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«Dieser Empfang weckt den Eindruck, die Schweiz unterstütze Korruption»

Swissinfo Redaktion

Heute besucht der rumänische Parlamentspräsident Liviu Dragnea auf Einladung des Nationalratspräsidenten Dominique de Buman das Parlament in Bern. An diesem Tag wird in Rumänien auch ein Urteil gegen den Gast erwartet. Offener Brief einer Vereinigung von Exil-Rumänen.

Sehr geehrter Herr Präsident des Nationalrats Dominique de Buman.

Wir schreiben Ihnen im Namen von Rezist Zürich, einem Schweizer Verein, gegründet von Diaspora-Rumänen. Der Verein wurde 2017 gegründet aufgrund der Massenproteste für eine unabhängige Justiz und gegen Korruption in unserem Heimatland, Rumänien.

Als Folge Ihrer Einladung werden Sie im Zeitraum 29.-31. Mai eine rumänische Delegation unter Leitung des Präsidenten der rumänischen Abgeordnetenkammer, Herrn Liviu Dragnea, offiziell empfangen. Als Vertreter der rumänischen Zivilgesellschaft, welche seit über einem Jahr ununterbrochen gegen die mutmasslich korrupten Politiker wie Herrn Dragnea protestiert, drücken wir unsere tiefste Enttäuschung über Ihre Initiative aus, eine so hoch kontroverse politische Person ins Schweizerische Parlament einzuladen.

Wie Sie bestimmt wissen, ist Herr Liviu Dragnea strafrechtlich verurteilt und sitzt gerade seine zweijährige Strafe für Wahlfälschung auf Bewährung ab.

Gegen Liviu Dragnea ist noch ein zweites Verfahren von der EU-Antikorruptionsbehörde OLAF initiiert worden, zu einem Fall von mutmasslicher Veruntreuung von EU-Geldern.

Skandalös finden wir besonders, dass gerade, heute, am 29. Mai 2018, die rumänische Justiz ein gerichtliches Urteil zu einem weiteren Strafverfahren für Amtsmissbrauch von Liviu Dragnea erteilen wird. Genau an diesem Tag wird Dragnea von Ihnen im schweizerischem Parlament offiziell empfangen.

Neben der Tatsache, dass Ihre Einladung Liviu Dragnea ermöglicht, an diesem wichtigen Tag nicht erreichbar für die Autoritäten und für die Presse in Rumänien zu sein, gibt die Einladung eines strafrechtlich rechtskräftig verurteilen Politikers und einer international hoch umstrittenen Person im Schweizer Parlament der rumänischen Zivilgesellschaft ein sehr enttäuschendes negatives Zeichen.

Zudem steht dieser Empfang im Widerspruch zu den internationalen Bemühungen der Schweiz zur Einhaltung europäischer Standards im Bereich Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit der Justiz in Rumänien, sowie zu den bereits getätigten Investitionen im Bereich der Bekämpfung von Korruption und organisiertem Verbrechen. Die Antwort des Bundesrats vom 9. Mai 2018 auf die Interpellation «Untergrabung der Unabhängigkeit der Justiz in Rumänien»Externer Link ist ein guter Anhaltspunkt dafür.

Die Antwort des Bundesrats zur Interpellation unterstreicht die nachhaltigen Bemühungen der Schweiz im Bereich Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit der Justiz in Rumänien. In diesem Sinn hat die Schweiz einen bedeutenden Teil der Kohäsionsfonds für Rumänien in Projekte zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, der Unabhängigkeit der Justiz und zur Stärkung der Zivilgesellschaft aufgewendet.

Unter diesen Voraussetzungen ist es für uns umso weniger nachvollziehbar, dass sich eine Person wie Herrn Liviu Dragnea, die für uns Rumänen inzwischen als Symbol für hochkorrupte Politiker dient, als offizieller Gast im Schweizerischen Parlament aufhalten darf. Die Aussenwirkung dieser Einladung ist, dass der Nationalrat korrupte politische Machenschaften in Rumänien unterstützt.

In diesem Sinne drücken wir erneut unsere tiefste Enttäuschung über den offiziellen Empfang von Herrn Liviu Dragnea in der Schweiz aus.

Mit freundlichen Grüssen, Mihnea Mihai, Präsident des Vereins Rezist Zürich

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