Ausländische Bevölkerung während Pandemie zufrieden mit der Schweiz
Trotz Vorbehalten sagt die Mehrheit der Zugewanderten in der Schweiz, dass sie sich hier zu Hause fühlen und nirgendwo anders leben möchten, um die Coronavirus-Pandemie zu überstehen. Das zeigt eine repräsentative Umfrage unter den Expats im Land.
Mit Grenzschliessungen, obligatorischen Quarantänen und PCR-Tests, die durch den Kampf gegen das Coronavirus auferlegt wurden, hat die Migration seit März 2020 eine andere Bedeutung bekommen. Aber auch ohne die Möglichkeit zu internationalen Reisen und Wiedersehen mit geliebten Menschen in der Heimat bereuen die meisten Eingewanderten nicht, die Schweiz zu ihrer Heimat gemacht zu haben.
Mehr als drei Viertel der für die Umfrage «Migration-Mobility»Externer Link zwischen Oktober 2020 und Januar 2021 befragten Ausländerinnen und Ausländer gaben an, sich während der Gesundheitskrise in der Schweiz «zu Hause» gefühlt zu haben; nur eine kleine Minderheit sagte, sie habe Heimweh gehabt. Die Stichprobe, die fast 7400 Personen umfasst, ist repräsentativ für die erwachsene ausländische Bevölkerung, die in der Eidgenossenschaft lebt und arbeitet.
Interessant ist, dass im beispiellosen Kontext der Covid-19-Pandemie und trotz der Schwierigkeiten «die Schweiz jemer Ort ist, an dem sich diese Menschen am wohlsten fühlen», sagt Philippe Wanner, Demograf und stellvertretender Direktor des Nationalen Kompetenzzentrums für Migration «NCCR – on the move». Dieser Nationale Forschungsschwerpunkt führte die Umfrage durch. Die Ergebnisse variieren wenig nach Nationalität oder anderen soziodemografischen Kriterien.
Integration manchmal schwierig
Für einen kleinen Teil der Befragten sind die soziale Integration und der Kontakt mit der Schweizer Bevölkerung jedoch nicht selbstverständlich. Besonders stellt Wanner fest, dass es aus kulturellen und sprachlichen Gründen schwierig sei, sich zu verständigen und Schweizer Freunde zu finden. Nur die Hälfte der Befragten spricht eine Landessprache gut.
«Die Umfrage zeigt auch ein ziemlich hohes Mass an wahrgenommener Diskriminierung, speziell in bestimmten Untergruppen wie der afrikanischen oder asiatischen Bevölkerung», fügt der Professor der Universität Genf hinzu. Etwa ein Viertel der Menschen berichtet, in den letzten zwei Jahren Vorurteile oder Diskriminierung erlebt zu haben.
Aber die Lebensqualität überwiegt die wenigen negativen Aspekte. Mehr als zwei Drittel bewerten ihre Zufriedenheit mit dem Gastland Schweiz mit neun oder zehn von zehn Punkten. Dieses Ergebnis hat sich im Vergleich zu früheren Ausgaben der Umfrage leicht verbessert. Sie wird seit 2016 alle zwei Jahre durchgeführt.
«Man muss aber sagen, dass die Befragten hauptsächlich Menschen sind, die sich erfolgreich integriert haben», gibt Wanner zu bedenken. «Die Mehrheit der Befragten sind mobile Menschen, die freiwillig gekommen sind und vor der Einwanderung einen Job ausgehandelt haben», fügt der Demograf hinzu. Tatsächlich sagen acht von zehn Personen, dass sie ihre berufliche Situation durch die Auswanderung verbessert haben.
Weniger Qualifizierte stärker von Arbeitslosigkeit betroffen
An der beruflichen Front hatte der Teil-Lockdown im Frühjahr 2020 für die meisten der befragten Ausländerinnen und Ausländer kaum Auswirkungen – das Ergebnis ist dem der Schweizerinnen und Schweizer in einer anderen UmfrageExterner Link sehr ähnlich.
Dies ist auf das allgemein gute Bildungsniveau der zugewanderten Bevölkerung in der Schweiz zurückzuführen – hochgebildete Personen stellen fast 60% der Befragten (ein Anstieg um etwa neun Punkte seit 2016). Arbeitsplatzverluste betrafen die weniger gebildeten und die unteren sozialen Schichten stärker. «Diese Kriterien waren entscheidender als die Nationalität», sagt Wanner.
Attraktivität des Schweizerpasses nimmt zu
Die Gesundheitskrise führte manchmal zu Unsicherheit über den Aufenthaltsstatus. Jede und jeder Zehnte gab an, dass sie oder er befürchtet, das Bleiberecht in der Schweiz zu verlieren. Dieser Anteil war bei den weniger gut Qualifizierten höher.
Solche Befürchtungen waren nicht immer begründet, da nur sehr wenige (weniger als 1%) tatsächlich ihre Aufenthaltserlaubnis verloren haben. Aber sie sind mit einem grösseren Interesse an einer Einbürgerung verbunden als in den Vorjahren.
Mehr als die Hälfte der befragten Menschen geben an, dass sie beabsichtigen, eines Tages den roten Pass mit dem weissen Kreuz beantragen zu wollen. Dieser Anteil ist seit 2016 um 13 Prozentpunkte gestiegen.
Laut dem Forschungsteam können mehrere andere Faktoren als die Pandemie dies erklären: die Zunahme der in der Schweiz verbrachten Jahre (für einen Teil der Befragten), die Debatten, die der Revision des Bürgerrechts-Gesetzes vorausgingen, oder sogar der Brexit für die Britinnen und Briten.
Aber Covid-19 wird auch von einem kleinen Teil der Befragten als Auslöser für das Interesse am Schweizer Bürgerrecht genannt, welche die Erlangung der Staatsbürgerschaft als eine Möglichkeit sehen, sich in ihrer Wahlheimat zu verankern.
Und sicherlich auch, um ein Zugehörigkeitsgefühl zu konkretisieren, das bei den Umfrageteilnehmenden vorherrscht: Drei Viertel bekennen sich zu einer starken Verbundenheit mit der Schweiz und sehen sich als vollwertige Mitglieder der Schweizer Gesellschaft.
(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)
(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)
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