Auslandschweizer-Gesetz braucht noch Feinschliff
Der Auslandschweizerrat hat an seiner Sitzung am Freitag in Davos einstimmig eine Antwort im Konsultationsverfahren für das neue Auslandschweizer-Gesetz gutgeheissen. In seiner Antwort hält er fest, dass allerdings noch einige wichtige Punkte fehlten, beispielsweise die politische Partizipation.
«Der Vorentwurf ist ein Quantensprung für uns», sagte Rudolf Wyder, Direktor der Auslandschweizer-Organisation (ASO). «Das Gesetz ist ein starkes Signal, dass Politik und Verwaltung die internationale Mobilität der Schweizerinnen und Schweizer ernst nehmen», erklärte er anlässlich der ersten Sitzung des Auslandschweizerrats in der Legislaturperiode 2013-2017.
96 der insgesamt 140 Delegierten der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer haben sich am Donnerstag im Bündner Kurort Davos versammelt. Der Auslandschweizerrat (ASR) gilt als Parlament der «Fünften Schweiz», der die Interessen der rund 715’000 Schweizerinnen und Schweizer im Ausland wahrnimmt.
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Ein Gesetz im Zeichen wachsender Mobilität
Der ASR nahm den Entwurf der Vernehmlassungs-Antwort einstimmig an. Das Gesetz soll mindestens drei bestehende Gesetze, drei Verordnungen und einige Erlasse ersetzen.
Der Ständerats-Präsident und neu in den Vorstand gewählte Filippo Lombardi, bisher Mitglied des Auslandschweizerrats, gilt als «Vater» des Gesetzes. Er präsentierte den Entwurf, gab aber auch zu bedenken, dass einige Punkte in der beratenden Subkommission des Ständerats nicht nach seinem Gusto herausgekommen sind.
Ab 1. Januar 2014 übernehmen Ariane Rustichelli und Sarah Mastantuoni die Direktion der Auslandschweizer-Organisation ad interim.
Nach dem Rücktritt von ASO-Direktor Rudolf Wyder Ende März werden die beiden die Co-Direktion ab 1. April 2014 voll ausüben.
Wyder leitete die Organisation während 25 Jahren.
Rustichelli war bisher Leiterin Kommunikation und Marketing, Mastantuoni leitete den Rechtsdienst.
Verbesserungswürdig
«Es gibt Punkte, die noch fehlen, erklärte er und rief dazu auf, Anliegen einzubringen. Noch sei die Vernehmlassung nicht abgeschlossen, und jedermann sei frei, Vorschläge zu machen.
Schwachpunkte sieht der Tessiner besonders in zwei Bereichen: Die Fragen der politischen Partizipation werden durch das Gesetz zu wenig klar geregelt. Doch er erklärte auch gleich, warum dies nicht so einfach möglich ist: «Bei der elektronischen Stimm- und Wahlbeteiligung kann das Gesetz relativ wenig ändern, denn für die politischen Rechte sind grundsätzlich die Kantone zuständig.»
Rudolf Wyder, der Ende März 2014 in Pension gehen wird, beharrte auf der Meinung der Auslandschweizer-Organisation: «Im Gesetzesentwurf soll es nicht bei Versuchen bleiben. Wir wollen die flächendeckende Einführung von E-Voting.»
Der zweite und kontroversere Kritikpunkt betrifft die Aufhebung der Immatrikulationspflicht für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, die das Gesetz vorsieht. «Die Verwaltung hätte gerne weniger Arbeit», vermutete Lombardi.
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Wo wohnen die meisten Auslandschweizer und -schweizerinnen?
Bei diesem Punkt legte die ASO das Veto ein. «Man muss das Publikum kennen, dafür muss man es registrieren», gab Rudolf Wyder zu bedenken. Dies sei besonders in Katastrophenfällen wichtig.
Die Immatrikulations-Pflicht sei eine Hauptbedingung, damit das Ziel des Auslandschweizer-Gesetzes erreicht werden könne, so Wyder. Ein ASR-Mitglied bemerkte dazu ironisch: «Fragen Sie einfach die Amerikaner, die wissen, wo wir sind.»
Erbschaftssteuer-Abkommen
Thema war auch das kürzlich unterzeichnete Erbschafts-Abkommen zwischen Frankreich und der Schweiz. Davon betroffen sind auch die 180’000 in Frankreich lebenden Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, die grösste Auslandsgemeinde überhaupt.
Michel Duclos, der französische Botschafter in der Schweiz, verteidigte den Standpunkt der französischen Regierung: Er erklärte, heute bei der Besteuerung ganz allgemein nicht nach Nationalitäten unterschieden. Würde für in Frankreich lebende Schweizer eine Ausnahme gemacht, werde ein Präzedenzfall geschaffen, der alle Abkommen in Frage stellen würde.
Im Vorentwurf für ein Bundesgesetz über Schweizer Personen und Institutionen im Ausland (Auslandschweizer-Gesetz, ASG) werden die verschiedenen Bestimmungen, die ausschliesslich Auslandschweizerinnen und -schweizer betreffen, in einem Erlass übersichtlich und in sich kohärent zusammengefasst.
Eine wichtige Neuerung: Das Eidgenössische Departement des Äussern (EDA) soll für Auslandschweizer zum «Guichet unique» – zur zentralen Anlaufstelle – werden.
Wichtig ist auch das Prinzip der individuellen Verantwortung. So hält der Gesetzentwurf fest: «Jede Person trägt die Verantwortung bei der Vorbereitung und Durchführung eines Auslandaufenthaltes oder bei der Ausübung einer Tätigkeit im Ausland.“(Art.5) Daraus folgt, dass der konsularische Schutz kein absolutes Recht ist; die Rolle des Staates ist subsidiär.
Gemäss dem Prinzip der Eigenverantwortung wird auch die Meldepflicht für Auslandschweizer bei diplomatischen Vertretungen abgeschafft. Doch wer sich ins Auslandschweizer-Register einträgt, kann bestimmte Dienstleistungen in Anspruch nehmen – beispielsweise Sozialhilfe der Eidgenossenschaft.
In Bezug auf die politischen Rechte wird festgelegt, dass die Teilnahme an Abstimmungen und Wahlen in der letzten Wohngemeinde erfolgen muss. Das Wahlrecht in der Heimatgemeinde als Alternative ist nicht mehr vorgesehen.
In der Schweiz hatte die Unterzeichnung zu harschen Kommentaren geführt. Viele fühlten sich von Frankreich über den Tisch gezogen. Mit Deutschland habe Frankreich übrigens genau das gleiche Abkommen abgeschlossen, sagte Duclos. «Es gab nicht einen Artikel darüber in der deutschen Presse.»
Dauerbrenner Konsulate
Erneut zu reden gab das schweizerische Konsularnetz. Immer mehr Konsulate sind in den letzten Jahren geschlossen worden, die Wege sind für viele Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer lang geworden.
Abhilfe sollen «mobile Konsulate» schaffen. Roland Büchel Nationalrat der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und ASR-Vorstandsmitglied, der in einer Motion im Eidgenössischen Parlament ein Moratorium für Schliessungen von Konsulaten bis im Herbst 2015 fordert, sprach von «Laptop-Botschaftern».
Botschafter Gerhard Brügger, Leiter der Konsularischen Direktion im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), verteidigte die Bundesverwaltung: «Niemand im EDA schliesst gerne Vertretungen», sagte er.
Das Problem sei klar eine Optimierungs-Aufgabe. Man stehe zwischen den Spannungsfeldern Realität und Ressourcen. Zur Motion Büchel hielt er allerdings auch fest: «Der Weg über das Parlament ist der richtige Weg.»
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Arbeiten in einer globalisierten Welt
Knatsch in Frankreich
Bei den Neuwahlen des Vorstands schliesslich, im Normalfall eine kurze Sache ohne Gegenkandidaten, kam es zu einem kleinen Eklat. Die französische Delegation wird bis März 2014 nicht mehr im Vorstand vertreten sein, der Sitz bleibt vakant. Der Grund sind Unstimmigkeiten innerhalb der französischen Auslandschweizer-Organisation, die zu einer Doppelkandidatur für den Sitz führten.
Weil der bisherige Amtsinhaber Jean-Paul Aeschlimann seine Kandidatur vor der Wahl zurückzog, stand nur noch Herausforderin Elisabeth Etchart zur Wahl. Sie erreichte im ersten Wahlgang das absolute Mehr nicht, deshalb musste ein zweiter Wahlgang durchgeführt werden, bei dem eine einfache Mehrheit gereicht hätte. Mit 8 zu 46 Stimmen wurde sie schliesslich nicht gewählt.
Auslandschweizerrats-Präsident Jacques-Simon Eggly bat die französische Organisation, ihre Unstimmigkeiten bis zum nächsten Ratstreffen im März 2014 auszuräumen.
Schliesslich legte der Vorstand des Auslandschweizerrats Ort und Datum des nächsten Auslandschweizer-Kongresses fest: Er wird vom 15. bis 17. August 2014 in Baden und Aarau stattfinden.
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