Auch Ringen um neue Kampfjets unterliegt Zeitgeist
Medien-Enthüllungen haben die Abstimmungskampagne um den Kauf des Gripen etwas belebt. Doch die Debatte um den möglichen neuen Kampfjet der Schweizer Luftwaffe ist ein laues Lüftchen im Vergleich zum Sturm um den F/A 18 vor gut 20 Jahren.
Die Geschichte wiederholt sich nicht. Von bunten und lauten Demonstrationen, die 1994 den Abstimmungskampf um den US-Fighter F/A 18 prägten, ist im Vorfeld der Abstimmung vom 18. Mai nicht viel zu sehen und hören.
Die Kampagne verläuft, abgesehen von ein paar Enthüllungsspitzen in den Medien, ziemlich unspektakulär. 1993 war das noch anders gewesen: Damals hatte der F/A 18 die Gesellschaft der Schweiz noch tief gespalten – die Befürworter und Gegner brachten je 20’000 Menschen auf den Platz vor dem Bundeshaus in Bern, um ihre Überzeugung deutlich zu machen.
Das Ringen um die 3,1 Mrd. Franken teuren 22 schwedischen Jets bezeichnet Politikberater Mark Balsiger nichts desto trotz als intensiv.
Kampf um den Gripen – Sendung Rundschau Schweizer Fernsehen SRF vom 16.04.2014.
«Es hatte vor fünf Jahren angefangen und sah sowohl in der Regierung als auch im Parlament zahlreiche Kehrtwendungen. Einmal war der Verteidigungsminister gegen den Kauf neuer Kampfflugzeuge, dann war er auf einmal dafür», so Balsiger. Auch der Ständerat (Kleine Kammer) habe das Vorhaben zuerst blockiert.
Ein Hin und Her gab es laut dem Berner Politikbeobachter aber auch bei den armeekritischen Linken und Pazifisten. Zuerst sammelten sie Unterschriften für eine Initiative, die ein Moratorium für den Kauf neuer Kampfjets in der Verfassung verankern wollte, dann zogen sie dieses aber wieder zurück. Nur, um vier Jahre später mit einem erfolgreichen Referendum eine Volksabstimmung über den Gripen-Kauf zu ermöglichen.
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Für Balsiger stachen in den letzten zwei Monaten zwei Ereignisse heraus. Das eine war das Leck in schwedischen Medien über die äusserst aktive – und erfolgreiche – Rolle des schwedischen Botschafters in Bern, Per Thöresson, als Lobbyist für den schwedischen Gripen-Hersteller Saab.
Gemäss den veröffentlichten Depeschen hat sich Thöresson auch wenig schmeichelhaft über einige Schweizer Parlamentarier und auch Verteidigungsminister Ueli Maurer geäussert.
Das trug ihm grosse Schelte seitens der Schweizer Politik und Medien ein. Der Diplomat wurde inzwischen auch in die USA versetzt, wo er am 1. September neuer stellvertretender Botschafter Schwedens bei der UNO wird.
Ähnlich wichtig, vielleicht gar noch kompromittierender für die Befürworter des Gripen-Kaufs war laut Balsiger die Äusserung von Thomas Hurter. Der Nationalrat der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP), der auch Maurer angehört, empfahl dem Bundesrat unverblümt, den Kauf des Gripens auch dann ins Auge zu fassen, sollte das Schweizer Stimmvolk dem Vogel an der Urne die Starterlaubnis verweigern.
Weniger Wirbel verursachte eine Polemik, die Bundesrat Ueli Maurer mit einer Schelte des Schweizer Fernsehens auslöste. Der Armeeminister warf seinem kritischen Befrager als Angestelltem des öffentlich-rechtlichen Unternehmens SRF Einseitigkeit und Linkslastigkeit vor.
Laut Beobachter Mark Balsiger hat die Polemik in der Öffentlichkeit zwar für einen gewissen Wirbel gesorgt. Er bezweifelt aber, dass dieser die Kampagne entscheidend beeinflussen könne. «Der Vorfall zeigt, dass Maurer über politischen Instinkt verfügt. Er weiss, wie man ein Maximum an Medienaufmerksamkeit kreiert und nutzt.»
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Das Schweizer Parlament stimmte 2013 dem Kauf von 22 schwedischen Gripen-Kampfflugzeugen für 3,1 Mrd. Franken zu.
Gegner aus dem linken Lager, aber auch der bürgerlichen Mitte sammelten innert Kürze genügend Unterschriften, damit das Stimmvolk darüber abstimmen kann.
Der schwedische Gripen obsiegte in der Evaluation gegenüber dem französischen Rafale (Dassault) und dem Eurofighter des europäischen EADS Konsortiums.
Der Kauf neuer Flugzeuge für die Schweizer Luftwaffe gehörte meist zu den umstrittensten Vorlagen in der Schweizer Politik. Solche brachten in den 1960er-Jahren den damaligen Verteidigungsminister zu Fall und führte 1993 zu einer hitzigen Debatte über den Kauf des F/A-18.
Am 7. Mai wird die letzte Prognose für den Ausgang der Abstimmung vom 18. Mai publiziert. Eine erste Prognose, die das Forschungsinstitut gfs.bern in Auftrag der SRG SSR erstellt, sah die Gegner mit 10% Vorsprung in Front. Der Anteil der Unentschlossenen lag bei 6%.
«Clevere Kampagne»
Auch Claude Longchamp, Leiter des Forschungsinstituts gfs.bern, attestiert Maurer, im Abstimmungskampf bisher keinen Fehler begangen zu haben.
Schlagzeilen über verstärkte Anstrengungen Schwedens oder seitens Saab zur Beeinflussung der politischen Kampagne hält er grösstenteils für «Lärm der Medien».
Mark Balsiger hält es für möglich, dass die Gripen-Gegner trotz beschränkter Finanzressourcen eine überzeugende Kampagne fahren können.
«Die Aufstellung zweier separater Anti-Komitees, eines für linke Gegner, eines für Politiker der Mitte, war ein cleverer Schachzug, denn damit konnten sie nicht in die Extremistenecke geschoben werden.»
Um gegen die sehr gut organisierte Pro-Allianz von Schützenverbänden und Offiziersvereinen anzukämpfen, fokussierten die Gegner auf soziale Medien und Netzwerke sowie auf Aktivitäten auf der Strasse.
Damit schafften sie es zwar nicht in die Top-Schlagzeilen, konnten aber immerhin die politische Unterstützung des Blick verbuchen. Die Boulevardzeitung zog in einer Reihe von Artikeln die Wahl des Gripens und die Politik von Maurers Verteidigungsministerium in Zweifel.
Heilige Kuh ist geschlachtet
Von Beginn weg, also im März, hatte die sozialdemokratische Nationalrätin Evi Allemann klar gemacht, dass nicht die Mobilisierung der Massen im Zentrum der Nein-Kampagne stehe. «Wir wollen keine Kampagne, die den Kauf zu einer Grundsatzfrage macht. Es ist eine nüchterne finanzpolitische Angelegenheit», sagt die Wortführerin ihrer Partei im Parlament. «Die Armee weckt nicht mehr die gleichen Emotionen wie vor 25 Jahren. Es geht nicht mehr um die Schlachtung einer heiligen Kuh.»
Die Politikexperten teilen Allemanns Sicht. «Der Kampf um den F/A-18 fand nur wenige Jahre nach Ende des Kalten Krieges und der ersten Abstimmung über die Abschaffung der Armee 1989 statt, die auf Ja-Anteil von knapp 36% der Stimmen kam», rekapituliert Claude Longchamp.
Trotz aller Stärken der gegnerischen Kampagne geht Mark Balsiger aber doch davon aus, dass die Befürworter am 18. Mai die Oberhand gewinnen werden.
«Das Thema elektrisiert nicht mehr so wie in den 1990er-Jahren. Dazu hilft die gegenwärtige politische Lage in der Ukraine auch nicht, sondern schafft Unsicherheit.»
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Kuenzi)
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