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Benazir Bhutto bei Anschlag getötet

Nach dem Mord: Anhänger von Benazir Bhutto zünden ein Polizeiauto an. Keystone

Die Oppositionspolitikerin und frühere pakistanische Ministerpräsidentin Benazir Bhutto ist bei einem Attentat erschossen worden. In mehreren Städten Pakistans brachen gewalttätige Proteste aus.

Wie die internationale Staatengemeinschaft verurteilt auch die Schweiz das Attentat «in aller Schärfe» und zeigt sich über die Situation in Pakistan äusserst besorgt.

Das Attentat sei durch nichts zu rechtfertigen. Es gefährde den heiklen, demokratischen Prozess in Pakistan, schreibt das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten in seiner Reaktion.

Die Schweiz rufe die betroffenen Akteure dazu auf, die nötigen Massnahmen zu ergreifen, um die Stabilität des Landes zu sichern.

Auch viele andere Länder verurteilten den Anschlag und zeigten sich besorgt über die Zukunft des Landes. US-Präsident George W. Bush bezeichnete das Attentat als feigen Akt.

Der Anschlag sei die mörderische Tat von Extremisten, die versuchten, die Demokratie in Pakistan zu unterwandern, sagte Bush. Auch Russland, Indien, die EU und zahlreiche europäische Staaten verurteilten den Anschlag.

Der pakistanische Präsident Pervez Musharraf hat den Mordanschlag auf die Oppositionsführerin verurteilt und die Bevölkerung zur Ruhe aufgerufen.

Angesichts dieser Tragödie sei eine verstärkte Entschlossenheit zum Kampf gegen den Terror nötig, sagte Musharraf laut der amtlichen Nachrichtenagentur Associated Press of Pakistan. Der Staatschef setzte ein Krisentreffen der Regierung an.

Demonstrationen

Nach dem Attentat brachen in mehreren Städten Pakistans gewalttätige Proteste aus. Ein Gerichtsgebäude in der Stadt Jacobabad wurde von einer aufgebrachten Menge in Brand gesetzt.

Die Demonstranten blockierten auch Strassen und zündeten Geschäfte an, von denen einige dem Übergangs-Premierministers Mohammedmian Soomro gehören.

In der Stadt Multan zündeten rund hundert Anhänger der früheren Premierministerin Reifen an und blockierten den Strassenverkehr. In Peschawar löste die Polizei eine Demonstration von Bhutto-Anhängern gewaltsam auf.

Merhmals mit dem Tod bedroht

Die frühere Ministerpräsidentin Bhutto ist knapp zwei Wochen vor den geplanten Parlamentswahlen während einer Wahlkampfveranstaltung in Rawalpindi ermordet worden. Mindestens 16 weitere Menschen kamen bei dem Anschlag ums Leben.

Nach Angaben ihrer Partei schoss ein Attentäter der Politikerin in Nacken und Brust, als sie in ihren Wagen steigen wollte. Anschliessend habe sich der Täter in die Luft gesprengt.

Der Anschlag erfolgte zehn Wochen nach Bhuttos Rückkehr aus dem selbst gewählten Exil. Bereits am 18.Oktober, gleich nach ihrer Rückkehr aus dem Exil, wurde in Karachi ein Anschlag auf sie verübt, bei dem weit über 130 Menschen getötet wurden.

«Benazir Bhutto war sich der Gefahr bewusst. Das Attentat war unausweichlich», sagte Loretta Dal Pozzo, Asienkorrespondentin des Fernsehens der italienischen Schweiz, gegenüber swissinfo.

«Sie wurde ja mehrmals mit dem Tod bedroht und Präsident Pervez Musharraf hatte sie ja auch gewarnt. Aber sie wollte nicht auf die Veranstaltungen mit ihrer Partei verzichten.»

Erste Regierungschefin der islamischen Welt

Bhuttos politische Laufbahn glich einer Achterbahnfahrt: Sie war die erste Regierungschefin der islamischen Welt, musste aber unter heftigen Korruptionsvorwürfen wieder abtreten und das Land verlassen.

Nach Pakistan zurückgekommen war Bhutto vor wenigen Wochen, um bei der Parlamentswahl Anfang Januar anzutreten und die Herrschaft von Präsident Pervez Musharraf anzugreifen.

Dieser hatte Bhutto nach der Verhängung des Ausnahmezustands auch vorübergehend unter Hausarrest gesetzt.

Ihre eigentliche Kampfansage galt aber den islamischen Extremisten, die sich im Grenzgebiet zu Afghanistan festgesetzt haben. «Ich bin ein Symbol dessen, was die sogenannten Dschihadisten, die Taliban und die Al Kaida am meisten fürchten», schrieb sie in ihrer Autobiographie.

«Ich bin eine politische Führerin, die darum kämpft, Moderne, Kommunikation, Bildung und Technik nach Pakistan zu bringen.»

swissinfo und Agenturen

Geboren am 21. Juni 1953, trat sie bald in die Fussstapfen ihres Vaters Zulfikar Ali Bhutto. Der Präsident und Ministerpräsident schickte seine älteste Tochter zum Studium von Politik und Verwaltung nach Oxford und Harvard.

Sein Sturz durch einen Militärputsch im Jahr 1977 und seine folgende Hinrichtung waren prägende Erfahrungen für Benazir Bhutto.

Unter der Herrschaft von General Zia ul Haq wurde sie mehrere Male verhaftet, ehe sie 1984 nach England ins Exil gehen konnte. Zwei Jahre später kehrte sie zurück und führte Massendemonstrationen für die Wiederherstellung der Zivilregierung an.

Die Wende kam 1988: Nach Zias Tod bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz wurde Benazir Bhutto die erste Ministerpräsidentin eines islamischen Staates.

Schon bald aber geriet sie in Konflikt mit der militärischen Elite. Nach 20 Monaten wurde ihre erste Regierung unter Korruptions-Vorwürfen entlassen.

1993 wurde Bhutto wiedergewählt. 1996 musste sie ihrem Rivalen Nawaz Sharif den Vortritt lassen, und unter der neuen Regierung wurden die Ermittlungen wegen Korruption weiter vorangetrieben.

Bhutto entschied sich zur Ausreise, kurz bevor sie ein Gericht im April 1999 schuldig sprach und ihr jede politische Betätigung untersagte. Das Urteil wurde später zwar aufgehoben, doch blieb Bhutto weiter im Exil.

Ihre Entscheidung, doch wieder nach Pakistan zurückzukehren, um in die politischen Geschicke ihres Landes einzugreifen, bezahlte sie nun mit dem Leben.

Gegen Benazir Bhutto waren in der Schweiz seit 10 Jahren Ermittlungen wegen Verdachts auf Korruptionsgeldwäscherei im Gang.

Zunächst beschuldigte sie Pakistan, zusammen mit ihrem Ehemann und weiteren Personen Schmiergelder auf Schweizer Banken platziert zu haben.

Später ermittelten auch die Bundesanwaltschaft und die Genfer Justiz in der Angelegenheit.

Mit ihrem Tod wird das Verfahren eingestellt, sagte der Genfer General-Staatsanwalt Daniel Zappelli.

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