Auslandberner können elektronisch abstimmen
Der Kanton Bern führt für seine Bürger im Ausland die Möglichkeit der elektronischen Stimmabgabe ein. Die Organisation der Auslandschweizer begrüsst diesen Entscheid als weiteren Meilenstein für das E-Voting in der Schweiz.
Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer aus dem Kanton Bern werden bald anhand eines vom Kanton Genf entwickelten Informatiksystems elektronisch abstimmen können.
Die Kantone Genf und Bern sowie der Bund haben gestern Freitag im Rathaus von Bern eine entsprechende Übereinkunft unterschrieben. Neben dem Kanton Bern nutzt bereits der Kanton Basel-Stadt die elektronische Plattform von Genf.
Vom neuen Angebot können rund 12’500 Auslandschweizer mit politischem Wohnsitz im Kanton Bern profitieren.
Verschiedene elektronische Testabstimmungen mit einzelnen Gemeinden sind für 2011 vorgesehen. 2012 soll das Abstimmen per Internet dann flächendeckend für eidgenössische und kantonale Vorlagen eingeführt werden.
Die Berner Beteiligung am Projekt E-Voting ist laut Bundeskanzlerin Corina Casanova von zentraler Bedeutung: «Bern ist bevölkerungsmässig und flächenmässig der zweitgrösste Kanton der Schweiz und der Kanton mit den meisten politischen Gemeinden.»
«Es ist ein weiterer wichtiger Schritt auf dem langen Weg zu einem generellen E-Voting», sagt Rudolf Wyder, Direktor der Auslandschweizer-Organisation (ASO). Der Wunsch zur Einführung dieser Möglichkeit werde insbesondere von Seiten der Auslandschweizer geäussert.
Gemäss Wyder sind die stimmberechtigten Auslandschweizer keine vernachlässigbare Grösse. Im Kanton Bern stellten sie 1,8 Prozent der Wählerschaft, in Genf sogar 6,7 Prozent.
Sicher abstimmen
Bern ist der zweite Kanton nach Basel-Stadt, der das vom Kanton Genf entwickelte Informatik-System übernimmt. Dieses System hat bereits bewiesen, dass es effizient ist und den Sicherheitsanforderungen des Bundes gegen Missbrauch entspricht.
«Wir haben rund 30 Massnahmen auf verschiedenen Sicherheitsniveaus erarbeitet, darunter die Verschlüsselung des Votums sowie Schutzmassnahmen, um die Ausbreitung von Viren oder Trojanern zu verhindern», erklärt Michel Warynski, der für das elektronische Abstimmungssystem in Genf verantwortlich ist.
Die Bundeskanzlei hat sich zum Ziel gesetzt, dass rund die Hälfte der in Wählerlisten eingetragene Auslandschweizer (insgesamt 65’000 von 130’000 Personen) bis zum Jahr 2012 die Möglichkeit haben sollen, per E-Voting abzustimmen. Momentan können 26’000 Stimmberechtigte aus den Kantonen Neuenburg, Genf und Basel-Stadt von der Stimmabgabe via Internet Gebrauch machen.
«Ich bin zufrieden mit dieser Entwicklung, auch wenn es insgesamt sehr langsam vorwärts geht. Aber wir müssen immer daran denken, dass es grundlegende Sicherheitsfragen zu lösen gilt», sagte Corina Casanova gegenüber swissinfo.ch.
In der Schweiz liegt die Durchführung von Wahlen und Abstimmungen in der Kompetenz der Kantone. «Deshalb müssen die Kantone entscheiden, wann sie das E-Voting ihren Bürgern anbieten wollen», ergänzt Casanova.
Wahlgeheimnis garantieren
Das E-Voting wird indes nur für Schweizer möglich sein, die in einem EU-Land wohnen oder in einem Staat, der das Abkommen von Wassenaar unterzeichnet hat (darunter die USA, Kanada und Argentinien).
Der Bund geht davon aus, dass nur diese Länder das Wahlgeheimnis garantieren. «Aber 90 Prozent der Auslandschweizer lebt in einem dieser Länder», hält Rudolf Wyder fest.
Der Prozentsatz der in Wahlregistern eingetragenen Auslandschweizer ist schon ziemlich hoch und erfasst 130’000 Personen. «Diese Zahl übersteigt bei weitem die Vorhersagen bei der Einführung des Wahlrechts auf dem Korrespondenzweg im Jahr 1992», sagt Wyder.
Es zähle aber nicht nur die Anzahl der erfassten Wähler, sondern auch die effektive Teilnahme an den Wahlen. Dies ist wohl als Aufruf an die Auslandschweizer zu verstehen, vom Stimm- und Wahlrecht auch wirklich Gebrauch zu machen.
Luigi Jorio, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)
Die Möglichkeit des E-Voting bzw. der Stimmabgabe via Internet wird besonders von Auslandschweizern gefordert.
Der Grund: Das briefliche Wahl- und Abstimmungsrecht birgt Tücken. Nicht immer kommt das Abstimmungsmaterial rechtzeitig bei den Wahlberechtigten an oder erreicht umgekehrt auf dem Postweg die Schweiz innerhalb der vorgeschriebenen Fristen.
Die Kantone Genf, Neuenburg und Zürich haben im Rahmen der ersten Pilotphase zwischen 2001 und 2005 einige Tests zum E-Voting durchgeführt. Der Bund koordinierte diese Versuche.
Die positiven Ergebnisse bei diesen Testläufen haben dazu geführt, dass 2008 und 2009 auch Auslandschweizer auf elektronischem Weg abstimmen konnten.
Im September 2009 haben die Kantone Graubünden, St. Gallen, Schaffhausen, Thurgau, Aargau, Solothurn und Freiburg mit dem Kanton Zürich ein Kooperations-Abkommen abgeschlossen, um das elektronische Stimmrecht für Auslandschweizer einzuführen.
Basel-Stadt und Bern haben ihr elektronisches System vom Kanton Genf übernommen, der in der Schweiz als Pionierkanton im E-Voting gilt. An der Genfer Software sind auch die Kantone Luzern, Waadt, Uri, Obwalden und Nidwalden interessiert.
Zirka 685’000 Schweizer Bürger leben im Ausland (Stand Dezember 2009).
Die grösste Auslandschweizer-Gemeinde befindet sich in Frankreich (180’000), gefolgt von Deutschland (76’500), Italien (48’500), Grossbritannien (75’000), Kanada (39’000) und Australien (23’000).
Rund 130’000 Auslandschweizer (24,6 Prozent) sind in den Wahlregistern ihrer Heimatgemeinden registriert.
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