Jetzt schlägt die Stunde der Wahrheit für die Rentenreform in der Schweiz
Das Schweizer Stimmvolk entscheidet dieses Wochenende über die Reform der Alters- und Hinterlassenenversicherung. Sie sieht eine Erhöhung des Rentenalters für Frauen von 64 auf 65 Jahre vor. Die Schweiz stimmt ausserdem über eine Initiative ab, welche die Massentierhaltung verbieten will, sowie über eine Reform der Unternehmensbesteuerung.
Die Schweizer Stimmberechtigten im In- und Ausland befinden am Sonntag über eines der wichtigsten Themen der Legislaturperiode, nämlich über die Reform der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV).
Da seit 1995 alle Versuche gescheitert sind, die erste Säule der Schweizer Altersvorsorge zu reformieren, wird der Ausgang der Abstimmung mit Spannung erwartet. Die letzte Umfrage der SRG im Vorfeld der eidgenössischen Abstimmung ergab 59% Ja-Stimmen, aber auch einen deutlichen Zugewinn für das Nein-Lager.
Das Projekt mit dem Namen AHV 21 sieht eine Erhöhung des Rentenalters für Frauen von 64 auf 65 Jahre vor (wie bei den Männern) sowie eine Erhöhung der Mehrwertsteuer (MwSt.). Mit diesen Massnahmen soll die Finanzierung der AHV für die nächsten zehn Jahre gesichert werden.
Das System gerät nämlich durch die Alterung der Bevölkerung und den Eintritt der Generation der «Babyboomer» in den Ruhestand unter Druck. Die Zahl der Rentnerinnen und Rentner nimmt stetig zu, während der Anteil der Erwerbstätigen zur Finanzierung ihrer Renten sinkt. Nach den Prognosen des Bundesamts für Sozialversicherungen wird die AHV daher ab 2029 defizitär sein, wenn nichts unternommen wird.
Die linken Parteien und Gewerkschaften, die das Referendum ergriffen haben, bekämpfen die Erhöhung des Rentenalters für Frauen. Sie sind der Meinung, dass die Reform ausschliesslich auf deren Rücken und jenem von Personen mit niedrigem Einkommen ausgetragen wird.
Auf der anderen Seite setzen sich die Mitte- und Rechtsparteien sowie Wirtschaftskreise für die Vorlage ein. Sie sind der Ansicht, dass die vorgeschlagenen Massnahmen notwendig sind, um das Rentenniveau zu sichern.
>> Die Reform im Detail:
Mehr
AHV-Reform: Was die Folgen wären
Die Zukunft der Viehzucht steht auf dem Spiel
Die Stimmbürgerinnen und -bürger werden auch darüber entscheiden müssen, ob sie die Massentierhaltung in der Schweiz verbieten wollen oder nicht. Der Vorschlag stammt von Antispeziesisten- und Tierschutzverbänden, die eine eidgenössische Volksinitiative zu diesem Thema eingereicht haben. Die Aktivistinnen und Aktivisten sind der Ansicht, dass die geltenden Normen nicht ausreichen, um das Wohlergehen der Tiere zu gewährleisten.
Nach Angaben der Schweizer Regierung ist die Massentierhaltung hingegen bereits durch das geltende Recht verboten, das Mindestmasse für die Lebensräume von Rindern und Geflügel vorsieht.
Die Parteien der Rechten und der Mitte führten eine Kampagne gegen die Initiative und betonten, dass die Schweiz bereits über eines der strengsten Tierschutzgesetze der Welt verfüge.
Es ist davon auszugehen, dass das Stimmvolk die Initiative ablehnt, wie es bereits andere Volksinitiativen abgelehnt hat, die auf den Schweizer Agrarsektor abzielten. In der letzten SRG-Umfrage hatten die Gegnerinnen und Gegner der Initiative allerdings an Boden gewonnen: 52% der Befragten gaben an, die Initiative ablehnen zu wollen.
>> Alles über die Initiative:
Mehr
Schweizer Tierschutz-Organisationen wollen Aus für Massentierhaltung
Steuerbelastung von Unternehmen erneut zur Debatte
Das Stimmvolk ist zudem aufgerufen, über ein von der Linken eingereichtes Referendum gegen die Abschaffung von zwei Steuern abzustimmen, die grosse Unternehmen betreffen.
Eine von Regierung und Parlament ausgearbeitete Reform schlägt vor, die Verrechnungssteuer auf Schweizer Obligationen teilweise abzuschaffen. Sie wird als schädlich für die Wirtschaft angesehen.
Das Vorhaben wird von den Parteien der Rechten, der Mitte und der Wirtschaft unterstützt. Diese sind der Ansicht, dass sich die Unternehmen billiger finanzieren und das eingesparte Geld so wieder in die Wirtschaft investieren können.
In den Augen der Linken und der Gewerkschaften handelt es sich dabei jedoch um Freipässe für multinationale Konzerne. Sie sind der Ansicht, dass die Reform der Schweizer Wirtschaft nicht zugutekommen werde und die Bevölkerung des Landes durch höhere Steuern belaste.
Diese Argumentation hat gute Chancen, von einer Mehrheit der Stimmenden mitgetragen zu werden: Im Februar dieses Jahres war die Vorlage zur Abschaffung der Stempelsteuer auf Eigenkapital mit über 62% der Stimmen in der Volksabstimmung gescheitert.
>> Alle Erläuterungen zum Projekt:
Mehr
Der Kampf um die Steuerhürden
Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub
Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch