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Auslandschweizer-Rat: Rückblick auf die grossen Themen

Auslandschweizerrat
Der Auslandschweizer-Rat beschäftigt sich weiterhin mit der demokratischen Legitimation seiner selbst. Archivbild von der Ratssitzung im August 2023. © Keystone / Gian Ehrenzeller

Am Samstag tagte der Auslandschweizer:innenrat. Themen der ausserordentlichen Online-Sitzung waren Krankenkassen, die Situation in Nahost und das Projekt für mehr Demokratie im Rat selbst.

Nach dem Rücktritt eines Vorstandsmitglieds aus Deutschland ging es zu Beginn der Sitzung darum, eine Nachfolge im Vorstand der Auslandschweizer-Organisation (ASO) zu wählen.

Den Auslandschweizerrät:innen stellten sich drei Kandidierende zur Wahl, Schweizer:innen aus Sri Lanka, Deutschland und Ungarn. Sonja Lengning, die neue Präsidentin der ASO Deutschland, machte mit 44 von 72 Stimmen das Rennen.

Dauerthema Krankenkassen

Ständerat Carlo Sommaruga berichtete anschliessend aus der parlamentarischen Gruppe der Auslandschweizer:innen. Ein externer Experte / eine externe Expertin soll die aktuelle, schwierige Situation der Krankenkassen für Auslandschweizer:innen in Nicht EU-Efta-Staaten beurteilen. Diese Analyse soll eine faktenbasierte und rechtlich fundierte Grundlage schaffen, um die Thematik politisch weiterzuverfolgen.

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Ziel sei vorerst, genügend Informationen zusammenzutragen, um das Thema in den Kommissionen und in der Verwaltung überhaupt adressieren zu können. «Im Moment haben wir zu wenige Informationen, um die komplizierte Situation der Auslandschweizer:innen politisch zu verändern», sagt Ständerat Sommaruga.

Sommaruga kündigte auch an, er wolle im Ständerat ein Postulat einreichen, um zu verstehen, warum es bei den Wahlen 2023 so grosse Differenzen in der Stimmbeteiligung der Auslandschweizer:innen in den verschiedenen Kanton gab, von Basel mit 23,8% über Appenzell Innerrhoden mit 5,8% zum Wallis mit 16,1%.

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Welches sind die Länder mit tiefer Stimmbeteiligung? Und welche Rolle spielt es, wie lange die Auswanderung aus der Schweiz zurückliegt?, fragt sich der Genfer SP-Ständerat. Ziel sei es, verstehen zu können, «wo wir unsere Anstrengungen intensivieren müssen, um die Stimmbeteiligung zu erhöhen.»

Ein Defizit im Budget

Das Budget der ASO gab zu diskutieren. Schweiz Tourismus will seine Beiträge an die Auslandschweizer-Organisation um 50% auf 50’000 Franken kürzen. Die ASO bedauert diesen Entscheid. Das Budget 2024 werde in den nächsten Wochen nochmals überarbeitet.

Krieg in Nahost beschäftigt

Der Direktor der Konsularischen Direktion des Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), David Grichting, informierte dann über die aktuellen Herausforderungen des EDA. Zentrales Thema war die konsularischen Arbeiten rund um den israelisch-palästinensischen Krieg.

Grichting unterstrich, dass die Vertretungen in der Region sowie die Helpline mit zusätzlichem Personal aufgerüstet wurde, um den Bedürfnissen von Schweizer:innen in der Region gerecht zu werden. Auch habe man bis heute die Evakuation von Schweizer Staatsangehörigen aus dem Gazastreifen fast vollständig abschliessen können.

Kein Votum über die Hamas

Auslandschweizerrat Ralph Steigrad aus Israel wollte an der ASR-Sitzung eigentlich ein zusätzliches Traktandum einbringen. Da dies aber aus zeitlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte, präsentierte er sein Anliegen unter Varia. Steigrad hat bei den Angriffen der Hamas zwei Familienangehörige verloren. Sein Anliegen: Eine Abstimmung im Auslandschweizer:innenrat über die Einstufung der Hammas als Terrororganisation.

Präsident Filippo Lombardi zeigte Verständnis für seine Forderung, konnte dem Wunsch aber nicht entsprechen. «Der Bundesrat hat beschlossen, das Parlament darüber entscheiden zu lassen», so Lombardi. «Wir können den Bundesrat kaum vom Gegenteil überzeugen.»

Mehr Demokratie: Es geht vorwärts

Innerhalb der ASO ist eine neue Arbeitsgruppe aktiv. Sie hat zum Ziel, die Wahl der Mitglieder in den Auslandschweizerrat demokratisch zu gestalten. Damit sorgte sie bereits am letzten Auslandschweizer-Kongress in St. Gallen für Aufsehen. 

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Bild aus Uni St.Gallen, wo der Auslandschweizerrat tagt.

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Auslandschweizer-Rat: Bern will mehr Repräsentativität

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Veränderungsbedarf und Demokratie. An der 99. Session des Auslandschweizerrats führen junge Delegierte dem alten Rat eigene Defizite vor Augen.

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Hintergrund: Die Schweizer:innen, die im Auslandschweizerrat, diesem so genannten Parlament der Fünften Schweiz sitzen, werden bisher in der Regel nicht gewählt, sondern von Schweizervereinen oder Dachorganisationen entsandt. Von einer demokratischeren Zusammensetzung verspricht sich die Arbeitsgruppe eine höhere Legitimität dieses Gremiums. Die Stimme des Rats hätte dann – vor allem im Inland – auch mehr Gewicht.

Verwirrung vermeiden

Noel Frei, Schweizer aus Äthiopien und Initiator des Projekts, stellte an der Sitzung vom Samstag eine erste konkrete Arbeit vor. Am Ende will man ein Online-Wahlsystem, das allen Auslandschweizer:innen über 18 Jahren zugänglich ist, unabhängig davon, ob diese in einem Verein eingeschrieben sind oder nicht. «Insbesondere in der ersten Phase wird es notwendig sein, dass verschiedene Akteur:innen in der Schweiz das Projekt stark unterstützen, um den langfristigen Erfolg von demokratischeren Wahlen zu gewährleisten», sagt Noel Frei.

Antoine Belaieff, Schweizer aus Kanada und Mitglied der Arbeitsgruppe, sieht zwei Herausforderungen. Die erste: Nur das EDA hat Zugang zu den Adressdaten der Auslandschweizer:innen. Diese könnten weder der Arbeitsgruppe noch der ASO mitgeteilt werden. Zudem gelte es, «eine Verwechslung mit den ‹echten› Wahlen, kantonalen oder eidgenössischen, zu vermeiden».

Verlust von Macht?

Eine weitere Hürde: Um ein neues System einzuführen, müssten auch die Statuten der meisten Schweizer Vereine im Ausland geändert werden. Denn diese legen bisher das Wahlverfahren fest, und viele nominieren de facto die Präsident:innen für den ASR. Helmut Uwer, Delegierter in Deutschland, sagt dazu: «Von Verbänden wird quasi erwartet, dass sie sich selbst entmachten.»

Andreas Feller-Ryf, Schweizer in Grossbritannien und ebenfalls Initiator des Projekts, hält es für möglich, ein hybrides System vorzuschlagen, bei dem einige Personen direkt gewählt und andere von den Vereinen ernannt werden, wie es in seinem Wohnland Grossbritannien bereits der Fall ist. «Die Erfahrung zeigt auch, dass die amtierenden Delegierten gute Chancen haben, wiedergewählt zu werden, da diese Personen über ein Netzwerk verfügen und ihr Engagement in ihrem Land anerkannt wird», fügt Ryf hinzu.

Die Arbeitsgruppe wird bei ihrer für März 2024 geplanten Sitzung in Bern einen Workshop anbieten, um die Überlegungen zu vertiefen. Ryf hofft, dass von den Ländern das neue System ab 2025 auf freiwilliger Basis eingeführt werden kann.

Vorverlegter Kongress

Vom 11. bis 13. Juli 2024 findet in Luzern der 100. Auslandschweizer-Kongress statt. Die Verschiebung der Durchführung vom August in den Juli ist ein Versuch, den Kongress mehr Auslandschweizer:innen zugänglich zu machen.

Denn die Teilnahmequote ist rückläufig, wie Ariane Rustichelli sagt. Zudem findet die Konferenz der Schweizerschulen im Ausland wenige Tage vor dem Auslandschweizer-Kongress statt.

Die Rückmeldungen zum ASO-Kongress 2023 seien in die Planung des nächsten Kongresses eingegangen, sagt Filippo Lombardi. So wurde entschieden, dass das Programm nicht gekürzt werde.

Grosszügige Diaspora

Mit der Swiss Philanthropy Foundation hat die ASO eine Studie zur Grosszügigkeit der Auslandschweizer:innen bei finanziellem oder zeitlichem Engagement für die Gemeinschaft durchgeführt.

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Bei der Umfrage ging es der ASO darum, die Werte der Auslandschweizer:innen und ihre Verbindung zur Schweiz zu erkunden. Die Resultate der Wahlen und Abstimmungen zeugen laut Swisscommunity von einer tiefen Verbundenheit der Diaspora zur Schweiz. Über 2500 Auslandschweizer:innen aus 123 Ländern haben bei der Studie mitgemacht.

Besser kommunizieren

Ein Jahresziel der ASO ist die Stärkung der Online- und Offlinekommunikation der ASO, dieses Ziel läuft noch bis Ende nächstes Jahr.

Die Gemeinschaft der Auslandschweizer:innen soll gestärkt werden, ebenso wie die Verbundenheit zu Schweizervereinen, sagt Filippo Lombardi. Die Kommunikation sei fundamental, um die Rolle der ASO verstärken, aufrechtzuerhalten und rechtfertigen zu können.

Ein wichtiges Ziel sei auch, die Auslandschweizer:innen-Clubs und -Vereine zu erreichen, von denen viele die Arbeit der ASO noch nicht kennen.

Zu den weiteren Zielen der Legislaturperiode sagte Lombardi: «Wir sind auf Kurs.» Die Ziele in Bezug auf die Wahlen seien erreicht worden. Das E-Voting habe funktioniert. Einzig betreffend der AHV sei das Ziel nicht erreicht worden.

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