Landwirtschaftliche Produktionsgrundlagen wie Kulturland, Wasser und Knowhow sollen bewahrt werden.
  • Eine standortangepasste und ressourceneffiziente Lebensmittelproduktion: Die Lebensmittelproduktion soll an die örtlichen Gegebenheiten angepasst sein, damit die Ökosysteme nicht überbelastet werden. Die verfügbaren Ressourcen wie Boden, Wasser und Nährstoffe sollen effizient genutzt werden.
  • Eine auf den Markt ausgerichtete Landwirtschaft: Die Schweizer Landwirtschaft soll sich auf dem Markt besser behaupten können.
  • Grenzüberschreitende Handelsbeziehungen: Gute Handelsbeziehungen mit dem Ausland sollen zur Ernährungssicherheit beitragen.
  • Ressourcenschonenden Umgang mit Lebensmitteln: Die Bevölkerung soll auf «Food-Wasting» sensibilisiert werden.
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