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Abzockerinitiative: Volk hat das letzte Wort

Thomas Minder, Initiant und Motor der Abzocker-Initiative. Pixsil

Der Nationalrat hat Thomas Minders Abzocker-Initiative einen milderen Gegenvorschlag zur Seite gestellt. Er empfiehlt dem Stimmvolk beide Vorlagen zur Annahme. Die Debatte ist noch nicht vorbei, das Geschäft geht nun an den Ständerat.

Mit 66 zu 62 Stimmen bei 56 Enthaltungen folgte der Nationalrat der Abstimmungsempfehlung seiner Rechtskommission. Bei der Stichfrage empfiehlt die grosse Kammer den Gegenvorschlag.

Wie Lohn- und Boni-Missbrauch eindämmen? Seit einigen Jahren nehmen die Gehälter vieler Top-Manager zu – in der Schweiz und im Ausland.

Die Bevölkerung versteht immer weniger, weshalb solche Millionen-Entschädigungen ausgerichtet werden. Noch viel weniger versteht sie, die «goldenen Fallschirme», die oft immensen Abgangsentschädigungen.

In den letzten Monaten ist die Empörung angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise noch gestiegen. Besonders schockiert der Umstand, dass grosse Banken ihren Führungskräften weiterhin grosszügige Boni ausschütten, nachdem sie Milliardenverluste verzeichneten und der Staat in die Bresche springen musste.

Grosser Kampf eines «kleinen» Mannes

Dass die Debatte nun zuoberst auf der politischen Agenda steht, ist Thomas Minder zuzuschreiben. Der Kleinunternehmer hat die Eidgenössische Volksinitiative «gegen die Abzockerei» gestartet und vorwärts getrieben.

Das Volksbegehren verlangt, dass in der Verfassung Prinzipien festgeschrieben werden, welche die Saläre der Chefs von an der Schweizer Börse kotierten Aktiengesellschaften limitieren. Durch diese Einschränkungen verspricht sich das Initiativkomitee eine Stärkung der Macht der Aktionäre.

Im Nationalrat wurde Thomas Minders Empörung von vielen Politikern, links wie rechts geteilt. Es fand sich niemand, der offen das Lohnsystem von Grossunternehmen offen verteidigte.

Taktische Überlegungen

Die Ausgestaltung des Gegenvorschlags war von vielen taktischen Überlegungen begleitet. Nun beinhaltet er weitgehend, was die Christlichdemokraten (CVP) und die Freisinnigen (FDP) vorgeschlagen hatten: Eine wirtschaftsfreundlichere Alternative zum Volksbegehren.

Die Sozialdemokraten wollten den Gegenvorschlag nicht gefährden und zogen deshalb einige Anträge zurück, deren Annahme zu einer Verschärfung der Vorlage geführt hätte.

Die anderen bürgerlichen Parteien, die FDP, die CVP und die Bürgerlich-Demokratische Partei Schweiz (BDP) hatten dem Volk nur den Gegenvorschlag zur Annahme empfehlen wollen und die Initiative zur Ablehnung empfohlen.

Die wesentlichen Ziele seien mit dem Gegenvorschlag erfüllt, sagte der Solothurner CVP-Nationalrat Pirmin Bischof. Es sei eine griffige Vorlage, die dennoch für die Wirtschaft erträglich sei. «Wir haben ein neues System geschaffen.»

Die freisinnige Gabi Huber plädierte für den Gegenvorschlag, denn einmal mehr gehe es um das «Stur-Bleiben bis zum bitteren Ende». Weil die SVP mit ihrem Plan nicht durchgekommen sei, wolle sie nun lieber die schlechteste Lösung. Das sei unverständlich.

Die Schweizerische Volkspartei (SVP) enthielt sich bei diesem Entscheid der Stimme. Sie wollte dem Volk gar keinen direkten Gegenvorschlag unterbreiten, da dieser laut SVP-Präsident Toni Brunner «total verwässert» worden sei.

Boni nur bei nachhaltigem Erfolg

Der Gegenvorschlag schreibt vor, dass Boni nur ausbezahlt werden dürfen, wenn die Manager-Leistung zum langfristigen Gedeihen des Unternehmens beigetragen hat. Verwaltungsräte und Manager sollen mit Klagen zur Rückgabe von Geldern gezwungen werden können, wenn sie ihre Arbeit schlecht machen. Zudem sollen goldene Fallschirme grundsätzlich untersagt werden.

Die Mehrheit zeigte sich überzeugt, dass so die «Abzockerei» eingedämmt werden könnte. Die Linke betonte allerdings, für sie handle es sich nur um einen ersten Schritt. Mehr Aktionärsdemokratie führe nicht zwingend zu tieferen Löhnen, es brauche Obergrenzen.

Für den Initianten Thomas Minder ist der Gegenvorschlag zu schwammig. «Alle Hintertüren sind sperrangelweit offen.» Unter diesen Umständen ist er nicht bereit, seine initiative zurückzuziehen.

Wenn die Vorlagen den Ständerat unbehelligt passieren, könnte das Volk in gut einem Jahr darüber befinden.

swissinfo.ch

Einige der wichtigsten Forderungen der Initiative von Thomas Minder:

Die Vergütung der Verwaltungsräte (VR) und Geschäftsleitung wird von der Generalversammlung der Aktionäre jährlich festgelegt,

VR und VR-Präsident müssen jährlich wiedergewählt werden.

Keine Abgangs-Entschädigungen, keine Voraus-Vergütungen, keine Prämien bei Firmenkäufen und –verkäufen mehr.

Erfolgs- und Beteiligungspläne des Kaders werden in den Statuten geregelt.

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