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Wie sich das Ausländer-Wahlrecht in Schweden auswirkt

Vier Menschen wählen in Wahlstationen mit verdeckten Gesichtern.
Szene vom Wahltag in Stockholm 2018. Hanna.franzen/tt

Mitbestimmen ohne Pass: In Schweden ist das seit bald 50 Jahren möglich. Eine neue Studie der Universität Basel macht deutlich: Das hat Folgen für die Zahl der Einbürgerungen.

Die Frage, ob auch Ausländer:innen wählen dürfen, wird äusserst kontrovers diskutiert.

Im Schweizer Parlament haben Vorstösse für ein Stimm- und Wahlrecht für Menschen ohne Schweizer Pass jeweils keine Chance. Auch in Volksabstimmungen hat es das Anliegen meist schwer. Nur in zwei Westschweizer Kantonen dürfen Ausländer:innen an kantonalen Wahlen und Abstimmungen teilnehmen.

In der Schweiz dominiert die Idee, dass Mitbestimmung ein Privileg ist, das an die Staatsbürgerschaft gebunden ist. Wer mitreden will, soll sich einbürgern lassen. Wenn man ohne Staatsbürgerschaft mitbestimmen könne, entfalle die Motivation dafür.

Ein vom Basler Polit-Ökonomen Alois Stutzer geleitetes Forschungsteam hat nun untersucht, wie sich das Ausländer:innenstimmrecht in Schweden auf die Einbürgerungsbereitschaft ausgewirkt hat.

«Wir zeigen, dass das formelle Mitbestimmungsrecht in Wahlen für gewisse Ausländergruppen zu einer verstärkten, für andere zu einer abgeschwächten Einbürgerung führt», sagt Stutzer, Professor an der Universität Basel, gegenüber SWI swissinfo.ch.

Mann blickt in die Kamera
Alois Stutzer ist Professor für Politische Ökonomie an der Universität Basel. zvg

Von der Teilnehmerin zur Bürgerin

Gemeinsam mit Michaela Slotwinski vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim und Pieter Bevelander an der Malmö School of International Integration hat Stutzer für die Untersuchung die Daten von Wahlberechtigten und Eingebürgerten in Schweden in den letzten 20 Jahren ausgewertet.

In Schweden können Menschen ohne einheimischen Pass seit 1975 in Wahlen und konsultativen Abstimmungen auf der kommunalen und regionalen Ebene mitbestimmen. An nationalen Urnengängen dürfen aber nur Menschen mit schwedischem Pass teilnehmen.

Für das Forschungsprojekt «From participants to citizens» (Von Teilnehmer:innen zu Bürger:innen) verglich Stutzers Team die Daten zu Ausländer:innen in Schweden, die kurz vor den Wahlen die vorgeschriebene dreijährige Mindestaufenthaltsfrist gerade erreichten hatten – und damit zu den Wahlen zugelassen wurden – mit jenen, die diese Frist gerade knapp verpassten – und dann eben nicht mitwählen konnten. So konnte analysiert werden, ob sich in den Jahren nach Wahlen mehr oder weniger eingebürgert hatten.

Unterschiede zwischen Flüchtlingen und Expats

Die Ergebnisse machen deutlich: «Das Ausländerwahlrecht zeigt Wirkung», betont Professor Pieter Belevander gegenüber SWI swissinfo.ch, mit dessen Unterstützung die Daten des Statistischen Amtes Schwedens zusammengetragen werden konnten. Bei Ausländer:innen mit der Staatsbürgerschaft eines Landes, das gemäss dem HDI (Human Development Index) wenig entwickelt ist, bewirkte das Ausländer:innenwahlrecht eine erhöhte Einbürgerungsrate.

Für Zugezogene aus Staaten mit vergleichsweise hohem HDI bewirkte es genau das Gegenteil: nämlich weniger Einbürgerungen. Anders ausgedrückt: Für Flüchtlinge ist das Ausländer:innenwahlrecht eine Art motivierendes Ticket zur Einbürgerung, während Expats darin eher einen Grund sehen, auf eine Einbürgerung zu verzichten.

Gesamtzahl der Einbürgerungen bleibt gleich

Pieter Belevander erklärt: «Während ein schwedischer Pass für Menschen aus Ländern mit wenig Demokratie und Wohlstand einen echten Mehrwert an Freiheit bedeutet, reduziert das Ausländerstimmrecht etwa für einen britischen Facharbeiter die Motivation, sich einbürgern zu lassen.» 

Insgesamt, so fasst es Alois Stutzer zusammen, halten sich in Schweden die durch das Ausländer:innenwahlrecht ausgelösten zusätzlichen und reduzierten Einbürgerungen in etwa die Waage: «Für die Gesamtzahl der Einbürgerungen hat das Ausländerwahlrecht somit kaum eine grosse Bedeutung.»

Eine Erkenntnis, die sich, so hofft das Forschungsteam, auf die oft emotional geführten Debatten über das Wahl- und Stimmrecht für Ausländer:innen beruhigend auswirkt.

Editiert von Marc Leutenegger.

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