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«Ich hoffe, die Schweiz kann Trump überzeugen, Nordkorea nicht anzugreifen»

Kim jong un in un campo di grano assieme a due militari in uniforme
Präsident Kim Jong-un auf dem Feld eines landwirtschaftlichen Betriebs in Nordkorea bei einem Anlass, zu dem westliche Journalisten nicht zugelassen waren. kcna via kns

Seit Monaten hält die Frage um Nordkoreas Raketenabschüsse Regierungen weltweit auf Trab. Viele Menschen sorgen sich über die Gefahr eines Atomkriegs. In dieser Krise könnte die Schweiz die Rolle einer Mediatorin übernehmen. Exklusiv-Interview mit Alejandro Cao de Benós, Delegierter der Regierung Nordkoreas und einziger Westler, der für das Regime in Pjöngjang arbeitet.

swissinfo.ch: Vor einigen Wochen bot die Schweiz an, im Konflikt zwischen den USA und Nordkorea zu vermitteln. Was halten Sie von diesem Vorschlag?

Alejandro Cao de Benós: Die Schweiz ist ein Land, das seinen Ruf als neutrales Land glücklicherweise auch gegenüber der Demokratischen Volksrepublik Korea aufrechterhalten hat, wie man dies seit dem Ende des Koreakrieges, als der Waffenstillstand unterzeichnet wurde, feststellen kann. Unter allen europäischen Ländern gehört die Schweiz seit jeher zu den aktivsten neutralen Ländern, was die Zusammenarbeit mit Nordkorea betrifft.

Alejandro Cao de Benós nel suo bar
Alejandro Cao de Benós hat 2006 in Tarragona das «Pjöngjang Cafe» eröffnet. Michele Novaga

In der Schweiz ist unser diplomatisches Personal ansässig: eine Vertretung bei den Vereinten Nationen in Genf und der Botschafter in Bern. Mit der Schweizer Landesregierung pflegen wir Kontakte auf unterschiedlichen Ebenen, und wir sind der Meinung, dass die Eidgenossenschaft eine wichtige Rolle spielen kann. Für uns ist jegliche ausländische Intervention immer willkommen, die den USA zu verstehen geben kann, dass eine Invasion eine militärische Massnahme gegen Nordkorea wäre – und kein gangbarer Weg.

Wir wollen aber nicht, dass eine andere Nation für uns spricht. Natürlich begrüssen wir alle Eingriffe und Schritte, um die USA an den Verhandlungstisch zu bringen und Nordkorea das Existenzrecht zuzusichern. Wir hoffen deshalb, dass die Schweiz Donald Trump davon überzeugen kann, dass eine Invasion keine Lösung ist.

swissinfo.ch: Die ganze Welt sorgt sich nach den wiederholten Raketenstarts von Pjöngjang über die Eskalation zwischen den Vereinigten Staaten und Nordkorea. Weshalb diese Provokationen?

A.C.d.B.: Nordkorea hat niemanden angegriffen, es ist ein kleines Land mit 25 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, das sich selber versorgt. Die gesamte Entwicklung im nuklearen und ballistischen Bereich wurde mit dem Ziel in Angriff genommen, Abschreckungs- und Abwehrmassnahmen zur Verhinderung einer Invasion der Vereinigten Staaten aufzubauen.

Nach dem, was wir in Irak, Afghanistan und Libyen gesehen haben, wo angeblich demokratische Länder Freude daran hatten, andere anzugreifen, Zivilisten zu töten und souveräne Nationen in absolute Armut zu stürzen, war die Schaffung eines ausreichend starken Bollwerks der einzige Weg, dies in Korea zu verhindern.

Ein Bollwerk, das nicht aus einer traditionellen Armee besteht, weil niemand mit der Militärmacht der USA konkurrieren kann. Also sagten wir uns, falls es uns gelingen sollte, die H-Bombe und ballistische Raketen zu entwickeln, die so stark sind, dass sie das amerikanische Festland erreichen können, könnten wir uns gegen eine mögliche Invasion durch die Vereinigten Staaten absichern.

swissinfo.ch: Warum ist es so weit gekommen?

A.C.d.B.: Hätten die Vereinigten Staaten den Frieden unterschrieben, der das Ende des seit 1950 andauernden Koreakrieges bedeutete, und diplomatische Beziehungen mit Nordkorea pflegen wollen, wie Clinton dies während seiner Amtszeit tat, wären wir wohl nicht an diesem Punkt angelangt.

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Nun bleibt Nordkorea nur noch die Atombombe, um sein Überleben zu sichern. Und Trump bleibt nichts mehr übrig als zu verhandeln: Jetzt, wo auch wir diese Technologie entwickelt haben und praktisch jede Stadt in den USA in 10’000 Kilometern Entfernung treffen können, und dies mit Waffen, die hundertmal stärker sind als die auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfenen Bomben, ist die Invasions-Hypothese nicht mehr geeignet, weil wir ihr Territorium treffen würden.

swissinfo.ch: Doch diese Eskalation birgt das Risiko der Gefahr und der Möglichkeit, in einen Atomkrieg zu münden, der die Menschheit vernichten würde.

«Es wird nie zu einem Atomkrieg kommen, weil die Menschheit ausgelöscht würde.»

A.C.d.B.: Nein, es wird nie zu einem Atomkrieg kommen, weil alle verlieren würden und dabei die Menschheit ausgelöscht würde. Nukleare Waffen, auch wenn sie apokalyptisch sind, sind strategische Waffen und nicht dafür gedacht, eingesetzt zu werden. Länder, die dies erreicht haben, können sich so versichern, nicht angegriffen zu werden.

Ich möchte der Weltbevölkerung, welche die Atombomben als das Ende der Welt betrachten, somit eine etwas beruhigende Botschaft zukommen lassen. Trump ist ein Spinner, aber nicht so sehr, dass er sich selbst zerstören würde.

swissinfo.ch: Welche wirtschaftlichen Beziehungen bestehen zwischen der Schweiz und Nordkorea?

A.C.d.B.: Aus geografischen Gründen sind unsere natürlichen Partner die asiatischen Länder. Aber es gibt auch wirtschaftliche Beziehungen und Entwicklung mit der Schweiz, besonders im Bereich der Landwirtschaft und der Tierzucht.

swissinfo.ch: Ist der koreanische Führer Kim Jong-un deshalb in der Schweiz zur Schule gegangen?

A.C.d.B.: Die Schweiz als Ausbildungsort wurde gerade wegen der langjährigen Beziehungen und auch wegen der Präsenz unserer diplomatischen Delegation in der Eidgenossenschaft ausgewählt. Die Schweiz ist ein relativ sicheres Land im Vergleich zu anderen Orten auf der Welt. Und sie hat den Vorteil, ein multikulturelles Land zu sein, wo verschiedene Sprachen gelernt werden können. Tatsächlich war der Hauptgrund für Kim Jong-uns Auslandaufenthalt, ihm das Erlernen von Fremdsprachen zu ermöglichen.

Es ist aber wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Tatsache, dass er unter einer anderen Identität eine gewisse Zeit in der Schweiz verbrachte (ca. drei Jahre) – wo er Fremdsprachen lernte und seine Kenntnisse über andere Länder verbesserte –, nicht bedeutet, dass seine Bildung nicht in Nordkorea stattgefunden hat: Unser Führer bildete sich in Nordkorea aus, an der Militär-Universität Kim Il-sung in Pjöngjang.

Kontroverse Figur

Der spanische Polit-Aktivist Alejandro Cao de Benós (*1974) ist Sonderbeauftragter des Ausschusses für kulturelle Beziehungen mit dem Ausland der Regierung in Pjöngjang.

Er ist der einzige Westler, der für die Regierung der Demokratischen Volksrepublik Korea arbeitet. Ein Vertrauen, das, wie er selbst in seinem autobiographischen Buch mit dem Titel «Alma roja, sangre azul: así me conquistó Corea del Norte» beschrieb, seit 1990 besteht, als er das erste Mal mit Beamten der Botschaft von Pjöngjang in Madrid in Kontakt kam.

Cao de Benós ist eine umstrittene Figur. So wurde er etwa im Juni 2016 in seinem Haus in Tarragona, Spanien, wegen Waffenbesitzes verhaftet. Einige Tage danach wurde er entlassen, aber mit einem Ausreiseverbot belegt, und sein Reisepass wurde eingezogen.

Die westliche Presse warf ihm vor, er habe versucht, die Meinungsfreiheit einzuschränken und Nordkorea-kritische Journalisten zu bedrohen.

Der Computerfachmann und ehemalige Berater mehrerer multinationaler Unternehmen erklärte gegenüber swissinfo.ch, er verdiene seinen Lebensunterhalt als Berater für internationalen Handel. «Wenn ich Handelsdelegationen und internationale Journalisten in Nordkorea begleite, erhalte ich keine Vergütung und habe auch nie eine erhalten. Ich bezahle den Flug immer aus meiner eigenen Tasche, wenn ich nach Pjöngjang gehe, wo ich meine Wohnung habe und mir die Regierung die Mahlzeiten vor Ort bezahlt.»

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